„Zunächst war ich skeptisch. Zuviel, vor allem an bizarr esoterischen Angeboten, tummelt sich auf dem Fitness / Psychomarkt. Dann machte ich wegen massiver Rückenschmerzen eine Einzelstunde Feldenkrais, und als ich danach etwas umherging, fühlte ich mich ganz toll leicht, unbeschwert, ein seltenes Gefühl von im Einklang – sein mit mir selbst.“ So und ähnlich hört man in letzter Zeit immer öfter Leute von der Feldenkrais – Methode schwärmen. „Mens sana in corpore sano“, Ja, ja klar, aber leider leider ist es gar nicht selten, dass gerade die Geistes-Arbeiter wider alle Vernunft doch ziemlich sinnenfeindlich sind, die Beweglichkeit ihres Körpers nicht so wohlwollend be-achten, wie manche geistigen Hochleistungen. Solche Ignoranz rächt sich allerdings, wie wir eigentlich doch alle ahnen, auch wenn „die kognitive Dissonanz“ – eigentlich müsste ich zwar, aber heute… – sich durch allerhand Mittelchen folgenreich austricksen lässt. You know, what I mean…? Jede Menge „Angebotsdrogen“ aller Couleur erwarten uns ja an jeder Ecke.
Was ist dran an dieser Idee, ohne Geräte, ohne Medikamente, aber mit viel Lust an Langsamkeit mit der Zeit ein ureigenes Körpergefühl der Leichtigkeit zu erlangen? Moshe Feldenkrais (1904-1984) war Physiker von Beruf und Judo-Meister in seiner Freizeit. Also keineswegs in übersinnlichen Gefilden unterwegs, sondern der Naturwissenschaft ganz verbunden. Konkret aufgrund einer banalen Knieverletzung, die ihn aber in seiner sportlichen Beweglichkeit massiv einschränkte, machte er in zahlreichen Selbstversuchen die Entdeckung, dass er sich bisher mit einem viel zu großen Kraftaufwand fortbewegt hatte, seinen Alltag in s t r e n g e r Leistungsorientiertheit viel zu an – strengend gestaltet hatte.
Zitat: „Man kann lernen, sich anders zu bewegen, anders zu gehen, anders zu stehen; aber viele haben das aufgegeben, weil sie meinen, es sei jetzt zu spät, ihr Entwicklungsprozess sei abgeschlossen, sie könnten nichts Neues mehr erlernen, sie hätten keine Zeit oder es fehlte ihnen die nötige Fähigkeit.“ – (Moshé Feldenkrais, Die Entdeckung des Selbstverständlichen, Suhrkamp 1987)
Durch kleinste langsame Bewegungen, durch bewusstes Wahrnehmen von völlig überflüssiger, „parasitärer Muskelspannung“ gelang es ihm mit der Zeit, eine ganz andere, nämlich leichte Qualität von Bewegung zu erreichen. Gleichzeitig fiel ihm auf, dass kleine Kinder, die noch selbstvergessen und voller Entdeckerfreude im Bettchen rumturnen, ganz unverkrampfte anmutige Bewegungen machen, nämlich ohne Leistungsstress, „just for fun“. Dieses Spielerische dürfte aber – so erkannte auch Feldenkrais nicht ohne Trauer – uns Erwachsenen massiv ausgetrieben worden sein. In seinen Büchern und „Lectures“ plädierte er dafür, sich diese Leichtigkeit zurückzuerobern, indem man „organisches Bewegen“ neu erlernt, es geht also nicht um rigides Üben, sondern um genüssliches Lernen. Das geschieht entweder in Feldenkrais – Gruppen, die inzwischen z.B. von Volkshochschulen und dem Öko – Bildungswerk angeboten werden.
Dort kann man vor allem erst mal wieder spüren lernen, was wir unserem armen Resonanz-Körper bisher schon alles an Überforderung zugemutet haben, kann wahrnehmen, wie wohl es tut, einfach nur auf dem Rücken zu liegen, trotz aller geistigen Höhenflüge auf Mutter Erde mal anzukommen. Allmählich kann man mit einigem wehmütigen Erschrecken erst mal feststellen, wie sich die Verkrampfung über Jahre im Körper breit gemacht hat, mit hartnäckigen -!- falschen Bewegungsmustern. Glücklicherweise finden jedoch die Feldenkrais – Gruppen ganz ohne die übliche forcierte Gruppendynamik statt, d.h., jeder kann für sich auf seiner Matte ruhig mit geschlossenen Augen schön seinen Ist-Zustand ausloten, etwas für sich ausprobieren im Sinne von Auskosten. So hört man lediglich, was der Feldenkrais – Lehrer in sanften präzisen Vorschlägen anbietet, die jeder dann in seinem Tempo in Bewegung umsetzen kann. Das Gute ist, dass sich das alles gemächlich von selbst entwickeln darf, eben nichts forciert, beschleunigt, oder sonst wie erzwungen wird. Beim Feldenkrais darf es darauf ankommen, dass jeder seine Regungen individuell ganz ernst nimmt.
Nach dem eigentlich lustvoll revolutionären Motto: „Tue weniger als Du kannst“ geht es nicht um das notorische Knechten seiner Selbst, preußisch, fast wie eine Strafe, vielmehr um eine „selbstfürsorgliche“ Gemütlichkeit, subjektives Befinden steht jetzt mal wahrhaftig im Mittelpunkt. Das Sahnehäubchen der Feldenkrais-Methode ist zwischendurch eine Einzelstunde, wo man gar nichts tut, überhaupt nichts, nämlich nur passiv, ganz „slow motion“ vom Feldenkrais – Lehrer bewegt wird, very slow, also nur spüren ist dann „angesagt“. Danach hat man schon eine sehr konkrete Ahnung, dass es lohnt, sich von allerhand schmerzhafter Starrheit zu verabschieden, mit den Freuden seines Körpers
wieder spürbar in Kontakt zu kommen, und in Zukunft wirklich auf Pausen zu achten, und „im grünen Bereich“ zu bleiben, Bewegung im je ureigenen selbst bestimmten Bereich. Insofern schlägt man auch dem hektischen Tempowahn ein Schnippchen, und ist wesentlich weniger burnout-gefährdet.
Literatur:
Moshé Feldenkrais: Das starke Selbst, Suhrkamp, 2005
Dr. Norbert Klinkenberg: Feldenkrais u. Körperverhaltenstherapie, Verlag von Loeper, 2005
Der Verfasser ist Arzt für Psychosomatische Medizin und Internist
Moshé Feldenkrais: „Verkörperte Weisheit“ Gesammelte Schriften, Verlag Huber, 2013