Der griechische Finanzminister Varoufakis ist sauer auf seinen deutschen Amtskollegen Wolfgang Schäuble. Der habe ihn beleidigt, ihn als „naiv“ bezeichnet. Früher, in seinen Parlamentszeiten in Bonn, hätte man über sowas gelacht, vor allem Schäuble, weil er gern ausgeteilt hat und zwar teils so giftig, dass der politische Gegner, im Zweifel also die SPD, in Wutausbrüche über den körperlich kleinen, aber sehr scharfzüngigen Debattenredner ausbrach. Heute, sagen Kenner der Union, gerade im Falle der Griechen, sei das anders. Man wolle helfen, man wolle doch die Griechen im Euro-Raum halten und sie nicht verlieren. Aber die Griechen, an der Spitze der Finanzminister, träten mit einer solchen Arroganz auf und stießen die Deutschen vor den Kopf.
Ausgerechnet die Deutschen, die bei allen Hilfen an die Griechen im Schnitt mit 20 Prozent dabei sind, mit Milliarden Euro. Nein, betonen Unions-Politiker, gerade Schäuble habe viel, sehr viel Verständnis für die Griechen, aber die müssten auch irgendwann mal einsehen, dass Schluss ist mit lustig. Inzwischen sei Schäuble über Varoufakis verärgert, wütend auf den Kollegen aus Athen und egal, ob der mit oder ohne Krawatte auftrete, sehe er inzwischen rot, wenn der Grieche auftauche. Wenn man glaube, einen Schritt vorangekommen zu sein, höre man spätestens am nächsten Morgen über Radio oder Fernsehen aus Griechenland die Gegenseite, so gehe das die ganze Zeit. Hin und her, aber nicht voran.
Verärgert sind auch zunehmend Abgeordnete des Bundestages, vor allem aus den Reihen der Union. Die Griechen, so ist zu hören, wollten unser Geld und träten auf, als seien sie die Gönner Europas. Als eine Frechheit empfinden das nicht wenige. Zwar konnte sich Schäuble bei der Abstimmung im Bundestag auf die Riesen-Mehrheit der großen Koalition verlassen, aber er weiß natürlich um die Stimmung, die sich langsam aber sicher gegen Griechenland wendet. Und dass er sich auf die Stimmen der SPD in der Regierung verlassen muss, um in einer wichtigen Entscheidung eine Mehrheit des Parlaments zu bekommen, gefällt Schäuble nun gar nicht.
Dass Tsipras und Co demokratisch gewählt sind, keine Frage. In Berlin hat man die Wende kommen sehen und geschluckt, als die Linke in Hellas die Oberhand bekam. Das war im Grunde die Quittung, die die früheren griechischen Regierungen für ihre verfehlte Politik erhielten. Milliarden Euro waren nach Griechenland geflossen, wo sind sie geblieben? Das Volk hatte nichts davon. Die Reichen und die Superreichen konnten getrost ihr Geld in Sicherheit bringen, sie zahlen wie früher keine Steuern.
Wolfgang Schäuble gilt als „harter Hund“. Wer immer ihm in der Vergangenheit als Kontrahent begegnet ist, bekam das zu spüren. Schäuble ist zudem der Typ Politiker, der andere schon mal spüren lässt, dass sie ihm das Wasser nicht reichen können. Es gilt der alte Witz: Was ist der Unterschied zwischen dem lieben Gott und Schäuble? Der liebe Gott weiß alles, Schäuble weiß alles besser. Und er war immer ein Mann, der wie Kohl nachtragend war, der nie vergaß.
Aber er ist auch sensibel, sehr empfindlich, wenn man ihm zu nahe tritt. Oder, wenn man, wie geschehen, diese Bundesregierung mit den Nazis vergleicht. Schäuble ist Jahrgang 1942, Angela Merkel wird in diesem Juli 61 Jahre alt. Dann wird er eben auch fuchsteufelswild.
Zurück zu Griechenland und dem Geld, das den Griechen fehlt an allen Ecken und Enden. Niemand in der Berliner Regierung, auch nicht Schäuble und nicht Merkel, wollten den Rauswurf der Griechen aus der EU. Gerade auch Schäuble, schon früher ein Europa-Politiker, dächte gesamtpolitisch und nie daran, die Griechen etwa den Russen in die Arme zu treiben, so ein Unions-Experte. Das wäre für Putin ein gefundenes Fressen, wenn er seine müde eurasische Union um ein paar abtrünnige EU-Mitglieder aufhübschen könnte, als um Griechenland, Ungarn oder Bulgarien, um nur diese Namen zu nennen. Nein, gerade Schäuble wolle verhindern, dass Putin einen Spalt in die EU treiben könnte.
Wolfgang Schäuble, so scheint es, steht mitten in einem harten politischen Kampf, den er nie gescheut hat. Er hat in seinem Leben einiges wegstecken müssen, darunter seine Lähmung als Folge des Attentats damals im Schwarzwald. Aber er hat sich wieder berappelt, hoch gekämpft. Der damalige Kanzler Helmut Kohl wollte ihn ursprünglich als seinen Nachfolger, was Kohl einst auch in einem Fernseh-Interview signalisierte, aber Tags darauf wieder zurücknahm. Mit der Folge, Kohl blieb Kanzler, sein Nachfolger wurde nicht Schäuble, sondern Gerhard Schröder (SPD).
Kohl und Schäuble galten mal als eng befreundet. Im umstrittenen Buch „Vermächtnis“ von Heribert Schwan soll Kohl Schäuble seinen Wahlbruder genannt haben. Aber die Freundschaft geht über die Spendenaffäre Kohls völlig zu Bruch. Ja, er hätte Kanzler werden können, wenn Kohl es gewollt hätte, er hätte Bundespräsident werden können, die körperliche Behinderung jedenfalls stand einem solchen Aufstieg nicht im Weg.
Längst ist er da angekommen, wo er sich offensichtlich zu Hause fühlt. Als Bundesfinanzminister ist er unumstritten, niemand, der ihm das Wasser reichen kann. Die Kanzlerin verlässt sich auf ihren Kassenwart, der das Geschäft, wenn man so will, von der Pike auf gelernt hat. Schäuble hat ja mal als Finanzbeamter angefangen. Wann er aufhört, fragt niemand. Möglich, dass er weitermacht, auch nach der nächsten Wahl. Die Griechen müssen lernen, mit ihm auszukommen. Wie gesagt, er ist ein „harter Hund“, aber auch „eitel und sensibel“.
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