Stell dich bitte kurz vor. Wer bist du? Was machst du?
Fee, ich bin 34 Jahre alt, Mutter von zwei wundervollen Kindern, Diversity Managerin und ich habe vor über 3 Jahren mit VisionPeriod eine Unternehmensberatung für Zyklusmanagement am Arbeitsplatz gegründet.
Zyklusmanagement am Arbeitsplatz ist ein Ansatz, der darauf abzielt, die Arbeitsumgebung an die natürlichen zyklischen Phasen des Menstruationszyklus anzupassen. Dabei geht es darum, dass der weibliche Menstruationszyklus verschiedene physische, emotionale und kognitive Veränderungen während des Monats mit sich bringt. Durch die Integration von Zyklusmanagement in den Arbeitsalltag können positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden, die Gesundheit und die Arbeitskultur erzielt werden.
Dafür biete ich Workshops, Trainings und Beratung in Unternehmen an.
Wieso bewegt dich das Thema?
Es gibt gleich mehrere Gründe, warum mich das Thema bewegt:
Ich hatte schon früh ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl und der stigmatisierende Umgang mit dem weiblichen Körper, im speziellen dem Menstruationszyklus in unserer Gesellschaft, führt dazu, dass 20 Millionen Arbeitnehmerinnen täglich in Themen der Gesundheit, der Bildungschance und der Gleichberechtigung benachteiligt sind.
Ein zyklusgerechter Arbeitsplatz trägt dazu bei, eine faire und gleichberechtigte Arbeitsumgebung zu schaffen.
Als selbstständige Unternehmerin erlebe ich persönlich täglich, wie der Menstruationszyklus Einfluss auf meine Energie, Leistungsbereitschaft und meine Stimmung hat. Das Bewusstsein für diese Zyklen hilft mir dabei, bewusster und gesünder zu arbeiten und meine Ressourcen besser zu managen.
Darüber hinaus betrachte ich die Auseinandersetzung mit dem Thema Zyklusmanagement am Arbeitsplatz als Teil meines Engagements für gesellschaftlichen Wandel und Gleichberechtigung. Das Thema mit in die Arbeitswelt zu nehmen, trägt dazu bei, Tabus zu brechen und Arbeitsbedingungen für Frauen und Menstruierende zu verbessern.
Wollen Frauen überhaupt bei der Arbeit über ihren Zyklus sprechen?
Natürlich gibt es hier nicht die eine, richtige Antwort. Einige wollen es, andere wollen es nicht. Einige brauchen es, andere nicht. Es muss ja auch gar nicht nur darüber gesprochen werden. Viele weitere Maßnahmen wie z.B. Informationsmaterial oder Perioden Produkte auf dem WC, könnten bereits Unterstützung bieten.
So hat eine Umfrage der Menstruations-App Flo im Dezember 2022 zumindest ergeben, dass fast 95 % der befragten Arbeitnehmenden angeben haben, am Arbeitsplatz nicht mit menstruationsgerechten Maßnahmen versorgt zu werden und über 75 % von denen sich dies aber vom Arbeitsplatz wünschen würden.
Die Frage selber, “ob Frauen das überhaupt wollen” zeigt allerdings, wie stark das Thema Menstruationszyklus in unserer Gesellschaft tabuisiert ist und wie unangenehm uns der Umgang mit dem Thema ist.
Zum einen zeigt es den sozialisierten Widerstand gegen einen natürlichen Prozess des weiblichen Körpers, der mit Scham und Unsicherheitsgefühlen eng verknüpft ist.
Zum anderen ist es das Zeichen einer simplifizierenden Annahme über alle Menstruiernenden, nämlich, dass alle Frauen und menstruierenden Menschen durch den Menstruationszyklus die gleichen Bedürfnisse und Herausforderungen hätten. Das ist nicht so. Nicht nur sind die Zyklus einer jeden Frau* unterschiedlich, sie können sich auch von Zyklus zu Zyklus bei derselben Person unterscheiden.
Wichtig ist bei dem Thema zu beachten, dass einige Menschen sehr von Zyklusmanagement profitieren können und es daher wünschen, während andere möglicherweise nicht direkt betroffen sind und daher auch nicht unbedingt alle angebotenen Strukturen nutzen werden.
Ich als Frau frage mich: Muss ich mich jetzt auch noch im Bereich Zyklus selbst-optimieren, um auch in der Zeit, in der es mir vielleicht schlecht geht, das Beste rauszuholen?
Das ist eine sehr interessante Frage und beleuchtet ein bestehendes Missbrauchsrisiko von Zyklusmanagement am Arbeitsplatz, denn dieser könnte als Reaktion auf kapitalistischen Druck empfunden werden.
In einem kapitalistischen Kontext besteht die Gefahr, dass Selbstoptimierung zu Selbstausbeutung führt, wenn Menschen dazu neigen, ihre Arbeitszeit übermäßig zu verlängern, um den Anforderungen gerecht zu werden.
Um sicherzustellen, dass Zyklusmanagement nicht als (Selbst)-Ausbeutung von Arbeitnehmenden oder Arbeitgebenden missbraucht wird, lege ich in meiner Arbeit großen Wert auf strukturelle Maßnahmen, die auf organisationaler Ebene greifen.
Hier ist es wichtig, dass Zyklusmanagement als Werkzeug, nicht als Zwang integriert wird.
Schulungen für Mitarbeitende und Führungskräfte unterstützen über gesunde Arbeitspraktiken und den Umgang mit Stress sowie Sensibilisierung für Selbstfürsorge bei einem bewussteren Umgang mit Arbeitsbelastungen.
Die Entwicklung klarer Richtlinien, Erwartungen und Consent bezüglich der Arbeitszeiten und -lasten bietet eine Sicherheit, um unrealistischen Druck zu vermeiden. Hier ist die Betonung auf Pausen und Erholung wichtig, um eine ausgewogenen und gesunde Arbeitsbelastung zu ermöglichen. Gleichzeitig fördert eine offenen Kommunikationskultur, in der Arbeitnehmende Bedenken bezüglich ihrer Arbeitsbelastung ansprechen können, den kontinuierlichen Dialog zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften und bietet damit Sicherheit.
In Gesprächen über Maßnahmen wie den Menstruationsurlaub, der in Spanien jetzt eingeführt wurde, kommt oft die Frage auf: Ist das nicht ungerecht?
Das stimmt. Das ist eine sehr häufige Reaktion. Und die Diskussion ist nicht einfach.
Die Sorge vor ungerechter Behandlung führt zu Widerständen und die können positive Veränderungen blockieren. So befürchten einige beispielsweise eine Benachteiligung ihrer eigenen beruflichen Situation, insbesondere wenn sie keine vergleichbaren Maßnahmen für ihre gesundheitlichen Bedürfnisse erhalten. Andere sorgen sich eher darum, dass die Einführung solcher Maßnahmen eine unfairen Behandlung von Frauen* unterstützen könnten, indem, Arbeitgeber*innen Frauen bzw. Menstruierende aufgrund der Möglichkeit von Menstruationsurlaub als weniger produktiv oder belastbar betrachten und das wiederum zu Vorurteilen oder Diskriminierung führen kann.
Aus diesem Grund ist es wichtig, einen transparenten und partizipativen Prozess zu implementieren. Hierbei ist es unter anderem wichtig, alle Geschlechter in den Prozess einzubeziehen, Schulungen anzubieten und eine offene Kommunikation zu fördern. Solche Maßnahmen können tatsächlich sogar dazu beitragen, die Gleichberechtigung am Arbeitsplatz zu fördern und eine inklusive Arbeitskultur zu stärken. Die Gesundheit und das Wohlbefinden wird durch Zyklusmanagement gefördert, die Mitarbeitenden fühlen sich unterstützt und gesehen und das stärkt die Bindung zum Arbeitgebenden. Darüber hinaus kann ein positives Arbeitsumfeld dazu beitragen, das Image des Unternehmens zu stärken und es als mitarbeiter*innen-freundlichen Arbeitgeber*in zu positionieren.
Eine wichtige Notiz noch: Der Begriff Menstruationsurlaub ist sehr irreführend und verhamlost das Ziel einer solchen Maßnahme. Er suggeriert, dass sich Menstruierende in der Zeit auf die faule Haut legen. Das Gegenteil ist allerdings der Fall: Die Periode führt bei den Betroffenen zu so starken Symptomen, dass sie sich zu der Zeit nicht arbeitsfähig fühlen. Das trifft allerdings nicht auf alle Perioden und nicht auf alle Menstruierenden zu.
Wir sollten daher bei solchen Diskussionen in den Vordergrund rücken, dass es sich bei diesen und vergleichbaren Maßnahmen darum handelt, mehr Gerechtigkeit in der Arbeitswelt zu fördern und Menschen mit starken Symptomen dabei zu unterstützen, ihre Herausforderungen und Bedürfnisse im Arbeitskontext zu berücksichtigen.
Wichtig ist: Es ist nicht darauf ausgerichtet, einen Wettbewerb um Ungerechtigkeiten zu schaffen, sondern eine ausgewogene Arbeitsumgebung zu schaffen, in der alle Mitarbeitende unterstützt werden.
Was haben wir davon?
Wir profitieren auf unterschiedlichen Ebenen von der Etablierung von Zyklusmanagement am Arbeitsplatz.
Persönlich:
Die Integration von Zyklusmanagement in den Arbeitsalltag ermöglicht es Frauen*, ihre Selbstfürsorge zu stärken und ihre persönlichen Bedürfnisse besser zu verstehen. Durch die Anpassung der Arbeitsgewohnheiten an den Menstruationszyklus können sie einen gesünderen Lebensstil pflegen. Dies führt nicht nur zu einem verbesserten Wohlbefinden, sondern auch zu gesteigerter Leistungsbereitschaft, Kreativität und potenziell reduzierten krankheitsbedingten Fehlzeiten.
Unternehmerisch:
Unternehmen, die die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden ernst nehmen und unterstützen, fördern von einer höhere Mitarbeiterbindung. Menschen fühlen sich wertgeschätzt und sind eher bereit, sich langfristig an das Unternehmen zu binden, wen, indivuelle Bedürfnisse gesehen und unterstützt werden.
Zyklusmanagement fördert zudem die Vielfalt am Arbeitsplatz, indem es auf individuelle Bedürfnisse eingeht und eine Arbeitskultur schafft, die die Einzigartigkeit jeder Mitarbeitenden anerkennt. Dies trägt zu einer gerechteren und inklusiveren Arbeitsumgebung bei.
Gesellschaftlich:
Die offene Integration von Zyklusmanagement trägt dazu bei, Tabus und Vorurteile im Zusammenhang mit Menstruation abzubauen. Dies schafft eine kulturelle Veränderung und fördert ein positives und aufgeklärtes Verständnis des Menstruationszyklus. Auf gesellschaftlicher Ebene kann die Einführung von Zyklusmanagement zu einem Umdenken bezüglich der Rolle und Wahrnehmung von Frauen in unserer Gesellschaft beitragen, was zu einer positiveren und inklusiveren Haltung gegenüber Geschlechterfragen führt.
Wie kann ich als Unternehmen meine Mitarbeitenden mit Zyklus besser unterstützen?
Konkrete Maßnahmen können unter anderem sein:
Informationsmaterial und Schulungen:
Bereitstellung von Ressourcen wie informative Broschüren, Webinaren oder Workshops, um das Verständnis für den Menstruationszyklus zu fördern und Mitarbeitende zu unterstützen.
Stilles Arbeitsumfeld:
Schaffung von ruhigen Arbeitsbereichen oder Rückzugsorten, in denen Mitarbeiterinnen bei Bedarf Ruhe finden können, insbesondere während Zeiten, in denen sie sich aufgrund von Menstruationsbeschwerden unwohl fühlen.
Gesundheitsfördernde Leistungen:
Integration von Gesundheitsleistungen, die gezielt auf die Bedürfnisse von Frauen und Menstruierende abgestimmt sind, wie z.B. die Bereitstellung von kostenlosen Periodenprodukten.
Offene Kommunikationskultur:
Fördern Sie eine offene Kommunikationskultur, in der Mitarbeitende sich wohl fühlen, ihre Bedürfnisse im Zusammenhang mit dem Menstruationszyklus zu kommunizieren, sei es gegenüber Vorgesetzten oder im Team.
Wie unterstützt du Unternehmen dabei, die ersten Schritte zu gehen?
Ich starte meist mit Schulungen und Workshops, um das Bewusstsein der Führungskräfte und Mitarbeitenden für die Bedeutung von Gesundheit, Wohlbefinden und Work-Life-Balance zu schärfen, dabei teile ich relevante Informationen und Ressourcen zu den Vorteilen einer gesunden Arbeitsumgebung und den Auswirkungen auf die Mitarbeiter*innenzufriedenheit und Leistungsbereitschaft. Das erfolgt häufig über Thementage wie z. B. dem internationalen Frauentag, dem Diversity Day oder auch betriebsinterne Angebote wie einem Health and Productivity Day oder vergleichbarem. Dieses Event ermöglicht einen niedrigschwellige Sensibilisierung und das Thema überhaupt erstmal ins Bewusstsein zu holen.
Anschließend wird die Beratung ganz individuell an die Bedürfnisse und Erwartungen angepasst. Sinnvoll an der Stelle ist eine interne Bedarfsanalyse, um die spezifischen Herausforderungen und Bedürfnisse der Mitarbeitenden besser zu verstehen, z. B. durch Mitarbeitenden-Umfragen oder Fokusgruppen, um direkt Feedback von den Mitarbeitenden zu erhalten. Und super wichtig ist es, gleich zu Beginn die Führungsebene zu gewinnen und zu verdeutlichen, warum Maßnahmen zur Förderung von Gesundheit und Wohlbefinden wichtig sind.
Die größte Herausforderung meiner Arbeit ist es nämlich, eine Lösung für ein Problem anzubieten, das aufgrund von Stigmatisierung und mangelndem Bewusstsein oft im Verborgenen bleibt.
Zur Person: Fee Reinoso. Diversity Managerin, Expertin für Zyklusmanagement am Arbeitsplatz & Gründerin von Vision Period