Der Friedensnobelpreis 2022 würdigt den Einsatz für Menschenrechte und Demokratie. Im Zeichen des Ukraine-Krieges hat sich das Osloer Nobelkomitee nicht hinter eine der Kriegsparteien gestellt, sondern den weltweit wohl renommiertesten Preis grenzübergreifend gleichgesinnten Aktivisten zuerkannt.
Die Auszeichnung des Menschenrechtsanwalts Ales Bjaljazki aus Belarus sowie der Menschenrechtsorganisationen Memorial aus Russland und des Center for Civil Liberties aus der Ukraine ist daher mehr als die bloße Anerkennung des wichtigen Engagements. Sie ist zugleich ein Appell an die Verantwortung der Zivilgesellschaft – überall.
Die Preisträger zeigten „gemeinsam die Bedeutung der Zivilgesellschaft für Frieden und Demokratie“, sagte Komiteevorsitzende Berit Reiss-Andersen bei der Bekanntgabe der Entscheidung in Oslo. Wenn das zivilgesellschaftliche Engagement stark genug sei, „macht es einen Unterschied“, und das gelte auch für autokratisch regierte Staaten.
Ales Bjaljazki, der 1996 die Menschenrechtsorganisation Wjasna (Frühling) gründete, sitzt seit dem Sommer erneut in Haft. Reiss-Andersen erwartet nicht, dass er im Dezember nach Oslo kommen kann, um den Nobelpreis persönlich in Empfang zu nehmen. Zugleich machte sie die Hoffnung deutlich, dass die Auszeichnung eine schützende und unterstützende Wirkung entfalte.
Öffentlicher Rückhalt für den Kampf gegen Machtmissbrauch, Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen soll auch den beiden bedachten Organisationen zuteil werden. Memorial wurde 1989 in Moskau gegründet, gilt als verlässliche Quelle über politische Verfolgung und Menschenrechtsbrüchen in Russland und ist seit Dezember 2021 verboten worden.
Das ukrainische „Center for Civil Liberties“ wurde 2007 in der ukrainischen Hauptstadt Kiew mit dem Ziel gegründet, die ukrainische Zivilgesellschaft zu stärken und das Land zu demokratisieren. Seit Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine dokumentierte das Zentrum russische Kriegsverbrechen und schaffe die Grundlagen dafür, Schuldige zur Rechenschaft zu ziehen.
Die diesjährigen Preisträger repräsentierten die Zivilgesellschaft in ihren Heimatländern, sagte die Vorsitzende des Komitees, Berit Reiss-Andersen. Sie setzten sich seit vielen Jahren für den Schutz der Grundrechte der Bürger und das Recht ein, Machthabende zu kritisieren. Mit ihrem „alternativen Nobelpreis“ hat die „Right Livelihood Stiftung“ eben erst die Menschenrechtsaktivistin Olexandra Matwijtschuk und das Center for Civil Liberties gewürdigt. Bereits 2004 erhielt die Organisation Memorial den „alternativen“ Award, der seit 1980 verliehen wird und sich zur Aufgabe gemacht hat, den Einsatz für bessere Lebensbedingungen der Menschen hervorzuheben.
Die jüngeren Preisvergaben zeigen, dass sich die Konzepte inhaltlich annähern. Im vorigen Jahr stärkte der Friedensnobelpreis den Journalismus im Kampf gegen autoritäre Regime. Nun würdigt er das zivilgesellschaftliche Engagement als Beitrag zu einer friedlicheren Welt.
Das steht im Einklang mit dem „Friedensappell“, den das Netzwerk für Frieden, Entwicklung und Umwelt von Johan Galtung in diesen Tagen veröffentlich hat. Der richtet sich ausdrücklich nicht nur an Regierungen und internationale Institutionen, sondern an die Menschen überall. Die Unterzeichner skizzieren kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen für die Sicherung und Wiederherstellung des Friedens und betonen: Nichts davon wird gelingen ohne ein massives globales Aufwachen von menschlicher Weisheit und Energie. So wichtig Regierungen und internationale Institutionen auch sind – die Initiative zu einer angemessenen Antwort auf die Herausforderungen liegt bei den Menschen, in der Zivilgesellschaft.
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