10 Milliarden Euro will die Ampel-Koalition locker machen und damit einen Staatsfonds zur besseren Zukunftssicherung der Renten auflegen. Insgesamt belaufen sich die jährlichen Zahlungen der gesetzlichen Rentenversicherung auf etwa 380 Milliarden Euro. Doch die Einnahmen aus den Beiträgen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber reichen dafür schon lange nicht mehr. Der Staat muss Jahr für Jahr rund 100 Milliarden Euro zur Rentenkasse beisteuern – Milliarden aus dem Bundeshaushalt. Und das, obwohl die Zahl der gesetzlich Versicherten mit gut 35 Millionen derzeit noch auf einem Rekordniveau liegt.
Die dramatische Finanzlücke
Die finanzielle Sicherung der Altersversorgung stellt in den nächsten Jahren eine der größten Herausforderungen dar. Denn die Zahl der Rentner wird stark zunehmen, wenn die sogenannten Babyboomer aus dem aktiven Arbeitsleben ausscheiden und in den Ruhestand gehen. Die Relation zwischen Beitragszahlern und Rentenbeziehern wird sich verschlechtern. Die Finanzlücke droht noch dramatischer zu werden, wenn die Rentenhöhe nicht abgesenkt und das Renteneintrittsalter ab 2031 nicht deutlich über die Grenze von 67 Jahren hinaus erhöht werden sollen.
Die Offensive des Bundeskanzlers
Es war Olaf Scholz, unser Bundeskanzler, der jetzt alle überraschte, als er auf das Rentenproblem hinwies. Denn vor nicht allzu langer Zeit hatte seine Partei sich noch intensiv für die „Rente mit 63“ stark eingesetzt. Arbeitnehmer, die vor 1953 geboren wurden und 45 Jahre rentenversicherungspflichtig tätig waren, können vorzeitig ohne Abschläge in Rente gehen. Für die anderen wird sich das Renteneintrittsalter seit 2012 bis 2031 schrittweise von 65 auf 67 Jahre erhöhen.
Derzeit liegt das Renteneintrittsalter im Durchschnitt bei rund 64 Jahren. Nicht wenige ältere Arbeitnehmer nehmen finanzielle Einbußen hin und gehen bereits vor dem gesetzlichen Eintrittsalter in den Ruhestand. In diesem Jahr werden es insgesamt bis zu 225.000 sein. Einige davon geben allerdings ihren Job wegen Krankheit oder Arbeitslosigkeit vorzeitig auf. Hinzu kommt, dass die Dauer des Rentenbezug in den letzten Jahrzehnten fast kontinuierlich gestiegen ist und heute fast 21 Jahre erreicht hat. Die Wirtschaft und Politik sind derweil mit den Problemen des Arbeitsmarktes konfrontiert: Es fehlt allüberall an Arbeitskräften, an Facharbeitern in nahezu allen Bereichen, in der Pflege, im Handwerk, im Handel und in der Verwaltung. In den nächsten Jahren wird sich dieser Trend noch wesentlich verstärken: Derzeit sind rund 1,5 Millionen Stellen nicht zu besetzen. 2030 dürften es 5 bis 7 Millionen sein.
Viele notwendige Schritte
Mit Fachkräften aus dem Ausland, die bald mit Erleichterungen bei der Einwanderung nach Deutschland gelockt werden sollen, werden sich die großen Lücken nicht schließen lassen. Nun hat der Bundeskanzler diese Misere erkannt: Er umwirbt die Älteren, doch etwas länger beruflich aktiv zu bleiben. Ob er dabei ein positives Echo findet, ist keineswegs garantiert. Einen Erfolg könnte er verbuchen, wenn die Arbeitgeber frühzeitig ihre Arbeitnehmer mit flexiblen Angeboten für den nachzeitigen Ruhestand begeistern. Es würde sich für unsere Wirtschaft lohnen, die älteren Beschäftigten mit ihren beruflichen Erfahrungen und ihrem Knowhow länger an Bord der Unternehmen zu halten. Daneben gilt es, mit besseren Rahmenbedingungen die Erwerbsquote von Frauen zu erhöhen; das KiTa-Angebot ist nämlich nach wie vor völlig unzureichend. Last but not least sollten mehr qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland für Deutschland angeworben werden. Dabei ist jedoch die alte Erkenntnis zu beherzigen, dass eben nicht nur Arbeitskräfte kommen, sondern Menschen, die uns zur Hilfe eilen und in unsere Gesellschaft integriert werden müssen. Nur alle Schritte zusammen plus eine kapitalgedeckte Säule in der gesetzlichen Rentenversicherung werden das Rentenniveau bei etwa 48 Prozent stabilisieren und den Versicherungsbeitrag bei rund 20 Prozent begrenzen können. Die wichtigste Stellschraube wird jedoch die Flexibilisierung des Renteneintrittsalters sein, denn die Lebenserwartung der Menschen und damit die Rentenbezugszeiten werden weiter steigen, die Zahl der Beitragszahler wird sinken: Die großen Parteien sollten gemeinsam so schnell wie möglich eine Reform der Rentenversicherung beschließen, um das Vertrauen der jungen und alten Generation in die Stabilität des Systems zu stärken.
Der Staatsfonds: Nur ein Tropfen auf den heißen Stein
Selbst eine Erhöhung der Rentenversicherungsbeiträge in Richtung 20 Prozent wäre keine Lösung, sondern bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Rentenstein. Ohne die Zahlungen aus dem Bundeshaushalt würde der Beitrag schon bei rund 25 Prozent liegen müssen. Mit dem besonderen Staatsfonds soll die Finanzlücke im Rentensystem verringert werden. Die 10 Milliarden Euro sollen bereits ab 2023 in Wertpapieren am Kapitalmarkt angelegt werden – in Aktien und Anleihen. Die daraus fließenden Dividenden und Anleihezinsen sollen das gesetzliche Rentensystem stabilisieren. Die Erträge, die mit den 10 Milliarden Euro bestenfalls erzielt werden können, dürften im Jahr 2024 bei 300 Millionen Euro liegen und kaum einen Effekt haben. Selbst wenn der Staatsfonds bis 2030 auf rund 100 Milliarden Euro aufgestockt werden sollte, kämen höchstens 3 bis 4 Milliarden Euro für die angestrebte Stabilisierung zusammen; das wäre nicht einmal 1 Prozent der gesamten Rentenzahlungen, die bis dahin in Richtung 400 Milliarden Euro pro Jahr ansteigen werden. Im Übrigen wäre der deutsche Rentenfonds vom Volumen her nicht mit den Staatsfonds anderer Länder – von Norwegen bis Katar – zu vergleichen.