1. Drohnen-Abschießen
Die Fregatte „Hessen“ der Deutschen Marine beteiligt sich im Roten Meer am Beschießen von Drohnen vermutlich jemenitischer Herkunft. In der Nacht zum 9. März haben westliche Kriegsschiffe im Roten Meer insgesamt 28 Drohnen getroffen. Beteiligt waren die USA, Frankreich, Dänemark und Großbritannien – die „Hessen“ war gerade andernorts unterwegs, hat sich deshalb nicht beteiligt. Militärisch gesehen war das ein Erfolg. Aber ist der auch einer auf Dauer? Oder erleben wir hier wieder eine Serie von taktischen Erfolgen, die in eine strategische Niederlage münden? Darf man solche „Erfolge“ vielleicht doch nicht addieren? Gibt hundert mal Plus hier vielleicht doch Minus?
2. Die Kosten-Nutzen-Rechnung
Sinn des Einsatzes ist angeblich der Schutz der Handelsschifffahrt. Die aber will sich weit überwiegend nicht „schützen“ lassen – der erscheint es billiger, den Umweg über die Südspitze Afrikas zu nehmen.
Kann die Deutsche Marine den Einsatz durchhalten? Die Huthi befinden sich seit 2004 im Bürgerkrieg um die Herrschaft im Lande. Im März 2015 wurden sie Ziel einer von Saudi-Arabien angeführten Militäroffensive namens „Operation Decisive Storm“, die von den USA, Frankreich und Großbritannien unterstützt wurde. „Decisive“ war daran nichts, die Huthi haben einen sehr langen Atem bewiesen. Also ist zu erwarten, dass sie ihn auch in dem Katz- und Maus-Spiel am Eingang des Roten Meeres haben werden. Dort werden Billigwaffen (Drohnen) den Katzen (Hochwertwaffen) zum Fraß vorgeworfen – und die Katzen nehmen sie unbesehen, schießen die beliebig vermehrbaren Garagenwaffen mit Hightech-Waffen ab.
Wie rechnet sich das?
Im Mandat des Einsatzes findet sich eine Berechnung der Kosten. Die lautet:
„Die einsatzbedingten Zusatzausgaben für die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an EUNAVFOR ASPIDES werden für den Zeitraum 23. Februar 2024 bis 28. Februar 2025 voraussichtlich insgesamt rund 55,9 Mio. Euro betragen“.
56 Mio. € ist auffällig wenig. Aber es ist ja auch nur von „Zusatzausgaben“ die Rede, nicht von „Kosten“. Angenommen, eine Abwehrrakete habe einen Wert von 2 Mio. €, so wäre nach gut 20 Schüssen Schluss, weil das Budget aufgebraucht ist. So kann es nicht gemeint sein.
Auf Nachfrage zur Definition von „einsatzbedingten Zusatzausgaben“, ob da einsatzbedingte Verbräuche von Munition, die ja in der Regel Ersatzbeschaffungen auszulösen haben, enthalten seien, war die Antwort: Nein. Die Begründung:
Ausgaben für die Nachbeschaffung von Munition seien in den einsatzbedingten Zusatzausgaben nicht enthalten, da Munition nicht spezifisch für einen Einsatz beschafft werde. Es gehöre vielmehr zu den Grundaufgaben von Streitkräften, ausreichend Munition zu beschaffen und zu bevorraten, um jederzeit ihren Auftrag, auch im Rahmen internationaler Einsätze, erfüllen zu können.
Wer so kalkuliert, kann schwerlich nur erkennen, wie absurd das Einsatzkonzept ist, Billigdrohnen, die die Huthi über Jahre in fast beliebiger Menge starten lassen können, mit hundertmal teureren Raketen vom Himmel zu holen; mit Waffen zudem, deren Vorräte äußerst knapp sind.
Institutionell stellt sich die Frage, wer bei der Vorbereitung einer Mission in diesen Kategorien denkt und das Ergebnis in die Beratungen einbringt. Ein Abnützungskrieg ist eine Konstellation, bei der definitorisch die Relation der Ressourcenverfügbarkeit entscheidet. Das Rechnen mit Ressourcen ist fachlich eine Aufgabe der Ökonomie. Es gibt in Deutschland lediglich eine Honorarprofessur für Sicherheits- und Militärökonomie an der Universität der Bundeswehr in München. Das ist institutionell schon alles. Kein Wunder, dass man sich bei Einsätzen verrechnet, und das augenscheinlich nicht nur bei Einsätzen. So werden Streitkräfte nicht „kriegstüchtig“, wenn sie das militärökonomische Denken nicht pflegen.
3. Die rechtliche Schwierigkeit mit der Erkennbarkeit eines Angriffs
Der Einsatz gegen die Drohnen der Huthi bringt eine rechtliche Pikanterie mit sich. Die kann man am besten veranschaulichen, wenn man sich in die Huthi hineinversetzt und denen äußerst sparsames Verhalten unterstellt.
Die sehen sich in einem Abnützungskampf, in dem sie mit ihren Billigstwaffen und guter Deckung in den Bergen die weit besseren Karten haben gegenüber der Flottille von Kriegsschiffen des Westens, die sich als Zielscheibe ohne Deckung im Meer vor ihren Bergen anbieten und wahllos mit Hochwert-Waffen auf alles schießen, was anfliegt. Sind sie knauserig, so sparen sie sich das Beladen ihrer Drohnen mit Sprengkörpern.
Abwehr ist gemäß gewohnheitsrechtlich anerkanntem Nothilferecht legitimiert, so der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages in einem Rechtsgutachten zum Einsatz im Roten Meer, gegen eine „armed attac“. Für die US-Streitkräfte muss es nicht einmal das sein, für die reiche, dass ein „hostile intent“ bzw. ein „hostile act“ seitens des Gegners vorliege. Wie aber soll das bei anfliegenden Drohnen erkennbar sein?
Das ist im Einzelfall unmöglich. Eine Drohne ist eben lediglich eine Plattform, für dual use: Man kann Detektionsgeräte darunterhängen, aber auch Sprengstoff. Also gibt es nur eine Lösung für die westlichen Kriegsschiffe: „hostile intent“ generalisiert unterstellen, dann aber auch jede Drohne, die anfliegt, ins Visier der Hochwertwaffen nehmen. Also wäre das unterstellte Sparverhalten der Huthi sinngemäß und würde nicht einmal auffallen.