Krieg in Europa, so lautet der Titel des 2022 bei Rowohlt Berlin erschienen Buchs von Norbert Mappes-Niediek.
Es erinnert daran, dass wir momentan keineswegs den ersten Krieg in Europa seit dem Fall der Mauer erleben. Der erste fand seit 1991 im zerfallenden Jugoslawien statt und der Autor schildert akribisch die Ereignisse beginnend mit dem Zusammenbruch der kommunistischen Partei Jugoslawiens Anfang 1990. Nachdem auf Betreiben des Vorsitzenden der serbischen Kommunisten, Slobodan Milosevic dort alle slowenischen Anträge niedergestimmt worden waren, zogen die Slowenen aus. Das wurde aus serbischer Sicht durchaus in Kauf genommen. Dass anschließend die kroatischen Kommunisten den Parteitag des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens beenden wollten, war hingegen eine unerwünschte Wendung. Tatsächlich wurde der so unterbrochene Parteitag nie wieder einberufen oder fortgesetzt.
Stattdessen erklärten sich eineinhalb Jahre später Slowenien und Kroatien für unabhängig. Als 10-Tage-Krieg ging der Versuch der jugoslawischen Armee in die Chroniken ein, Slowenien gewaltsam im Bund zu halten.
Erfolglose Versuche der EU, das auseinanderdriftende Jugoslawien irgendwie zusammenzuhalten werden in Erinnerung gerufen. Doch schon im Dezember 1991 beschließt die 12 Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft, Slowenien und Kroatien völkerrechtlich anzuerkennen. Damit breitet sich der Krieg – wie von vielen Kennern der Verhältnisse, darunter auch der damalige deutsche Botschafter, vorausgesagt – auf Bosnien-Herzegowina aus. Im Mai 1992 beginnt die 4jährige Belagerung Sarajewos. 1995 erobert die bosnisch-serbische Armee Srebenica und ermordet fast die ganze männliche Bevölkerung. 1999 fliegt die NATO 78 Tage lang Luftangriffe auf Ziele im Kosovo.
Das war der erste Kriegseinsatz der Bundeswehr ohne UN-Mandat. Deswegen flog dem grünen Außenminister Fischer auf einem Parteitag seiner Partei ein Farbbeutel an den Kopf. Das würde bei den Grünen heute nicht mehr passieren.
Norbert Mappes-Niediek ist Journalist und seit vielen Jahren auf Südosteuropa spezialisiert.
Daraus folgt, dass das Buch in einer klaren Sprache spannend geschrieben ist und vor allem, dass es
voller Detailinformationen steckt. Wichtige politische, militärische, kriegsverbrecherische Akteure werden beschrieben; der Blickpunkt des Beobachters wird auch bei der Skizzierung von Persönlichkeiten nicht verlassen. Wo Leserinnen angesichts heutiger „wertegeleiteter“ Außenpolitik Verurteilungen erwarten könnten, schildert der Autor Taten der Protagonisten. Leserinnen dürfen sich ihr Urteil selber bilden. Empörung stellt sich gleichwohl heftig ein, ganz ohne dass sie nahegelegt würde.
Jugoslawien – vielleicht ein Geschichtsparadox – zerbrach auch an der strengen, bis zur Perversität getriebenen Balance zwischen den Ethnien, mit denen Tito das Land zusammengehalten hatte.
So durchzieht eine Beobachtung die Geschichte dieses Krieges wie ein roter Faden: wo blanker Nationalismus ausbricht, sind Gewalt, Krieg und Gräueltaten nicht mehr fern!