Putin will 300000 Reservisten einziehen, lauten die Schlagzeilen, seit der russische Präsident die Teilmobilmachung der Streitkräfte für den Einsatz in der Ukraine angekündigt hat. Damit dürfte auch seine Umschreibung des Kriegs, den er stets als eine Art Polizeiaktion dargestellt hatte, passé sein. Jeder Russe weiß nun, dass sein Land im Krieg ist. Mobilmachung ist der letzte Schritt hin zur Eskalation. Dass Putin zu diesem Mittel greifen muss, belegt seine Schwierigkeiten im Krieg gegen Kiew, beweist, dass seine Truppen sich in Nöten befinden, dass der Vormarsch gestoppt, ja die Verbände zurückgedrängt worden sind. Teilmobilmachung und die damit einhergehenden Verschärfungen der Gesetze für Desertion zum Beispiel oder die Ignorierung, wenn man eingezogen wird, zeigen, wie ernst es dem Kremlherrscher ist. Es ist vorbei mit dem Gerede vom Manöver, in das seine Soldaten angeblich gezogen sind vor Monaten. Seine Armee ist in der Defensive, mindestens, jetzt ruft der Präsident seine Soldaten zu den Waffen, um sein Land gegen den Westen zu verteidigen.
Wir mögen darüber lachen, wenn Letzteres behauptet wird in russischen Medien, die gefüttert werden durch die Kreml-Ideologen. Wer glaubt denn so einen Unsinn, dass der Westen über die Ukraine Russland angreift? Putin erklärt die Bundesrepublik zur Kriegspartei, Frankreich ebenso, alle im Westen. Seine Marionetten im Osten des von ihm besetzten Landes werden Referenden abhalten, das Ergebnis steht jetzt schon fest. Man darf mit mindestens 95 Prozent Zustimmung rechnen. Es fehlt noch der Hilferuf, wie es früher üblich war, wenn die Sowjetunion in Ungarn nicht mehr beliebt war oder in der CSSR. Dann rollten die Panzer und schufen Klarheit. Breschnew-Doktrin nannte man das. Erst Gorbatschow setzte sie ab, ließ die Panzer in den Kasernen, als in der DDR demonstriert wurde für Freiheit. Das mit der Einheit folgte.
Es ist so unwirklich, was sich da abspielt. Mobilmachung, das ist doch etwas aus der Vergangenheit. 1914 machte man mobil und zog singend in den Krieg, der Millionen Tote kostete. Ich hatte das fast vergessen, dachte, diese Zeiten seien vorbei. Aber Putin ist da. Der greift zu diesem Mittel, zu Lügen und Propaganda und hat damit fast sein ganzes Land eingedeckt. Von wegen ein lupenreiner Demokrat. Ein Lügner ist er, ein Betrüger, Krieger. Aber lassen wir das mit Gerhard Schröder in diesem Zusammenhang. Der hätte alle Chancen gehabt, sich zu erklären, auf Distanz zu gehen. Der Mann ist isoliert, ohne Freunde, das reicht. Macht ihn nicht noch interessanter, ihr Sozialdemokraten in Berlin, lasst das mit dem Rauswurf aus der Partei, spendet seine Partei-Beiträge an eine wohltätige Organisation, die den geflüchteten Ukrainern hilft. Schade drum. Zurück zu Putin. Der erinnert mich eher an Stalin und dessen Methoden im Umgang mit Andersdenkenden.
Gegen russische Besatzer
Jeder Russe wird nun die Folgen der angeblichen „militärischen Spezialoperation“ zu spüren bekommen, weil diese Folgen nun überall zu spüren, zu sehen sein werden. Und der russische Verteidigungsminister Sergej Schojgu räumte öffentlich ein, dass bisher 6000 russische Soldaten in der Uklraine gefallen seien. Es gibt andere Zahlen, viel höhere, eher im fünfstelligen Bereich liegende. Putin hat die Mobilmachung mit der „Verteidigung unserer Heimat, ihrer Souveränität und territorialen Integrität“ begründet, mit der „Sicherheit unseres Volkes und der Menschen in den befreiten Gebieten“. Damit sind die von Russen besetzten Regionen im Süden und Osten der Ukraine gemeint. Und dort werden die Referenden stattfinden, in denen ihre Abspaltung von der Ukraine und ihr Anschluss an Russland beschlossen werden. Und wenn ukrainische Streitkräfte dann dort angreifen, greifen sie Russland an. So einfach stellt sich das Putin vor. Und wenn die Ukrainer dabei deutsche Waffen einsetzen, deutsche Panzer, dann sind die Deutschen eben auch im Krieg. Ob Putin wirklich glaubt, damit international durchzukommen? Das ist doch völkerrechtswidrig. Meint er wirklich, er könnte den Ukrainern damit imponieren, Angst machen? Letzteres will er sicher. Aber die Ukrainer kämpfen mit vollem Mut und Einsatz, sie wissen wofür, für die Freiheit und Unabhängigkeit ihres Landes, gegen die russischen Besatzer. Wissen die Russen um den Sinn ihres Einsatzes in diesem Krieg?
300000 Reservisten für einen Feldzug gegen die Ukraine. Der russische Verteidigungsminister sprach zudem von einem „Mobilisierungspotential“ von 25 Millionen Menschen. Um Russlands Integrität gegen den Westen zu schützen. Es klingt hanebüchen. Meint er es Ernst, wenn er dem Westen unterstellt, der wolle Russland vernichten? Und meint er es Ernst, wenn er notfalls mit Atomwaffen droht, die der Kreml hat? Die aber auch der Westen hat, Frankreich, Großbritannien, die USA. Wir sind wieder im Kalten Krieg oder schon darüber hinaus. „Das ist kein Bluff!“ Sagte Putin zu seinen Drohungen.
Der Krieg hat Russland erreicht. Das lässt sich nach Putins Mobilmachungs-Erklärung nicht mehr leugnen. Und wer Reservisten einberuft, nimmt in Kauf, dass diese in den Krieg ziehen und dort notfalls ihr Leben lassen. Zehn Jahre Gefängnis für Fahnenflucht, drei Jahre für die Weigerung, in den Krieg zu ziehen. Die meinen das Ernst. Ich erinnere mich noch gut an die verlassenen einstigen Kasernen der Roten Armee in der ehemaligen DDR. Menschenfeindlich war das, was wir sahen, die wohnten nicht, die hausten in Löchern. Und wenn sie bestraft wurden, hat man sie behandelt wie Tiere. Schilderungen über mangelnden Proviant, fehlende Kleidung, überhaupt schlechte Ausrüstung der russischen Soldaten im Krieg in der Ukraine-man mag das am Anfang für übertrieben gehalten haben, für westliche Propaganda, seit Putins Mobilmachung glaube ich solche Erzählungen. Und ob sie es wirklich belassen bei den Reservisten nur mit Kampferfahrung, auf Studierende verzichten? Ich glaube es nicht. Putin hat jede Glaubwürdigkeit verloren.
Sie rühmten Stalin
Der “ große vaterländische Krieg“, mit dem die Russen Nazi-Deutschland besiegten, wird gern beschworen. Vor Jahren haben wir mit letzten Überlebenden in Sankt Petersburg gesprochen. Sie gerieten fast ins Schwärmen, wenn sie schilderten, wie sie die Deutschen aus ihrer Heimat vertrieben, unter riesigen Verlusten. Und rühmten Stalin. 28 Millionen Menschen aus der Sowjetunion kamen im 2. Weltkrieg zu Tode, im Vernichtungskrieg starben Millionen Russen und Millionen Ukrainer. Aber wie will man den jetztigen Krieg, der ja ein Überfall der Russen auf das Nachbarland ist, ein Angriffskrieg auf den einstigen Bruder, in einen vaterländischen verwandeln, wie Patriotismus beschwören?
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat in seiner Rede vor der UNO in New York den Alleinschuldigen dieses Krieges benannt: Wladimir Putin. Scholz warf ihm „blanken Imperialismus“ vor. Putin werde „seinen Krieg und seine imperialen Ambitionen nur aufgeben, wenn er erkennt: Er kann diesen Krieg nicht gewinnen.“ Putin zerstöre nicht nur die Ukraine, sondern „ruiniert auch sein eigenes Land.“ Deshalb werde man keinen russischen Diktatfrieden akzeptieren und auch keine Scheinreferenden. Die Ukraine müsse in die Lage versetzt werden, Russlands Überfall abwehren zu können. „Wir unterstützen die Ukraine dabei mit aller Kraft; finanziell, wirtschaftlich, humanitär und auch mit Waffen.“ Ob darunter auch modernste westliche Panzer sein werden wie der deutsche Leopard 2, wird man sehen. Die Ukraine bittet darum, Berlin zögert und verweist darauf, dass man keine Alleingänge mache, sondern nur im westlichen Bündnis handele. Es könnte sein, dass die Bundesregierung ihr Handeln in dieser Frage überdenkt. Dank der Mobilmachung Putins. Er muss wissen, dass er diesen Krieg nicht gewinnt und die Ukraine jedes Recht auf ihre Unabhängigkeit und Souveränität hat, auf die Freiheit wie jedes andere Land auch. Das gilt selbstverständlich auch für Polen und die baltischen Staaten.