„Der große Tag der kleinen Quote“, überschreibt die „Süddeutsche Zeitung“ ihren Bericht von der Verabschiedung des Gesetzes der Frauenquote durch den Deutschen Bundestag. In der Unterzeile wird noch einmal deutlich, welche Gegenwehr die Frauen zu leisten hatten, ehe sie das Vorhaben überhaupt auf den steinigen Weg bringen und schließlich mit großer Mehrheit beschließen konnten. „Der Bundestag feiert sich für ein Gesetz, das viele zuerst gar nicht haben wollten.“ Stimmt und darüber täuschen so manche Sonntagsreden von Politikern nicht hinweg.
Die „Mütter des Erfolgs“ werden in dem Foto auf derselben Seite gezeigt: Familienministerin Manuela Schwesig(SPD) und die Bundeskanzlerin Angela Merkel(CDU). Erst als sich die Regierungschefin hinter die Quote gestellt habe, heißt es in der Bildzeile, habe der Gesetzentwurf der mutigen SPD-Ministerin eine Chance gehabt. Der mächtigen Kanzlerin mochte man am Ende von Männerseite doch nicht Paroli bieten, weil sie nun mal die Stärkere ist.
Zur Erinnerung: Vor vielen Jahren war die Frauenquote nur ein Thema der Grünen und der SPD, die Union, vor allem die CSU, blieben auf Distanz. Die Gegner mokierten sich über den Vorstoß der Frauen. Das hätten doch die wirklich guten Frauen gar nicht nötig, wer qualifiziert sei, brauche ein solches Quotengesetz gar nicht. Dabei ignorierten die Männer, die solcherlei Debatten führten, gern, dass sie selber oft genug allein mit Hilfe von Vitamin B manchen Posten zugeschustert bekamen, nach der Qualifikation wurde nicht immer gefragt. Mann ging vor, ausgekungelt wurden solche Job-Geschäfte hinter den Kulissen. Sie waren entschieden, ehe offiziell darüber abgestimmt wurde.
Rita Süssmuth hoffte auf die Quote
Die Politik-Quote der SPD blieb nicht ohne Folgen für das Klima in der Union, wie das Rita Süssmuth(CDU) damals schon gehofft hatte. Der Druck auf die Gegner der Frauenquote nahm zu, mehr und mehr ließen sich Frauen in der Politik nicht einfach mehr an den Rand drängen, um dort ein paar Brosamen aus den Händen gutmütiger männlicher Kollegen in Empfang zu nehmen. Sie schoben sich nach und nach nach vorn und forderten statt baten.
Das Klima veränderte sich auch deshalb, weil Angela Merkel den Sprung nach oben schaffte. Ausgerechnet die Frau, die nach der Wende im politischen Betrieb in Bonn zunächst fast mitleidvoll belächelt wurde. Der damalige Kanzler Helmut Kohl nannte sie ein wenig gönnerhaft „mein Mädchen“. Sie wurde Umwelt-, dann Frauenministerin. Zu der Zeit nicht unbedingt die Spitzenjobs in der Politik. Die Journalisten schätzten Merkels Chance auf dem Weg nach oben so ein: eine Frau, aus dem Osten, evangelisch, keine Kinder, keine Chance in der männerdominierten CDU. Wie haben wir uns getäuscht!
Merkel regiert seit 2005 und zwar unangefochten, sie gilt als die mächtigste Politikerin in der ganzen Welt. Die Union muss froh sein, dass Angela Merkel ihre Vorsitzende ist und Kanzlerin und dies noch möglichst lange bleibt. Denn ohne Merkel, urteilte kürzlich eine angesehene Zeitung, sei die CDU eine Dame ohne Unterleib, will sagen: Außer Merkel ist da niemand. Die Männer? Alle weg von der Bildfläche.
Frauen auf dem Weg nach oben
Auch heute vertreten manche Männer wie der FDP-Mann Wolfgang Kubicki die Meinung, diese Ungleichbehandlung gebe es nicht und deshalb sei die Quote nicht nötig. Er führte zum Beweis seiner Meinung in der Sendung „Hart, aber fair“ den höchst erfolgreichen Weg seiner beiden Töchter an. So kurz greifen Männer gern, wenn sie nicht mehr weiterwissen. Nein, Herr Kubicki, die Quote ist wichtiger denn je. Zahlen über die Besetzung von Spitzenpositionen in der Wirtschaft belegen das eindeutig. Und das jetzt gerade beschlossene „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ ist nur ein Anfang, von dem gerade mal 180 Frauen profitieren sollen. 100 Großunternehmen werden nun verpflichtet, mindestens 30 Prozent Frauen in den Aufsichtsrat zu wählen. 3500 weitere Firmen müssen sich selbst Quotenziele setzen und bis 2017 berichten, ob sie die Ziele erreicht haben.
Viel? Wenig? Besser als nichts. Der Weg zur Gleichberechtigung ist eingeschlagen, er wird dauern. Ministerin Schwesig erinnerte in der Debatte an den langen Weg zum Wahlrecht für Frauen. 1911 habe der erste Internationale Frauentag die Einführung des Frauenwahlrechts gefordert. Heute ist das eine Selbstverständlichkeit, dass Frauen wählen und gewählt werden. Heide Simonis(SPD) war die erste Frau, die Ministerpräsidentin wurde, heute wird NRW von Hannelore Kraft(SPD) regiert, im Saarland sitzt Annegret Kramp-Karrenbauer(CDU) an der Spitze der Landesregierung, in Rheinland-Pfalz ist es Malu Dreyer, die das Sagen hat, bedrängt von ihrer Widersacherin aus der CDU, Julia Klöckner.
Zurück zur Privatwirtschaft. Werfen wir einen Blick in das Impressum von Zeitungen. Man wird kaum eine Frau an der Spitze der Redaktionen finden, gleich ob man die SZ zur Hand nimmt oder die FAZ, die Bildzeitung, den Spiegel, die Zeit, die Rheinische Post, die WAZ, überall sind Männer die Chefredakteure. Eine der wenigen Ausnahmen: An der Spitze der Wirtschaftswoche gab es vor einiger Zeit einen Wechsel: Roland Tichy musste den Platz als Chefredakteur der erfolgreichen „Wirtschaftswoche“ an eine Frau abtreten, Prof. Miriam Meckel, einst jüngste Professorin und Regierungssprecherin des NRW-Ministerpräsidenten Wolfgang Clmement, damals noch SPD-Mitglied.
Dass das so ist, hat mit der Frage der Kompetenz letztendlich nicht viel zu tun, das wissen die Eigentümer der Blätter selber, auch wenn sie es öffentlich nie zugeben werden. Frauen sind mindestens genauso gute Journalisten und Chefredakteure wie ihre männlichen Kollegen, manchmal vielleicht sogar einfühlsamer in der Menschenführung. Es ist oft genug die Macht der Gewohnheit.
Es gibt also noch viel zu tun. Die Männer werden sich auf die wachsende Konkurrenz der Frauen beim Kampf um Spitzenjobs einstellen und sich irgendwann auch mit Platz 2 begnügen müssen. Frauen drängen an die Macht, die gerade beschlossene Quote hilft dabei.
Bildquelle: Wikipedia, – Scan from an old book, gemeinfrei