Zur Ruhe kommt der Erzbischof der Kölner Diözese, Kardinal Rainer Maria Woelki, nicht. Vier gewichtige Kleriker des Bistums, die Stadtdechanten von Bonn, Düsseldorf, Köln und Wuppertal, haben ihn aufgefordert, unverzüglich Stellung zu nehmen zu Recherchen des „Kölner Stadtanzeiger“. Danach wird Woelki vorgeworfen, den Betroffenenbeirat der Missbrauchsopfer 2020 für seine Zwecke instrumentalisiert zu haben.
Jedenfalls war das die Taktik eines Strategiepapiers, mit dem PR-Berater dem Kardinal empfahlen, sein „Überleben“ zu sichern und den Beirat zu überreden, das erste kritische Gutachten der Münchner Anwaltspraxis Westphal Spilker Wastl über die Verstrickungen der Bistumsleitung bei der Vertuschung von sexualisierter Gewalt durch Priester abzulehnen und dem offensichtlich längst beschlossenen Neuauftrag an eine Kölner Kanzlei zuzustimmen. Mit „Emotionen, Glaubwürdigkeit und Echtheit“, so die Empfehlungen der PR-Berater, die für solche Ratschläge mit 820 000 Euro entlohnt wurden, solle Woelki das Gremium auf seine Seite bringen.
Wie „dressierte Schimpansen“ seien sie von Woelki und seinem Generalvikar Markus Hofmann überrumpelt und „durch die Manege getrieben“ worden, merkte bitter der damalige und längst zurückgetretene Co-Sprecher des Gremiums, Patrick Bauer, an.
Unisono fordern die wichtigsten Regionalgeistlichen den Kardinal auf, unverzüglich zu dem Bericht des „Stadtanzeiger“ Stellung zu nehmen. Wenn der Bericht stimme, „komme dies einer moralischen Bankrotterklärung gegenüber dem Betroffenenbeirat und allen Betroffenen gleich“, urteilte der Kölner Stadtdechant Robert Kleine.
Ähnlich der Bonner Stadtdechant Wolfgang Picken: „Sollte Kardinal Woelki die benannten Empfehlungen seiner PR-Berater wirklich umgesetzt haben, könnte das einen irreparablen Schaden an der Integrität des Kardinals hinterlassen und wäre nur noch schwer zu tolerieren.“
Picken ging auch auf ein weiteres höchst skandalöses Detail der „Stadtanzeiger“-Berichterstattung ein, nach dem Woelki versucht haben soll, einen renommierten Kirchen-Journalisten der FAZ zu beeinflussen. Der Kardinal soll ihn angerufen, mit Details gelockt und so versucht haben, die Berichterstattung zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Der Journalist ging nicht darauf ein. Für Picken Grund des Entsetzens über das Verständnis des Kardinals und seiner PR-Experten von Journalismus: „Solche zweifelhafte Methoden haben im Raum der Kirche nichts verloren. Sie vermitteln einen fehlenden Respekt vor der journalistischen Unabhängigkeit und offenbaren ein fragwürdiges Niveau der PR-Berater von Kardinal Woelki.“
Wohl wahr! Sollte der Tipp wirklich von der PR-Agentur stammen: Für solche halbseidene und zutiefst undemokratische Beratung ist jeder Euro aus dem Fenster geworfen. Erst recht 820 000 Euro, die die Diözese den Missbrauchsopfern hätte zukommen lassen sollen, statt das Image Woelkis weiter zu ramponieren.
Für das Verhalten des Kardinals und seiner Schleppenträger gegenüber den Missbrauchsopfern aber auch den Gläubigen der Diözese hat der „Stadtanzeiger“-Journalist Joachim Frank in einem Kommentar eine treffende Beurteilung gefunden: „Perfide“. Wie kein anderer Journalist sitzt Frank den Verfehlungen Woelkis mit seinen Recherchen im Nacken. Vom „medium magazin“ erhielt er für diese Hartnäckigkeit im Frühjahr die Auszeichnung als „Journalist des Jahres“. In der Laudatio lobte der renommierte Journalist und langjährige Leiter des Berliner FAZ-Büros, Günter Bannas, die Arbeit des ehemaligen Priesters Frank als Aufklärer im „Missbrauchsvertuschungsskandal“. Seine Berichterstattung habe Anerkennung weit über den Kölner und nationalen Raum hinaus. Selbst in Rom, so Bannas, hat „Frank einen Ruf wie Donnerhall“. Und das zu recht.