Bekanntlich ist es ungemein schwer, ein in den Brunnen gefallenes Kind wieder unversehrt ans Tageslicht zu holen. Das „Kind Rechtsstaat“ hat unter der PIS-Herrschaft seit 2015 schwer gelitten. Die Verfassung wurde durch illegale Einsetzung von Richtern und Staatsanwälten mehrfach gebrochen, um den prägenden Einfluss der ehemaligen Regierung dauerhaft zu zementieren. Die Richterinnen und Richter am Verfassungsgericht dienen nicht dem Rechtsstaat, sondern nur der PIS. Begleitgesetze zur Umsetzung der Verfassung wurden entsprechend geändert, Parteigänger wurden in Schlüsselpositionen gesetzt, ohne dass diese sofort absetzbar waren. Überdies wurden öffentlich-rechtliche Medien zu reinen Propaganda-Instrumenten umfunktioniert.
Der polnische Staatspräsident Duda, der der PIS nahe steht und von ihr ins Amt gehievt wurde, hält seine schützende Hand über die ehemalige PIS-Regierung und verhindert kraft seiner umfassenden Zuständigkeiten jede Änderung. Er kann ohne Angabe von Gründen jedes Gesetz verhindern, was er eifrig tut. Unter anderem versucht er, die Umgestaltung der öffentlich-rechtlichen Medien und die Entlassung von deren Führungs-Clique zu verhindern. Verurteilte Straftäter wie der ehemalige Innenminister werden einfach von Duda begnadigt. Das Haushaltsgesetz für 2024 hat er bisher blockiert und nur deshalb eingelenkt, weil sonst Neuwahlen gedroht hätten, die der jetzigen Regierung mit Donald Tusk nach den Umfragen bis zu 60 % bringen würden.
Die neue Regierung hat zwei übermächtige Gegner: Staatspräsident und Verfassungsgericht. Was der Präsident nicht verhindern kann, stoppt das Verfassungsgericht. So geschehen bei der Einsetzung eines neuen Chefs der nationalen Staatsanwaltschaft. Der bisherige von der PIS delegierte Chef wurde aus formalen Gründen durch einen anderen Staatsanwalt als Übergangslösung ersetzt. Staatspräsident Duda erkannte dies ebenso wie eine Einzelrichterin des Verfassungsgerichts nicht an. Da der bisherige Chef der Staatsanwaltschaft wohl unter Bruch von Rechtsvorschriften eingesetzt wurde, entbrannte nun ein Streit, wer darf das Amt ausüben? Die Lage ist verfahren. Alle Versuche, rechtsstaatlich voranzukommen, scheitern am konzertierten Widerstand des Staatspräsidenten und des Verfassungsgerichts.
Und so stellt sich nun die Frage, ob und wie die Verfassung geachtet werden kann und trotzdem grundlegende Veränderungen herbeigeführt werden können. Da sich die meisten Verfassungsrechtler im In- und Ausland einig sind, dass die Besetzung der Richterposten nach 2015 durch die PIS-Regierung illegal war, scheint hier ein Ansatz für ein Aufbrechen der Blockade gegeben zu sein Dass Staatspräsident Duda bis zum Ende seiner Amtszeit 2025 bleiben wird, ist durchaus zweifelhaft, denn auch die polnische Verfassung sieht Möglichkeiten zur Amtsenthebung vor. Jedenfalls steht auch die Frage im Raum, ob ohne Bruch des Rechts eine Rechtsstaatlichkeit angesichts der lähmenden Widerstände wieder hergestellt werden kann.
In Deutschland wird nur spärlich über diese Vorgänge berichtet, obwohl hier vorgeführt wird, wie schwer Rechtsstaatlichkeit geschützt und zurückzugewinnen ist, wenn sie mal beschädigt wurde. Und genau dies droht uns ja durch die AfD.
Podcast Zeit online: Was jetzt? /Polen. Kann man einen kaputten Rechtsstaat reparieren?