Bundeskanzler Olaf Scholz besuchte jüngst auf dem Weg zum Parteitag der SPD in Baden-Württemberg die ZF-Firma in Friedrichshafen. Das Unternehmen spielt eine wichtige Rolle als Zulieferer für die Autoindustrie, produziert aber auch Getriebe für Windturbinen. Als sich der ZF-Manager Ehrich über die langen Genehmigungsverfahren für Windanlagen beklagte, konterte der Kanzler mit dem Hinweis, dass man in diesem Jahr schon mehrere Gesetze verabschiedet habe, um die Genehmigungsverfahren nachhaltig zu straffen. Ziel sei, die Dauer von bisher 6 Jahren auf 6 Monate zu verkürzen, so Olaf Scholz. Denn nur so könne der Ausbau der erneuerbaren Energien massiv gestärkt werden. Immerhin soll der Anteil an grünem Strom bis zum Jahr 2030 auf 80 Prozent gesteigert werden. Dafür müssten Windräder und Solaranlagen vom Fließband laufen.
Machen ist besser als müssen!
So wie der Bundeskanzler verkünden es fast alle Politiker der Ampelkoalition – allen voran Habeck und Baerbock sowie Lemke und Schulze. Von allen ist tagtäglich zu hören, was für die Energiewende ebenso wie für die große Transformation unserer Volkswirtschaft und für den globalen Klimaschutz geschehen muss.
Vom Müssen ist landauf, landab die Rede, vom Wollen ebenso. Beim Können wird es schon etwas zurückhaltender und leiser. Doch vor allem beim Machen, Durchsetzen und Realisieren geht es gerade bei wichtigen Projekten und Weichenstellungen für die Zukunft oft genug nur im Schneckentempo voran. Das wird insbesondere bei der Energiewende überdeutlich. Nirgendwo auf der Welt, so ist es von erfahrenen Projektentwicklern zu hören, dauern die Genehmigungen für den Bau- von Wind- und Solaranlagen so lange wie in Deutschland.
Tempo mindestens verdoppeln
Bis 2030 sollen 80 Prozent des Stroms aus regenerativen Quellen geliefert werden; 2021 lag der Anteil bei rund 50 Prozent. Um das Ziel in den nächsten 8 Jahren zu erreichen, müsste die Wind- und Solarenergie jedes Jahr jeweils um 15 bis 20 Prozent ausgebaut werden; das Tempo müsste also verdoppelt werden. In den Bundesländern sollen für mehr Windräder 2 Prozent der Fläche zur Verfügung gestellt werden; heute sind es 0,8 Prozent, doch echt verfügbar gerade einmal 0,5 Prozent. Im Durchschnitt dauert es bislang 7 Jahre von der Planung bis zur Fertigstellung der Windräder. Oft genug wird gegen die Windanlagen geklagt – vor allem von Natur-, Umwelt-, Tier- und Landschaftsschützern. Wenn die Windräder die Sichtachsen störten, kann sogar der Denkmalschutz ins Feld geführt werden.
Kein Wumms für Offshore-Wind
Nicht weniger brisant gestaltet sich der Ausbau von Offshore-Windkraft. Er droht an mangelnden Hafenkapazitäten zu scheitern. Minister Robert Habeck hatte erst jüngst in der Novelle des Windenergie-auf See-Gesetzes festgelegt, dass bereits im Jahre 2030 mindestens 30 Gigawatt Strom, bis 2045 sogar 70 Gigawatt Strom produziert werden sollten. Danach erhöhte er nochmals seine Ziele: Deutsche Windanlagen auf See sollen schon 2035 rund 50 Gigawatt Strom liefern, also so viel wie etwa 40 Kernkraftwerke. Heute sind es nicht einmal 8 Gigawatt, die die Windanlagen auf See ins Netz einspeisen.
Neue Hürden wurden jedoch errichtet: Über das Hafenprojekt in Bremerhaven hat das Verwaltungsgericht Bremen schon im Jahr 2015 einen Baustopp verhängt. Die Naturschützer des BUND hatten geklagt – mit der Begründung, dass durch die Montage und Verschiffung von Offshore-Windanlagen die Rastplätze von Säbelschnäblern gefährdet würden. Die Windkraftfirmen zogen sich weitgehend zurück. So hat jetzt nach langen Jahren juristischer Auseinandersetzungen das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig befunden, der Bau des Windterminals in Bremerhaven lohne nicht, weil es dort ohnehin keine Windkraftfirmen mehr gebe.
In Cuxhaven, wo sich das Deutsche Offshore-Industrie-Zentrum befindet, sind die Hafenkapazitäten mehr als ausgelastet. Eine Erweiterung ist hier geplant und schon genehmigt. Doch weder der Bund noch das Land Niedersachsen haben bislang die rund 300 Mio. Euro für den schwerlastgeeigneten Hafenkai freigegeben. Private Investoren werden sich hier nicht engagieren.
Gefracktes LNG: ein fossiler Energieträger
Hohe Milliarden-Beträge werden inzwischen in schwimmende Import-Terminals für Flüssiggas (LNG) in Wilhelmshaven und Brunsbüttel investiert – demnächst auch in Stade und in Lubmin. Diese Anlagen werden mit insgesamt 6 Mrd. Euro um etwa 3 Mrd. Euro teurer als zunächst vom Habeck-Ministerium geplant. LNG ist jedoch ein fossiler Energieträger, der in den USA und anderen Ländern per Fracking gefördert wird; diese Fördermethode ist in Deutschland nicht genehmigungsfähig. Vor dem Schiffstransport muss Frackinggas „tiefgefroren“, nach Erreichung des Zielhafens dann regasifiziert werden. Beide Verfahren erfordern eine hohen Energieaufwand.
Unsicherheit: Gift für die Energiewende
Die angestrebte Energiewende ist ein ehrgeiziges Projekt. Die Ampelkoalition kündigt immer wieder eine starke Beschleunigung an. Doch in der real existierenden Energiewelt bewegt sich vieles im Schneckentempo. Es hakt in den Ländern und Kommunen, die Genehmigungen der Behörden sind zeitraubend, es wird vor Gerichten geklagt, die Verzögerungen sind für Investoren unkalkulierbar, die Lieferketten reißen, die Kosten für Materialien steigen, die Zinsen ebenfalls und die drohende Besteuerung von Übergewinn verunsichert die Anlagenbetreiber in Wind- und Solarbereich. Schließlich wird es auch mehr grünen Wasserstoff nur geben, wenn die Kapazitäten für grünen Strom hierzulande massiv ausgebaut, wenn ausreichend Energiepartner im Ausland gewonnen werden und viel Geld in Elektrolyse-Anlagen fließen wird.