* also mal abgesehen von der AfD, die aber zumindest die Funktion erfüllt, dass man Rechtsradikale, Rechtsextreme und Nazis in Deutschland einfacher finden kann.
Auch wenn die Landtagswahl in NRW schon eine Weile her ist, erhält den Preis für den besten Lacher, oder, wie Hanna Herbst es betitelte, für „das peinlichste, realitätsfernste, wohlstandsverwahrloste wahlvideo des jahres“ in diesem Jahr eindeutig der Ratinger FDP-Vorsitzende und Chef der Jungen Liberalen in NRW, Alexander Steffen.
Noch geiler, als solch ein Video nach 5 Jahren Gebauer FDP-Bildungspolitik in NRW rauszuhauen („zukunftsfähige Bildungspolitik geht nur mit freien Demokraten“ 😂), sind allerdings die Kommentare der Twitter-Nutzer. Dafür muss man Alexander Steffen eigentlich danken – Unterhaltung pur!
Traurig nur, dass dieser Alexander Steffen (29, Freiheitskäpfer) so etwas wie die Nachwuchsrakete der Freien Demokraten in Ratingen und NRW ist (oder wie es eine Twitter-Nutzerin artikuliert: „Der Amthor der FDP“) und damit vor allem eines demonstriert: Die komplette moralische und intellektuelle Verwahrlosung einer einstmals stolzen (und notwendigen) liberalen Partei.
Was Steffen da an verschwurbelten Plattitüden raushaut – von Antifa-Blabla über haltlose Kritik am Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk bis zur Gleichsetzung von Umverteilung mit der UdSSR – sprengt auch schon den Rahmen dessen, was man vielleicht euphemistisch als rechtsliberal bezeichnen könnte. Dass die Jungen Liberalen, die vor Jahren noch als Garant für eine linksliberale FDP standen, soweit abrutschen, hätte ich mir nicht vorstellen können. Das scheint dann vielleicht die Kehrseite eines übermäßigen Marihuana-Konsums zu sein.
Man kann einem jungen Politiker, der so offensichtlich seinen gesamten Lebensweg auf den Berufswunsch „Politiker“ ausgerichtet hat und damit von Anfang plant, von unseren Steuergeldern zu leben, doch nur zurufen: „Geh mal richtig arbeiten, Junge!“
Aber in einer Partei, wo das Tragen eines Aktenkoffers und das Verbrennen von Geld schon reicht, um mit Wirtschaftskompetenz zu prahlen, steht Alexander Steffen sicher noch eine große Karriere bevor. Getreu dem Motto des FDP-Vorsitzenden „Ich konzentriere mich jetzt auf das Mandat, ich mache da eine Portfolio-Bereinigung“.
Was uns zu einem größeren Problem führt: Die FDP in der Bundesregierung.
Natürlich hätte man gewarnt sein können, als zwei prominente amerikanische Wirtschaftswissenschaftler, einer gar der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz, vor einem Finanzminister Christian Lindner warnten. Die Herren sahen „eine Anhäufung konservativer Klischees“, bei denen „es sich um Klischees einer vergangenen Ära handelt, nämlich um die der Neunzigerjahre“. Das bestätigt meinen Verdacht, dass Herr Lindner seit der legendären Stern-TV-Reportage Ende der 90er Jahre keine nennenswerte intellektuelle Weiterentwicklung in Fragen von Wirtschafts- und Finanzpolitik durchgemacht hat.
Nach nun acht Monaten Ampel, die einerseits geprägt sind von einem für alle kräftezehrenden Krieg in der Ukraine, andererseits von der für uns wirklich existentiellen Bedrohung, nämlich dem diesen Sommer zum ersten Mal so richtig fühlbaren Klimawandel, offenbart sich auf dramatische Weise, dass Herr Lindner und seine FDP zwischen uns und dem Fortkommen unseres Landes stehen. 11,5%, die die Freiheit und Zukunft unseres Landes vermasseln.
Die sensationelle Kraft der Marktwirtschaft
Am deutlichsten wird die vollkommen antiquierte Politik der FDP bei allem, was um das Thema Auto kreist: Mehr als 3 Milliarden Euro hat der Finanzminister der darbenden Ölindustrie gegen jede Vernunft und alle Mahner mit dem Tankrabatt in den Rachen geschoben (als Shell-Aktionär bedanke ich mich artig!).
Um seinen Ruf als Lobbyist der Autoindustrie weiter zu festigen, hat Herr Lindner nicht nur fleißig mit Herrn Blume gesimst, er lehnt auch kategorisch Änderungen an der Besteuerung von Dienstwagen und dem Tempolimit ab.
Zum Thema Dienstwagen-Privileg beklagt Herrn Lindner sogar „linkes Framing“! Es kann natürlich sein, dass Herr Lindner solche Petitessen wie einen vom Arbeitgeber bezahlten PKW, den ich auch kostenfrei für private Fahrten nutzen darf, als komplett normal empfindet – Stichwort „Gratismentalität“…
.…die sieht Herr Lindner aber nicht beim Dienstwagen-Privileg, sondern beim 9€-Ticket, einer Maßnahme, die klimapolitisch sinnvoll und vom Volk geliebt ist, die zur deutlichen Entlastung der Bürgerinnen und Bürger beiträgt und zudem mal ausnahmsweise wirklich auch den Schwächeren in der Gesellschaft zu Gute kommt.
Das sogenannte „Dienstwagen-Privileg“ ist dagegen am Ende nichts anderes als eine versteckte Subventionierung der deutschen Automobil-Industrie in Höhe von mehr als 3 Milliarden Euro per anno und kommt zu 50% den reichsten 20% der Bevölkerung zu Gute. Zusammen mit der nicht weniger absurden „Pendler-Pauschale“ mit weiteren 5 Milliarden Euro per anno haben wir fast 8 Milliarden, die wir jedes Jahr Richtung Automobil- und Ölindustrie verschieben und die an anderer Stelle dringend fehlen (z.B. für die Finanzierung eines mehr oder weniger kostenfreien ÖPNV).
Lieber Herr Lindner, bitte einmal um Klärung des Begriffes „Gratismentalität“. Vielleicht dann auch gleich Erik Flügges berechtigte Frage beantworten:
Wenn dann auch noch die Auto Motor Sport schreibt, dass eine Abschaffung des Dienstwagenprivilegs „sozial gerecht wirkt“, sollte Herr Lindner vielleicht mal anfangen nachzudenken. Aber das scheint in der FDP nicht angesagt zu sein.
So ist die Marktwirtschaft nach Deutung der FDP alles in Allem schon eine wundersame Sache: Wie von Zauberhand wandert das Geld vom kleinen Steuerzahler in die Taschen der Konzerne und damit letztlich auf die Bankkonten der reichen 1%. Wahrscheinlich hat der junge Herr Steffen über diese Art der Umverteilung von unten nach oben noch garnicht richtig nachgedacht, weil er nachts von Masturbationsseminaren und Dildo-Weihnachtsparties geträumt hat.
Womit wir beim Tempolimit wären. Während es also in fast allen anderen Ländern der Welt seit Jahren ein Tempolimit gibt, sieht die Automobil-Lobby – allen voran Porsche-Lindner – die Gefahr der Ausrottung des deutschen Volkes und den Niedergang der deutschen Vorherrschaft (😂) im Automobilbau.
Abgesehen davon, dass die wichtigsten Abnehmerländer für deutsche Autos beide ein Tempolimit haben (China: 120 km/h und USA: 110-120 km/h je nach Bundesstaat) und das Bundesumweltamt vorrechnet, dass ein Tempolimit von 120 km/h ca. 2,6 Millionen CO2 per anno einspart, sind fast 60% der Deutschen inzwischen weiter als die FDP.
Die FDP polemisiert derweil gegen ein Tempolimit von 130 km/h (was ein echter Witz ist…) und die Generalstaatsanwaltschaft von Sachsen-Anhalt schlägt ein Tempolimit 200 km/h vor. Erstaunlicherweise will die FDP in Düsseldorf ein Tempolimit von 10 km/h für Fahrradfahrer! Ob das mit Christian abgesprochen ist?
Ich selber plädiere – übrigens als bekennender Porschefahrer, aber nicht FDP-Wähler (soviel Grips muss sein!) – für ein Tempolimit von 100 km/h. Das spart neben noch mehr CO2 vor allem auch Bares in der Tasche. Der Spritverbrauch sinkt bei Tempo 100 nochmals dramatisch ab. Einen 911er Porsche kann man damit locker unter 10 Liter drücken. Aber wen interessiert schon die Freiheit unserer Kinder, in einer halbwegs intakten Umwelt aufzuwachsen, wenn dafür die Freiheit auf der Autobahn stumpf rumzuknallen eingeschränkt wird?
Und so blockiert der Herr Lindner lieber ein Fortkommen der EU in Sachen Klimaschutz und verhandelt vollkommen sinnloses E-Fuel als Ausnahme in das Verbrenneraus. Bei der FDP wird halt aus „Verkehrspolitik ohne Denklimit“ ziemlich schnell ein „Verkehrspolitik ohne Denken“.
Immerhin fällt der aktuelle Bundesverkehrsminister Wissing von der FDP nach dem vollkommenen Wahnsinn eines Andy Scheuer nur durch Nichtstun auf. Die Zukunft beginnt manchmal eben mit kleinen Schritten.
Womit wir beim Thema Übergewinnsteuer wären, bei der Herr Lindner befürchtet, dass „der Innovationsstandort Deutschland Schaden nimmt“ und damit folgerichtig „das Ende der Sozialen Marktwirtschaft“ eingeleitet wird. Soviel Dummheit und Unverständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge in einem Satz sieht man selten.
Dass sich jetzt gerade UK als Mutterland des Kapitalismus 5 Milliarden Pfund mit einer Sondersteuer von 25% auf alles (man wollte „Übergewinn“ erst garnicht definieren…) einverleibt, scheint Lindner nicht zu stören. Dass die EU diese Steuer den Mitgliedsstaaten ausdrücklich empfiehlt und Spanien, Belgien, Italien, Frankreich oder Österreich eine entsprechende Steuer schon eingeführt haben oder planen, ebenso wenig.
Nein, in der FDP glaubt man immer noch an die wundersame Kraft der Marktwirtschaft, den Trickle-Down-Effekt oder an freiwillige Selbstverpflichtungen der Industrie.
Man möchte Christian Lindner sein jüngeres Alter-Ego als Berater zur Seite stellen:
„Das was Sie gemacht haben bisher, sind überkommene Strukturen. Die haben in der Vergangenheit Erfolg gesichert, können ihn aber in der Zukunft nicht mehr garantieren. Sie müssen umdenken.“ (Minute 1:25)
Liberal + Blanker Populismus = Gefährliche Mischung
Richtig merkwürdig wird die Definition von Liberalismus aber dann, wenn es um die Corona-Politik des Landes geht. Hatte man noch Hoffnung, als mit Karl Lauterbach endlich ein Politiker mit Sachverstand auf dem Gesundheitsministersessel Platz nahm, wurde sämtliche Vorfreude auf eine wissenschaftlich fundierte und vorausschauende Gesundheitspolitik durch eine populistisch plärrende FDP zunichte gemacht, die ganz offensichtlich ihre auf 7% abgebröckelte Wählerbasis im AfD- und Querdenker-Umfeld auffrischen möchte.
Auch wenn die Maske die ein oder andere Alkoholfahne und schlechten Atem mindern kann, stellt sich die FDP, allen voran der ewige Kubicki (sic!), gegen jede ihrer Meinung nach „freiheitseinschränkende Maßnahme“.
Selbst Gerhard Baum, der für eine FDP stand, die noch gebraucht wurde, nennt die Corona-Politik der FDP „populistisch“ – nicht ohne gleich von Kubicki als „Lothar Matthäus der FDP“ abgecancelt zu werden. Was ist dann Kubicki?
Das ist das Kernproblem der deutschen Liberalen: Die Reduktion auf einen negativen Freiheitsbegriff. Freiheit wird immer nur als „Freiheit von“ begriffen. Liberalismus als ewiger Kampf eine vermeintliche Freiheit gegen Einschränkungen des Staates zu verteidigen. Nie käme die FDP auf die Idee, positiv zu denken und Freiheit für Veränderungen zu fordern, Freiheit etwas zu erreichen oder zu tun. Freiheit etwas zu denken oder auszuprobieren. Freiheit vorne weg zu laufen und Beispiel zu sein. Progressive Politik zu machen.
Liberalismus, richtig gedacht, ist nicht nur für die Legalisierung von Cannabis, sondern muss auch ein Vorkämpfer für den Klimaschutz sein, für eine aktive Gesundheitspolitik zum Schutze unserer Bürgerinnen und Bürger. Freiheit bedeutet auch über Masturbation zu reden und zu akzeptieren, dass Gendern und Identitätspolitik kein Kampfthema linker Gruppen ist, sondern schlicht Liberalismus pur.
In den USA ist „liberal“ deswegen in rechten Kreisen ein Kampfbegriff und gleichzusetzen mit allem, was man ablehnt: Links, progressiv, offene Gesellschaft, LGBTQ, Freiheit. In Deutschland arbeitet die FDP dagegen daran, den Begriff „liberal“ wieder hoffähig in rechts-konservativen Kreisen zu machen.
Man möchte Lindner, der FDP und dem Herrn Steffen gerne eine Bildungsreise nach Kanada ans Herz legen (bitte nicht auf Steuerzahlerkosten!), wo eine liberale Partei zeigt, wie man Liberalismus modern denken kann und mit einer progressiven Politik zusammenbekommt. Wo eine liberale Regierung knallharte Corona-Maßnahmen durchsetzt, um eben die Freiheit aller ihrer Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten, gesund zu bleiben. Wo Gendern und Unisex-Toiletten schon seit Jahren komplett normal sind und das Land stolz ist auf seine Diversity. Wo ein Regierungschef sein Kabinett mit 50% Frauen besetzt und auf Nachfrage antwortet „Because it’s 2015.“ (auch schon wieder sieben Jahre her und die FDP hat es nicht geschafft, in der Bundesregierung auch nur eine Frau für ein Minister:innenamt zu nominieren…).
Die Politk der FDP, eine Politik ohne eine Vision und Ideen dazu, wie sich unser Land und unsere Gesellschaft entwickeln sollen, ohne die Bereitschaft diese Veränderungen auch zu gestalten, ist am Ende eine verkappte konservative, libertäre Politik, die sich nur in Ablehnung von Regeln und staatlicher Intervention ergeht und die individualistische Freiheit vor eine freie, zukunftsfähige Gesellschaft stellt. Eine Politik, in der Trüffelpasta und mit dem Porsche 200 km/h auf der Autobahn zu fahren als Freiheit definiert wird.
Nur zum Nachlesen und als kleine Anregung für Herrn Steffen und die FDP eine ganz hervorragend auf den Punkt gebrachte Definition von „progressiv“ von Dr.Franziska Meifort, die doch ganz prima zum FDP-Slogan „Mehr Chancen durch Freiheit“ passt:
„Progressive betrachten das Glas als halb voll, sie sehen die Chancen, den Wandel zu nutzen, um Verbesserungen für viele zu erreichen. Damit sehen sie Veränderungen nicht als Bedrohung, sondern als Grundvoraussetzung menschlichen Zusammenlebens an.
Für Konservative hingegen ist das Glas bereits halb leer, sie fürchten den Verlust und verwenden ihre Energie darauf, das Erreichte zu sichern. Diese Einstellung führt jedoch zur Beschränkung der Gestaltungsmöglichkeiten und der Bevorzugung bereits privilegierter Gruppen.
«Progressiv» heißt, etwas verändern und damit bewusst gestalten zu wollen. Im Progressiven steckt das Bekenntnis für eine selbstbestimmte, vernunftorientierte und optimistische Zukunftsgestaltung. Es ist ein Appell für eine Politik, die die Gesellschaft offenhält und Zukunftsvisionen entwickelt, die eine Verbesserung der Lebenschancen aller Bürgerinnen und Bürger zum Ziel hat.“
https://www.boell.de/de/2021/09/15/was-bedeutet-progressiv
Und dabei haben wir noch kein Wort über die Gefahr der gelben Null verloren!
Die FDP ist in der Regierung so überflüssig wie ein Kropf und verhindert aktiv, dass wir nach Jahren des Stillstandes nun endlich einen großen Schritt machen können, um unser Land zukunftssicher, moderner und progressiver auszurichten. Um die Freiheit für unsere Kinder zu sichern.
Schon einmal hat die FDP die Erneuerung unseres Landes vermasselt, als Herr Lindner meinte, es wäre besser „nicht zu regieren, als schlecht zu regieren“. Jetzt blockiert die FDP die Zukunft unseres Landes, in dem sie schlecht regiert.
Last – not least – muss man zu meinem großen Bedauern anmerken, dass SPD und Grüne der FDP diese Politik der 90er Jahre durchgehen lassen. Es wird Zeit, dass Scholz, Baerbock und Habeck endlich ein Machtwort sprechen und die Zukunftsverhinderer ausbremsen und auflaufen lassen.