Am Ende überschlugen sich die Medien, weil Olaf Scholz grünes Licht gegeben hat zur Lieferung von Leopard-2-Panzern an die Ukraine. Fast schon bemerkte man ein Stück Begeisterung bei einigen Medien-Vertretern, die den Kanzler noch am Tag zuvor gescholten und über ihn hergefallen waren, als wollten sie ihn stürzen sehen. Beim Urteilen ein wenig mehr Demut walten zu lassen, wie es jemand empfohlen hatte, sich besser zu informieren, weniger ideologisiert zu argumentieren, das wäre an der Zeit gewesen. Schließlich ging und geht es um Krieg und Frieden, letztendlich um Leben und Tod. Geistige Schnellschüsse sind da eher nicht angebracht und pure Empörung hilft auch nicht weiter.
Nur wenige zogen das Nachdenkliche dem Draufhauen vor und fragten sich und ihre Leser: “ Und wenn Olaf Scholz doch gute Gründe hat“, fragte Zeit-Redakteur Robert Pausch. Gute Gründe für sein behutsames Vorgehen in der Frage, ob Deutschland der Ukraine Leopard-2-Panzer liefern werde. Eine Frage, die Deutschlands Medien und mit ihnen einige Politiker der Opposition und von FDP und den Grünen Tag und Nacht beschäftigte. Christoph Schwennicke, früher SZ-Redakteur, formulierte es bei t-online ähnlich nachdenklich wie Pausch und machte sich Scholz-Gedankenwelt zu eigen. Thomas Seim, Chefredakteur der Neuen Westfälischen, hielt es fast genauso. Unser Blog-der-Republik wurde wegen seiner Pro-Scholz-Haltung von Kritikern gern mit Roten Socken ausgestattet oder ins Reich der Putin-Versteher geschoben.
Die meisten attackierten Scholz, weil er ihrer Meinung nach zu sehr zögerte, zauderte, weil er Deutschland mit seiner Haltung angeblich international isolierte, die von Russlands Putin bedrängte Ukraine im Stich ließ. Deutschland am Abgrund. Von Katastrophe sprach Frau Strack-Zimmermann, von der man schon länger nicht mehr sicher weiß, ob sie geistig noch Teil der Ampel-Koalition ist oder nicht längst ins Lager von Friedrich Merz übergelaufen ist. Oder sieht sie sich als Düsseldorfer Politikerin gar als eine Art Lobbyistin der Rüstungsindustrie? Die Firma Rheinmetall hat ihren Sitz in der NRW-Landeshauptstadt. Und fast alle Medien, darunter die SZ, verrissen den Kanzler ob seiner abwartenden Haltung, weil die Journalisten es natürlich besser wussten. Da schrien zu viele Journalisten und Politiker Hurra, leicht und locker wollten sie die Leopard-2-Panzer herbeischreiben, als handele es sich um Spielzeuge. Nur zur Klarstellung: Auch wenn es sich um modernste Panzer aus deutscher Herstellung handelt, sind sie dazu da, im Kampf gegen den Feind zu töten und zu zerstören. Man vergesse das bitte nicht.
CDU bleibt bei Kritik an Scholz
ZDF-Heute-Journal-Chef Christian Sievers, vor Tagen noch einer der Kritiker von Scholz wie auch seine Kollegin Marieta Slomka, wollte ganz offensichtlich dem CDU-Oppositionspolitiker Kiesewetter ein Lob für Scholz entlocken wegen des Coups des Kanzlers, Amerika(liefert Abrams Panzer) in die Panzer-Allianz geholt zu haben- der im übrigen auch Frankreich angehören wird wie auch Polen und Norwegen und andere Staaten des Westens. Kiesewetter blieb jedoch bei der Anti-Haltung, Scholz habe zu lange gezögert, gezaudert, viel zu viel Zeit sei verstrichen, den Ruf Deutschlands aufs Spiel gesetzt, ehe er endlich gehandelt habe. Mir ist ein behutsamer Kanzler lieber, der nachdenkt, abwägt, die Verbündeten unbedingt ins Boot holen will und ja letztendlich auch geholt hat. Es handelt sich schließlich um schwere Kampfpanzer. Dann die Rhetorik des Sprechers des Bundeswehrverbandes, Oberst André Wüstner, der forderte, nun müsse die Kriegswirtschaft angekurbelt werden. Eine Sprache, mit der er an diesem Abend allein blieb. Deutschland hilft der Ukraine, mit Waffen, mit Geld, mit politischer Unterstützung, es befindet sich aber nicht im Krieg. Zum Glück.
An anderer Stelle wurde weiter kommentiert, der Kanzler habe sich treiben lassen, er sei ein Getriebener. Und so weiter und so weiter. Haben die Medienvertreter nicht gemerkt, dass Scholz das westliche Bündnis in dieser Frage geschlossen zeigen wollte, um Putin klarzumachen: Deine Versuche, den Westen zu spalten, sind gescheitert. Ja, man kann Scholz erneut kritisieren, dass er der Öffentlichkeit seine Gründe für seine abwartende Haltung nicht genannt hat. Bei der Kommunikation der Kanzlers ist sicher noch Luft nach oben. Was die Inhalte seiner Politik betreffen, nimmt er sicher die Ängste und Sorgen weiter Teile der deutschen Bevölkerung in seine Überlegungen hinein. Die Mehrheit der Deutschen ist besorgt ob des Krieges in der Ukraine, die Mehrheit ist gegen die Lieferung von Leopard-Panzern, weil sie befürchtet, was SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich der FDP-Politikerin Strack-Zimmermann zugerufen hatte: Erst die schweren Panzer, dann die Flugzeuge, dann Kontrolle des Luftraums über der Ukraine, dann die Truppen, und dann hätten wir den 3.Weltkrieg. Und genau das will Scholz verhindern.
Größtes Land der Erde
Der Kanzler hat ganz am Anfang des verbrecherischen Krieges von Putin klargestellt: Russland darf den Krieg nicht gewinnen. Heißt auch: Scholz vermeidet bewusst Sätze wie: die Ukraine muss Russland besiegen, weil er natürlich weiß, dass Russland im Besitz von Atomwaffen ist. Russland ist das größte Land der Erde. Das kann man nicht einfach besiegen, oder gar vernichten. Der Krieg Putins gegen das Nachbar- und einstige Bruderland Ukraine ist völkerrechtswidrig. Dennoch hat auch der Krieg eine Vorgeschichte, für die der Westen mitverantwortlich ist. Ein wichtiges Stichwort ist die Nato-Osterweiterung, die vor allem von Washington betrieben wurde. Das heißt nicht, dass sie den Überfall Russlands rechtfertigen würde. Nein, dreimal Nein.
Russland darf den Krieg nicht gewinnen ist etwas anderes als das, was unsere Außenministerin Annalena Baerbock locker daherredet. Wenn ich Scholz richtig interpretiere, will er bei aller Kritik an Putin vermeiden, die frühere Weltmacht Russland zu demütigen. Im Augenblick müssen wir uns, muss sich der Westen vor Russland schützen. So steht es auch in einem neuen Grundsatzpapier der SPD-Spitze zur Außen-und Sicherheitspolitik. Was aber einschließt den Gedanken, dass wir irgendwann wieder mit dem Kreml, mit Putin reden müssen. Über einen Waffenstillstand. Das muss das Ziel der Politik, der Diplomatie sein, damit das Töten, das Zerstören aufhört. Dass dafür Kompromisse sein müssen, Zugeständnisse aller Kriegsparteien, liegt auf der Hand. Man lese das nach bei Henry Kissinger. Der in Fürth geborene Amerikaner, der im Mai 100 Jahre alt wird, hat in den 70er Jahren das Kunststück fertiggebracht, dass sich die Amerikaner aus Vietnam zurückzogen. Er erhielt dafür den Friedensnobelpreis gemeinsam mit Le Duc Tho, weil sie mit dem damaligen Nordvietnam ein Waffenstillstands- und Abzugsabkommen erreichten. Le Duc Tho lehnte den Preis ab mit der Begründung, der Krieg in Vietnam sei nicht beendet. Hinzugefügt sei ferner, dass die Preisverleihung an Kissinger sehr umstritten war, schließlich war der US-Außenminister für das Flächenbombardement auf Kambodscha politisch mitverantwortlich.
Olaf Scholz hat Führungsstärke bewiesen.