Düstere Prognosen über Kriege, Krisen und Konflikte zeichnet die SPD für die kommenden Jahrzehnte, und sie fragt sich in einer Diskussion in Witten, wie „verantwortungsvolle Außenpolitik im Dienste von Frieden und Abrüstung“ wirken kann. „2014 war ein verheerendes Jahr“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, in Witten, „und 2015 wird nicht besser.“ Er sieht „turbulente Jahrzehnte“ voraus und mahnt diplomatische Anstrengungen an, „damit die Welt nicht noch mehr aus den Fugen gerät“. Rolf Mützenich skizzierte die bedrohliche Lage in der Ostukraine und warnte vor den langfristigen Gefahren, die sich daraus für die russische Föderation bis hin nach Asien entwickeln können. Der Außenexperte der SPD-Bundestagsfraktion betonte, dass Russland Völkerrecht gebrochen habe. Er kritisierte die Weigerung von ukrainischer Seite, mit den sogenannten Separatisten zu sprechen. Zugleich warf er dem Westen, allen voran den USA Versäumnisse im Umgang mit Russland vor, das Desinteresse an Russland und die Geringschätzung seiner Bedeutung als diplomatischer Partner.„Wir müssen mit denen reden, mit denen wir Konflikte haben“, nannte Mützenich als Voraussetzung jedweder Bemühungen, Konflikte mit diplomatischen, zivilen Mitteln zu bearbeiten. Richtschnur sozialdemokratischer Politik sei das Völkerrecht. „Das liegt in unserer Tradition.“ Darüber hinaus regte Mützenich an, Deutschland solle instabilen Ländern „Partnerschaften zur Modernisierung der Gesellschaft“ anbieten. Der Schlüssel zur Befriedung liege „im Innern dieser Gesellschaften“.
Kein deutscher Alleingang
Deutschland könne wegen des Zweiten Weltkriegs „außenpolitisch nicht allein unterwegs sein“, gab der SPD-Politiker zu Bedenken. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) etwa sei während der aktuellen Ukraine-Gespräche als Ribbentrop, dem Außenminister der Nazi-Diktatur, tituliert worden. In der Europäischen Union wiederum sei es schwer, 28 Länder unter einen Hut zu bringen. Der Ukraine-Konflikt werde beispielsweise in Polen völlig anders bewertet als in Portugal.
Mit dem Hinweis auf das Abkommen von Budapest aus dem Jahr 1995 problematisierte Mützenich einen wenig beachteten Aspekt der Auseinandersetzung. Damals regelten die Ukraine und Russland die Rückgabe von mehr als 1000 russischen Atomwaffen, und als Garantiemächte standen die USA, Großbritannien und Russland für die territoriale Integrität der Ukraine ein. Ein Bruch dieses Abkommens sei ein fatales Signal und heize das Streben nach Atomwaffen an, warnte Mützenich.
Teilnahmslosigkeit erschütternd
Die komplizierte Konfliktlage im Nahen Osten bildete einen weiteren Schwerpunkt der Diskussion. Der ISIS-Terror sei wirksam nur zu bekämpfen, wenn einzelne Gruppen herausgebrochen und islamische Geistliche sich zunehmend distanzieren würden. Der völkerrechtswidrige Irak-Krieg sei ein Nährboden für die Terrororganisation gewesen, erklärte der Sicherheitsexperte, und er wies auf den Stellvertreterkrieg hin, den Saudi Arabien und der Iran, aber auch Katar und die Türkei austrügen.
„Unser Einfluss ist nicht groß“, sagte Mützenich, „aber wir haben getan, was wir tun konnten.“ Der Referent sprach beispielhaft den deutschen Beitrag zur Vernichtung der chemischen Waffenarsenale aus Syrien sowie die Aufnahme von 100.000 Bürgerkriegsflüchtlingen an. Eindringlich mahnte Mützenich eine gesellschaftspolitische Debatte an. Er berichtete von einer Diskussion mit Schülern in Köln, in der offen gefragt wurde, ob er das Kalifat oder die Demokratie für den besseren Weg halte. Ihn habe, sagte Mützenich, die „Teilnahmslosigkeit“ der anderen Schüler und auch der Lehrer erschüttert.