Mit dem erst vor Kurzem neu berufenen Generalsekretär der CDU, Carsten Linnemann, weht ein frischer Wind im und aus dem Konrad-Adenauer-Haus in Berlin. Friedrich Merz hat ihn installiert und mit ihm zur Offensive geblasen. Linnemanns Vorgänger war ein solider, doch recht braver Mann der Defensive. Linnemann selbst ist dagegen ein Stürmer, der die CDU auf einen Kurs der Attacke trimmt und den Kampfgeist der größten Oppositionspartei stärkt.
Erfolge in Berlin und Hessen
Die Erfolge bleiben da nicht aus. In Berlin stellt die CDU in einer Koalition mit der SPD den Regierenden Bürgermeister. Der lange Zeit unterschätzte Kai Wegner hat mit seinem Vordenker und jetzigen Finanzminister Stefan Evers an Profil gewonnen. Seine Kopilotin, Franziska Giffey, tut sich indessen mit Teilen der SPD schwer, die immer noch stärker auf die Grünen und Linken setzen würden.
In Hessen schnitt Boris Rhein mit seiner CDU überraschend gut ab. Nach der jüngsten Landtagswahl verabschiedete er die Grünen in die Opposition und verhandelt nun mit der SPD über eine Neuformation der Koalition. Sein Vorgänger, Volker Bouffier, hatte mit dem Grünen Tarek Alwazir geradezu harmonisch das Land regiert. Rhein setzt jedoch auf die Sozialdemokraten, um größere Fortschritte in der Migrationspolitik, aber auch bei der Infrastruktur und im Wohnungsbau zu erreichen.
Grüne als Gegner?
Schwarz-Grün wird derweil in Nordrhein-Westfalen und in Schleswig-Holstein regiert. Das Zusammenspiel von Ministerpräsident Hendrik Wüst und seiner grünen Stellvertreterin funktioniert bisher recht gut. Das gilt ebenso für das Land im hohen Norden, wo Daniel Günther mit den Grünen koaliert. Doch längst hat Friedrich Merz die Grünen zu den größten Gegnern der CDU erklärt. So wie Markus Söder im Freistaat Bayern die Grünen als Koalitionspartner ablehnte und weiterhin mit den Freien Wählern regiert.
Reichen 30 Prozent?
In den aktuellen demographischen Befunden führt die Union mit 30 Prozent das Parteienfeld an. Nach der schweren Schlappe, die die Ampel durch den Spruch des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe wegen ihrer haushaltspolitischen Trickserei erlitten hat, sind die SPD mit Olaf Scholz, die Grünen mit Robert Habeck und die FDP mit Christian Lindner schwer angeschlagen. Derzeit würden gerade noch rund 35 Prozent der Wähler diesen Ampel-Parteien ihre Stimme geben, wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre. Kaum jemand erwartet, dass das Regierungsbündnis sich von diesem selbst verursachten Tiefschlag schnell erholen wird. Denn eine weitere noch schwerwiegendere Klage könnte folgen und damit der Bundesregierung den Haushaltsteppich vollends unter den Füßen wegziehen.
Ampel ohne Ausweg?
Es gibt zudem keinen Ausweg aus der finanzpolitischen Misere für die Bundesregierung Olaf Scholz. Entweder wird für den Weg eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag erforderlich, die nicht realistisch ist. Oder die FDP müsste doch die Schuldenschleusen öffnen, was Lindners Beschwörung der Schuldenbremse endgültig ad absurdum führen würde – und damit möglicherweise das Aus für die FDP bedeuten könnte.
Viele Blütenträume der Ampel werden nun endgültig beendet werden müssen. Robert Habecks Klimaschutzpolitik ist längst eine Illusion, denn alle großen Projekte – der Abschied von Gasheizungen über LNG-Terminals bis hin zu neuen Chipfabriken – müssen finanziert werden. Ohne ein entsprechendes Wachstum der Wirtschaft und ohne hohe, weiter steigende Steuereinnahmen ist das keineswegs zu machen. Gerade im Bundeswirtschaftsministerium hätten die Experten längst berechnen können, dass bei einer Entkoppelung von qualitativem Wachstum selbst die kühnen Wasserstoff-Projekte und vieles mehr, für das Milliarden-Investitionen notwendig sind, sich in Luft auflösen.
CDU: Renaissance der Marktwirtschaft
Die CDU mahnt seit langem – vor allem auch nach der Großen Koalition unter der Kanzlerin Angela Merkel – zur Rückkehr zur Sozialen Marktwirtschaft. Das wird sich vor allem im neuen Grundsatzprogramm wiederfinden. In den letzten 20 Jahren ist die Sozialquote ständig erhöht worden und hat inzwischen 32 Prozent erreicht. Dabei wurde zu viel Sozialpolitik mit der Gießkanne betrieben. Es wurden nicht nur diejenigen mit staatlichen Wohltaten gesegnet, die unverschuldet arm, die krank und siech sind, sondern auch diejenigen, die im Prinzip bestens für sich selbst sorgen können. Der Divisor ist der Feind der Masse.
Neuordnung der Verteilungspolitik
Dabei wurde außer Acht gelassen, dass nur das verteilt werden kann, was zuvor erarbeitet wurde. Auch hat der Staat sich bei seiner Verteilungspolitik davon entfernt, sich auf die wirklich Bedürftigen zu konzentrieren und ihnen die soziale Sicherung zu gewähren.
Die CDU plant etwa auch, das Bürgergeld in der jetzigen Form abzuschaffen. Denn Arbeitnehmer wissen nur zu gut, dass sie selbst ihren bisherigen Job nicht kündigen, weil somit Sperrzeiten drohen. Doch ist es einfach Kündigungen durch den Arbeitgeber zu provozieren. Dann wird es Bürgergeld geben. Und diejenigen, die daneben noch einer Schwarzarbeit nachgehen, werden in der Regel mehr Einkommen als ihre Kollegen im normalen Job kassieren. Dass das Bürgergeld in 2024 um weitere 12 Prozent steigen wird und diese staatliche Leistung damit innerhalb von 2 Jahren um rund ein Viertel erhöht wird, ist ein Exempel für fehlgeleitete Sozialpolitik des Arbeitsministers Heil.
Hoffen auf die Westfalen Merz und Linnemann
Mit Friedrich Merz und seinem Generalsekretär wird es einen tiefen Einschnitt in der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik geben. Dabei gilt es, die Wirtschaft aus dem Tal der Rezession zu führen, mehr Wachstum zu generieren, eine gezielte Verteilung sozial zu gestalten, auf einen soliden finanzpolitischen Kurs zurückzukehren. Daneben wird das neue Grundsatzprogramm konkrete Vorschläge für eine verbindliche betriebliche Altersvorsorge als Ergänzung der gesetzlichen Rentenversicherung sowie für die Zukunft der Pflegeversicherung machen. Auf jeden Fall wird die CDU sich dafür stark machen, dass sich die Leistung des oder der Einzelnen wieder mehr lohnt, dass mehr Netto vom Brutto bleiben soll. Wenn der Spitzensteuersatz nicht schon bei einem Einkommen von 62.000 bzw. bei Verheirateten bei 124.000 Euro greift, sondern erst bei 100.000 (200.000) Euro, werden alle entlastet – auch Bezieher von noch höheren Löhnen oder Gehältern, selbst wenn der Spitzensteuersatz dann etwas höher liegen sollte.
Manche Kronprinzen, aber nur ein Kandidat
Die Kanzlerkandidatur der Union wird erst im nächsten Jahr zu entscheiden sein. Den ersten Zugriff hat bislang Friedrich Merz. Mit Querschüssen aus München wird zunächst nicht gerechnet, zumal die CSU bei dem neuen Wahlrecht darauf achten muss, im nächsten Bundestag präsent zu sein. Entscheidend wird die Wahl des Europa-Parlaments zu Beginn 2024 sein, insbesondere werden auch die Landtagswahlen danach in Sachsen, Brandenburg und Thüringen sein. In den ostdeutschen Ländern ist Friedrich Merz auf jeden Fall bekannter und auch angesehener als andere, die sich hin und wieder als Kronprinzen der CDU zu profilieren versuchen. Merz bringt zwar keine Regierungserfahrung – weder im Bund noch in den Ländern – ein, doch ist er mit fast allen Feldern der Politik vertraut und der Führer der Opposition, der alle seine Leute aus dem Fraktionsvorstand überragt. Der gewiefte Taktiker könnte seine Performance noch verbessern, wenn er nach außen weniger abgehoben wirkt, in manchen Detailthemen besser informiert wäre und bürgernäher formulieren würde. Seine Gestik, Mimik und Ausstrahlung könnten ebenfalls noch ein Update vertragen, um sich mit Erfolg für das Kanzleramt zu bewerben. In der Offensive zu dribbeln reicht nicht, es müssen – wie im Fußballspiel – Tore geschossen werden, die über Sieg oder Niederlage entscheiden.