Nein, dieses Stück ist kein Beitrag über Fußball, ich schreibe über den FC Bayern München, Deutschlands, der Welt größter Sportverein(300000 Mitglieder), mehr ein Unternehmen, der reichste Klub(mit vielen Millionen Euro Festgeld), der erfolgreichste Klub(32mal Deutscher Meister, 20mal Pokalsieger, 6mal Gewinner der Champions League). Man nennt den Klub auch FC Hollywood, weil er immer mal wieder für Schlagzeilen sorgt, die nur am Rande mit Sport zu tun haben. Ein Verein, der nicht nur im Gespräch sein will, sondern sich immer wieder gern ins Gerede bringt. Und dieser Verein soll in einer Identitätskrise stecken, schreibt die angesehene „Süddeutsche Zeitung“. Auf der Seite 1 wird diese Frage gestellt, sie steht, so wichtig ist das Thema für die ganze Gesellschaft, über allem, quasi als Dachzeile und die Frage beginnt mit dem Satz: Wer wir mal waren. Ich dachte immer, die Bayern wüssten das. Sagen sie doch in schönstem Bayerisch über ihre Identität: Mia san mir. Und das ist futsch?
Nun muss ich doch kurz auf den Fußball kommen, auf das letzte Spiel am Samstag, das die Bayern ausgerechnet bei Mainz 05 verloren haben, beim Karnevalsklub(bitte liebe Mainzer, das ist nicht bös gemeint, ich sehe euch immer schunkeln, wenn bei einem Heimspiel und einem geschossenen Mainzer Tor eure Hymne eingespielt wird. Herrlich!) Und diese Mainzer haben am Ende der Partie, die sie mit 3:1 gewannen, nur noch gesungen und gelacht- über die Bayern. Schreibt die SZ und schildert die Stimmung der Bayern-Bosse „im Dickicht der fröhlichen Menschen auf der Tribüne.“ Und die Mainzer hätten einen ihrer Klassiker skandiert: „Natürlich sind die andern größer als wir, doch ehrlich gesagt- wen interessiert das hier?“ Lebensfreude pur bei den einen, Trauer und Wut bei den anderen, Präsident, Vorstand, Trainer.(War Uli Hoeneß auch dabei?)
Oliver Kahn, der einstige Torwart-Titan, habe in verschiedenen Wutreden seinen Evergreen variiert, „wonach Spieler beim FC Bayern über sogenannte Eier verfügen müssten.“(Wörtliches Zitat aus der SZ) Und weiter, damit es jeder versteht, dass damit nicht Frühstückseier gemeint sind: „Elf Mann, die auf dem Platz stehen und sich für die Ziele dieses Klubs den Arsch aufreißen müssen“. (Wiederum wörtliches Zitat der SZ) Es fehlt mir noch die Sache mit dem Bayern-Gen, das jeder Spieler innehat, sobald er einen Vertrag mit dem Klub unterschreibt.
Eine Katastrophe
Von Katastrophe ist die Rede, gerade so, als stünde ein Teil Deutschlands, also Bayern, der Freistaat vor dem Untergang, als sei man zahlungsunfähig, oder so ähnlich. Mir fällt im Moment nichts anderes ein. Drei Titel, jetzt geht es um Fußball, wollten sie erringen, das Triple: Europas Champion werden, Deutscher Meister, Deutscher Pokalsieger. Plötzlich entließen sie ihren eigentlich erfolgreichen Trainer Nagelsmann, den sie erst vor Jahr und Tag für 25 Millionen den Leipzigern abgekauft hatten. Aber irgendwas passte den Kahns und Salihamidzics nicht mehr an Julian Nagelsmann, dem forschen jungen Mann an der Seitenlinie. Ein neuer musste ran: Thomas Tuchel, der die Champions-League schon mal gewonnen hatte, von dem es hieß, er habe schon eine Wohnung in München, was aber allein noch kein Grund ist, ihn als Trainer für den FC Bayern zu holen. Uli Hoeneß, der Immer-Noch-Gewaltige im Verein, wenn auch nicht mehr in der ersten Reihe zu sehen, habe zugestimmt. Es wurde das Narrativ(so heißt das heute neudeutsch) verbreitet, Nagelsmann habe die Kabine verloren, also die Mannschaft, den elitären Klub der Millionäre, aus aller Welt für viel Geld eingekauft.
Es gab Proteste von Fans, aber wer nimmt die schon Ernst? Und was weiß denn der Fan, warum, weshalb, wieso dieser Tausch vorgenommen wurde? Der gemeine Fan kennt doch die Hintergründe nicht. Ein Freund von mir aus Oberbayern, irgendwo im schönen Chiemgau wohnend, ein Fan des FC Bayern, reagierte ziemlich wütend auf den Wechsel und wünschte seinem Lieblingsklub für den Rest der Saison alles erdenklich Schlechte: also Niederlagen. Der Mann hat Propheten-Veranlagung, wie man heute weiß: der deutsche Pokal ist weg, die Champions-League verspielt und jetzt sogar Dortmund, der BVB, an der Spitze der Bundesliga. Der FC Bayern, der vor Monaten noch mit 9 Punkten geführt hatte, nur auf Platz 2. Eine Ungeheuerlichkeit. Was denken sich die eigentlich! Kein Respekt mehr vor den Großen von der Säbenerstraße.
Sogar Markus Söder, der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef, schaltete sich ein. So kennt man ihn den Franken, wenn´s eng wird, ist er zur Stelle und attackiert in bester Hoeneß-Art den Gegner: Der BVB aus Dortmund sei doch viel zu doof, um deutscher Meister zu werden. So Söder im Boulevard. Er will sich offensichtlich einschleimen bei den Bayern. Es sind Landtagswahlen im Herbst. Ist Söder doch eigentlich Fan des 1. FC Nürnberg, also ein Clubberer. Die aber stehen in der 2. Liga und kämpfen gegen den Abstieg. Das hat der Markus Söder aber nicht so gern, er spielt lieber um Titel. Und jetzt liegt dieses Dortmund vorn. Von wegen Doofmund, Herr Söder. Der hat sich vor zwei Jahren schon mal vertan, als er den Laschet, Armin wegkicken wollte vom Spitzenplatz, unfair, aber es half nicht. Söder musste in Bayern bleiben. Und Laschet wurde es nicht.
Die Schuldfrage
Wer den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung. Oder? „Wehrlos wie eine ausgetrocknete Dattel“ spottet die SZ in ihrem Aufmacher im Sportteil über die Fußballer des FC Bayern. Eine Saison ohne Titel drohe, heißt es an anderer Stelle. Die Katastrophe naht. Wer trägt die Schuld daran? Der Trainer ist schon ausgewechselt. Präsident Hainer? Der Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn? „Brazzo“ Salihamidzic, der Sportvorstand, der all die teuren Spieler verkauft-Lewandowski, Thiago, Alaba- und der die neuen teuren Kicker gekauft hatte, darunter immerhin Mané? Die Identität wird gesucht, das Mia-san-mir. Ob einer wie Upamecano was damit anzufangen weiß? Ob der weiß, wie wichtig der Auftritt in modischer bayerischer Ledertracht auf dem Balkon des alten Rathauses ist? Oder der Stanisic? Der Cancelo? de Ligt? Alles tolle Fußballer, aber keine Mannschaft. Man frage bei Klinsmann nach, Bierhoff, den Erfindern von „Die Mannschaft“. Die Weltmeister wurde.
Zurück zur Schuldfrage. Die SPD kann es nicht sein, auch nicht die Ampel-Regierung unter Kanzler Olaf Scholz. Wer muss gehen, also gefeuert werden? Hainer, Kahn, Brazzo? Wen habe ich vergessen. Kurt Kister zitierte kürzlich bei seiner SZ-Kolumne über den FC Bayern Bert Brecht. Ja, das könnte helfen. Das Volk hat das Vertrauen zur Regierung verscherzt. Wäre es da nicht einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes? So ähnlich könnte es gehen. Aber was heißt das? Ich weiß es nicht, ich habe von Fußball keine Ahnung.
Wer mir mal waren: Der FC Bayern in der Identitätskrise. Gibts irgendwo im Freistaat eine Art Orakel, das man befragen könnte? Der große Übervater der CSU, Franz Josef Strauß, hätte bestimmt eine Lösung. Aber Strauß liegt seit Oktober 1988 im Familiengrab des Ortes Rott am Inn. Es ist fast ein Wallfahrtsort für Strauß-Fans. An manchen Tagen sollen bis zu 500 Menschen aus allen Teilen der Republik ans Grab des einstigen Ministerpräsidenten eilen, zu dem Mann, der als erster deutscher Politiker zu Mao fuhr nach China, der den Milliarden-Kredit der DDR einfädelte, der Ehrenbürger des Ortes Rott am Inn ist, dessen Name ein Weg von der Bahnhofstraße direkt zur Gruft von Strauß trägt. Der Ehrenmitglied der Gebirgsschützen ist. Und der Söder, Markus gilt als großer Fan von Strauß, als junger Mann hatte er ein Bild des CSU-Chefs über seinem Bett hängen. Da müsste sich doch eine Lösung finden lassen. Nicht umsonst- ich zitiere erneut die SZ- werde Söder als „Machiavelli-Franke“ gerühmt, oder als „Alpen-Machiavelli“, ein Mann ohne Angst. Seine Empfehlung an die Bayern: „Weniger Frisur, weniger Fashion, weniger Drumherum.“ Und dann wird man Meister?