Vorweg: Für mich war es ein gelungener Auftakt. Es war eine andere Art des Talks, als wir sie von Illner, Lanz, Maischberger oder Will gewöhnt sind. Es war eine Stunde, in der Fragen gestellt und Antworten gegeben wurden, ohne dass einander ins Wort gefallen oder mit Zwischenrufen gestört worden wäre. Es gab keinen Krawall und war deshalb wohltuend.
Natürlich kann man immer kritisieren, dass es zu harmlos oder zu wenig kontrovers war, aber das liegt natürlich am Konzept der Sendung, in der ein Gast im Mittelpunkt steht, mit dem ein Gespräch geführt werden soll. Man wird erst beurteilen können, welche Vorteile dieses Konzept bietet, wenn eine ganze Reihe von Talk-Gästen dabei gewesen sein wird. Allenfalls die Einspielfilme waren nicht unbedingt nötig, denn auch so war durchaus verständlich, um welche Probleme beziehungsweise Streitpunkte es ging.
Natürlich kann man kritisieren, dass Friedrich Merz manche Antworten auf wiederholt gestellte Fragen Miosgas wiederholt ausweichend beantwortete. Aber gerade das macht ja den Reiz einer solchen Sendung aus, nämlich zu sehen, wie jemand um klare Sachverhalte herumredet. Man stelle sich vor, Bundeskanzler Olaf Scholz wäre Gast der ersten Sendung gewesen, es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich das auszumalen! Und auch ein Kommunikationstalent wie Robert Habeck hätte nicht viel anders als Friedrich Merz agiert. Wir werden es wohl noch erleben!
Inhaltlich wurde von den Gesprächspartnern, der „Zeit“-Journalistin Anne Hähnig und dem Soziologieprofessor Armin Nassehi sehr klar herausgearbeitet, wo das gegenwärtige Dilemma der etablierten, demokratischen Parteien, also mitnichten nur der CDU, im Umgang mit der AfD bzw. den Parteien an den Rändern des politischen Spektrums und ihren Wählern liegt: Die „Inkompetenzunterstellung“ ist der Kern des Problems. Gegenwärtig ist es doch so, dass keine der etablierten Parteien ihr Programm allein umsetzen können wird. Deswegen wird jeder zukünftigen Regierung unterstellt, dass sie Kompromisse schließen muss, egal, welche klaren Positionen sich die beteiligten Parteien vorher auf die Fahnen geschrieben haben. Die Erwartung, dass keine der Parteien ihr Programm in Reinform durchsetzen kann, lässt vielen Wählern die AfD wie auch neuerdings das Bündnis Sahra Wagenknecht als Alternative erscheinen, gegen diese Inkompetenz der Gesamtheit der „Parteien der Mitte“ zu protestieren.
Dieser Aspekt und vor allem, was man dagegen tun kann, kam erst gegen Ende der Sendung und leider etwas zu kurz. Er verdient, bei nächster Gelegenheit vertieft zu werden. Natürlich hängt der zukünftige Erfolg des Formats von den jeweiligen Gästen ab. Aber der Stil und die Herangehensweise sollten beibehalten werden. Es ist im Vergleich zu den anderen Talkshows wohltuend, dass es im wahrsten Sinne des Wortes keine “Show“ war, sondern eine ruhige Befragung mit anschließender Diskussion. Für die Debattenkultur im Fernsehen ist das eine wertvolle Bereicherung.
Ein Format zur Selbstdarstellung des Politikers. Das Gespräch blieb an einer netten Oberfläche. Ja, ein anderes Format, aber ich brauche es nicht und es bringt der Debattenlandschaft m.E. keinen Mehrwert.
Ich teile die Einschätzung von Herrn Dr. Brautmeier. Neben (ich fürchte: zunehmenden) Kompetenzdefiziten des politischen Führungspersonals ist vor allem die Selbst-Auflösung der Kompromiss-Kultur, wie sie für funktionierende demokratische Regierungssysteme bisher konstitutiv und stabilisierend war, die Ursache für das Erstarken der extremistischen Polarisierungsparteien.
Christoph Lang