Einen Augenblick sollten wir darauf verschwenden, den Schuldigen zu benennen: Es ist Wladimir Putin, der gegen die Ukraine Krieg führt und der uns mit seinem Erdgas erpressen will. Es ist nicht die böse SPD, nicht der schweigsame Bundeskanzler Olaf Scholz, auch nicht der Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen, der uns die böse Nachricht verkündete: Gas wird teurer, wir werden neben dem ohnehin teurer gewordenen Gas auch noch eine Gasumlage bezahlen müssen, um durch einen kalten Winter zu kommen. Wir dürfen Putin nicht nachgeben, lieber etwas mehr bezahlen und die Heizung runterdrehen, also etwas frieren, als dem Herrscher aus dem Kreml zu folgen. Der würde über uns nur lachen, wenn wir uns als unfähig erwiesen, zu sparen, zu verzichten.
Das alles sagt sich leichter, als es getan wird. Und es ist ja auch nicht leicht, vor allem nicht für jene, die ohnehin nur kleines Geld zu Hause haben. Wo sollen wir denn noch kürzertreten? fragen sie nicht zun Unrecht, wo das Geld hernehmen? Es ist nicht leicht für jene, die in einfachen Wohnungen leben, die nicht so gut gedämmt sind. Es kann ungemütlich werden für Millionen Haushalte- soziale Ungerechtigkeiten sind eingeschlossen. Der Kanzler hat betont, wir lassen niemanden allein, nicht den Bürger von nebenan und auch nicht den Gas-Unternehmer. Es werde Entlastungen geben, hat er gesagt, versprochen. Wir sollten ihn beim Wort nehmen. Es muss gezielt geholfen werden.
Mit Härten umgehen
Wir schaffen das, hat Angela Merkel 2015 gesagt angesichts des Flüchtlingsstroms, der auf Europa zurollte. Wir haben das geschafft und wir werden auch diesen Engpass, in den uns Putin treibt, lösen. Mehr Solidarität wagen! Das gilt auch hier. Putin weiß um unsere Abhängigkeit von seinem Gas, er will uns in die Knie zwingen, weil er meint, wir seien es nicht gewohnt, mit Härten umzugehen und Entbehrungen zu akzeptieren. In öffentlichen Gebäuden werden Heizungen gedrosselt, ihre Beleuchtungen über Nacht abgeschaltet. Sparen ist angesagt. Jeder soll sparen, der Kleine wie der Große. Es klingt zunächst wie eine gute Nachricht, wenn es heißt, die Gas-Speicher seien jetzt schon zu 75 Prozent gefüllt, also früher als geplant. Gut so, was aber nicht heißt, jetzt könnten wir alles wieder aufdrehen. Im Winter kann es eng werden, wenn es richtig kalt wird.
Der Staat muss es richten. Das hört man oft in diesen Tagen. Aber der Staat, das sind wir, die Bürgerinnen und Bürger, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die Wählerinnen und Wähler. Wir haben die Abgeordneten gewählt, die Parteien gestärkt oder geschwächt, die Ampel-Regierung mit Kanzler und Vizekanzler ist das Ergebnis unserer Wahl. Es ist müßig weiter darüber zu schimpfen, dass wir uns in eine zu große Abhängigkeit von russischem Gast begeben haben. Es ist passiert und alle waren dafür, dass so gehandelt wurde. Wir müssen jetzt damit leben und vorsorgen, dass wir unabhängiger werden, dass wir in andere Energien umsteigen können zum Beispiel in Wind- und Sonnenenergie, in Geothermie. Da muss mehr geschehen, müssen Hindernisse beseitigt werden, damit mehr und schneller investiert werden kann. Wir müssen mehr sparen, heißt auch verzichten, damit wir wegkommen von Putins despotischer Abhängigkeit.
Wehren gegen Autokraten
Mehr Solidarität wagen! Diese Gesellschaft muss zeigen, dass sie solidarisch ist, dass man sich gegenseitig hilft, unterhakt, wie es Scholz gesagt hat, ja, dass man Unterschlupf findet und selbigen auch notfalls gewährt. Wir müssen demonstrieren, dass wir uns zur Wehr setzen gegen Autokraten, dass wir unsere Demokratie verteidigen, weil sie uns viel wert ist mit all den Freiheiten, die wir haben, die aber nicht selbstverständlich sind. Wir müssen Putin und Co zeigen, dass wir nicht nur so über Werte reden, sondern dass wir dafür leben und kämpfen. Auch und gerade für eine bessere Umwelt, damit dieser Erdball lebenswert bleibt und unsere Kinder und Enkelkinder es als lohnend empfinden, diesen Planeten zu erhalten.
Wir erinnern uns an den US-Präsidenten John F. Kennedy, der seine Bürgerinnen und Bürger mit dem Satz belehrte: Frag nicht, was der Staat für dich tun kann, sondern frag, was Du für dein Land tun kannst. Dein Land, unser Land. Wir müssen anpacken, wir haben es in der Hand. Krempeln wir die Ärmel hoch, damit wir erledigen, was zu tun ist. Wir alle sind gefragt, Junge wie Alte, Männer wie Frauen. Warum eigentlich kein Pflichtjahr für die Gemeinschaft? Aber ein solches für alle, für Azubis, Studenten wie für Rentner. Generationen- wie schichtübergreifend.
Es gibt keinen Grund, in Panik zu geraten, weil wir etwas kürzer duschen sollen, vielleicht sogar mit kaltem Wasser, oder weil wir die Heizung um ein oder zwei Grad reduzieren sollen. Es gibt keinen Grund zur Panik, wenn Innenstädte autobefreit werden, wenn wir ein Tempolimit einführen sollen. Die Medien sollten umsichtiger kommentieren und nicht leichtfertig Unruhen herbeischreiben. Sie haben eine besondere Verantwortung zu tragen. Durch Putins Krieg hat Europa, hat Deutschland erstmals seit Jahrzehnten zu spüren bekommen, schrieb kürzlich Gesine Schwan, Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission in der SZ, „dass Demokratie, Rechts- und Sozialstaat und der Wohlstand, den sie ermöglichen, direkt in Gefahr sind, etwa bei der Energieversorgung. Diese harte Erfahrung lehrt uns: Wir alle leben in Abhängigkeit voneinander.“
Letztes Wort: Vom Bundeskanzler wünschte ich mir, dass er uns des Öfteren seine Politik erklärt, damit wir sie und ihn besser verstehen. Denn die vor uns liegenden Monaten könnten ungemütlich werden, weil die Politik ihren Bürgerinnen und Bürgern mehr abverlangt, als sie das gewohnt sind. Olaf Scholz muss sagen, warum was zu tun ist zum Nutzen dieses Landes und seiner Menschen.