Frage: Muss ein guter Journalist die AfD behandeln wie jede andere Partei – oder darf er eindeutig Position beziehen gegen die Rechtsextremisten?
Antwort: Ein guter Journalist darf nicht nur eindeutig Partei ergreifen gegen die AfD. Er muss es!
Die Hauptaufgabe eines guten Journalisten ist die genaue Recherche und Beobachtung – und dann die möglichst exakte Beschreibung der Fakten und deren Einordnung.
Politischer Journalismus und Haltung – geht das überhaupt zusammen? Muss man nicht, um ein guter Journalist zu sein, auf eine eigene Meinung verzichten?
Ich hatte in meinem Leben immer eine klare weltanschauliche Haltung. Und diese klare Haltung geht nicht dadurch verloren, dass ich Journalist bin. Doch drei Leitsätze haben in diesem Spannungsfeld meinen Blick auf den Beruf geprägt und mich in meiner Arbeit gelenkt:
Da ist zunächst das genial knappe Motto des „Spiegel“:
„Schreiben, was ist“
In meinem Anstellungsvertrag bei der WAZ habe ich im Jahre 1983 zudem die „Publizistische Haltung“ der Zeitung unterschrieben:
„Die politische Haltung der Zeitung ist überparteilich und unabhängig, sie ist entschieden sozial unter Ablehnung aller totalitären Bestrebungen. Der Zeitungsinhalt wird objektiv gestaltet, um dem Leser die Bildung einer eigenen Meinung zu ermöglichen…“
Und von Hanns-Joachim Friedrichs, dem unvergessenen Anchorman der „Tagesthemen“ und herausragenden Journalisten, stammt schließlich folgendes legendäres Zitat aus den 90er Jahren:
„Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er Distanz zum Gegenstand seiner Betrachtung hält; dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache; dass er immer dabei ist, aber nie dazugehört“.
Zugegeben: Als junger Heißsporn ist es mir nicht leicht gefallen, mich an diesen Sätzen zu orientieren. Doch immer wieder habe ich mich anhand der oben genannten Leitplanken selbst zur Ordnung gerufen, wenn bei mir wieder einmal die „Gäule durchgingen“. Nach jahrzehntelanger Berufserfahrung kann ich die Forderung nur unterstreichen: Zuerst wird möglichst ergebnisoffen über ein Thema recherchiert, um so objektiv wie möglich zu berichten. Und erst dann wird kommentiert – wobei der eindeutig als Meinung gekennzeichnete Kommentar klar Stellung beziehen darf – ja soll.
Nur wenn man diese Grundsätze berücksichtigt, entsteht guter und vor allem auch spannender Journalismus: Das gilt für alle relevanten Themen – für die Umweltzerstörung ebenso wie für die Zuwanderung, für das Schulsystem wie für die soziale Kluft zwischen Arm und Reich. Immer gilt: „Schreiben, was ist“. Um den Leserinnen und Lesern zu ermöglichen, sich eine eigene Meinung zu bilden.
Die kontroverse Debatte um all diese Themen kann die Gesellschaft voranbringen – der Disput zwischen Konservativen und Linken, zwischen Liberalen und Grünen. Doch um eine produktive gesellschaftliche Diskussion zu ermöglichen, müssen sich die Diskutanten auf Spielregeln und einen demokratischen Minimalkonsens einigen. Das ist im Falle der Bundesrepublik die freiheitlich demokratische Ordnung, die das Grundgesetz vorgibt. Und es ist der Verzicht auf bewusste, massenhafte und systematische Lügen.
Und hier kommen wir zum Problem: Die AfD steht außerhalb dieses demokratischen Grundkonsenses. Sie ist rechtsextremistisch, führende Vertreter gerieren sich offen faschistisch. Die Partei steht – zumindest in weiten Teilen – außerhalb des Grundgesetzes, ihre Propaganda basiert großteils auf schamlosen Lügen. Diese Extremisten in den gleichberechtigten Disput der Demokraten einzubeziehen, ist keinem Diskutanten zuzumuten. Das beweisen nicht zuletzt zahlreiche peinliche Talkshow-Runden.
Sich als Journalist immer und eindeutig gegen die AfD zu stellen, heißt also nicht, gegen Grundprinzipien des Berufs zu verstoßen. Nein, wenn man als Journalist das Grundgesetz gegen seine Feinde verteidigt, dann macht man sich nicht „mit einer guten Sache gemein“. Es geht hier nicht um die Höhe des Spitzensteuersatzes, nicht um Tempolimit oder Kopfnoten an Schulen – alles Themen über die man trefflich und kontrovers streiten kann. Es geht um viel mehr.
Es geht beim Kampf gegen die AfD um nicht weniger als um die Grundlagen unseres Zusammenlebens. Denn die Rechtsextremisten wollen diese Grundlagen zerstören. Sie treten die Würde des Menschen mit Füßen, viele von ihnen wollen die demokratischen Strukturen des Landes und die unabhängige Justiz zerschlagen, wollen Millionen Menschen aus Deutschland vertreiben und ihre feuchten Träume einer rein deutschen Gesellschaft und eines Führerstaates verwirklichen. Wer das immer noch nicht glaubt, lese ihre Bücher und Schriften. Selbst die Rechtsextremisten in anderen europäischen Ländern distanzieren sich inzwischen von Höcke und Konsorten; sie sind ihnen zu radikal.
Die AfD würde nicht zuletzt die freie Presse zerschlagen, wenn sie einmal an der Macht wäre. Ihre ständige Hetze gegen den Öffentlich Rechtlichen Rundfunk lässt erahnen, wohin die Reise ginge. Ein Blick nach Polen lehrt uns, wie schnell und brutal Nationalchauvinisten dieses Projekt angehen. Wehren wir also den Anfängen.
Das Berufsethos eines Journalisten erlaubt es also nicht nur, sich offen gegen die AfD zu stellen – es erfordert es geradezu. In einer Zeit, da es ohne Übertreibung um den Fortbestand unserer Demokratie geht, dürfen – ja müssen – gute Journalisten ihre Position als neutrale Beobachter am Spielfeldrand verlassen.
Denn es geht dieses Mal um viel mehr als eine „gute Sache“ im Sinne von Hajo Friedrichs.
Es wäre schön und wünschenswert, wenn es viel mehr Journalistinnen und Journalisten gäbe, die sich offen der AfD entgegenstellten. – Es ist an der Zeit! Nur Mut!