In Krisenzeiten macht sich unter windigen Zeitgenossen Goldgräberstimmung breit. Während der Gesellschaft im Kampf gegen die Corona-Pandemie Rücksicht zugunsten der Schutzbedürftigen abverlangt und ein dickes Paket an Schutzmaßnahmen auferlegt wurde, witterten andere das große Geschäft. Im Umfeld der Testzentren tat sich jede Menge krimineller Energie auf, mit der Betrüger Millionenbeträge ergaunerten.
Im Bereich der Beschaffung von Schutzmasken spielten sich mehrere Affären ab, in denen Politiker von CDU und CSU ihren persönlichen Vorteil suchten. Die Namen von Jens Spahn, Armin Laschet, Nikolas Löbel, Mark Hauptmann, Niels Korte und Melanie Huml tauchten in unterschiedlichen Konstellationen auf; außerdem gerieten die langjährigen CSU-Abgeordneten Georg Nüßlein und Alfred Sauter sowie Andrea Tandler, Tochter des ehemaligen CSU-Generalsekretärs Gerold Tandler ins Visier der Justiz.
Provisionen in Millionenhöhe flossen in die privaten Taschen von Mandatsträgern, und da dürfen sie auch bleiben. Strafbar waren die raffgierigen Deals zu Lasten der Steuerzahler nicht, wie der Bundesgerichtshof nun entschieden hat. Die ebenso schlichte wie unbefriedigende Begründung: Das Strafgesetzbuch erfasse dieses Vorgehen nicht.
Der Bundesgerichtshof hatte sich mit den Entscheidungen des OLG München zu den Machenschaften von Nüßlein und Sauter zu befassen und kam zum gleichen Ergebnis wie die Vorinstanz. Paragraf 108e StGB zur Bestechung und Bestechlichkeit von Abgeordneten erstrecke sich ausschließlich auf Vorgänge bei der Wahrnehmung des Mandats. Nüßlein und Sauter hätten „indes, indem sie die Gegenleistungen für die Gewinnbeteiligungen erbrachten, nicht ihr Mandat im Sinne dieses Strafgesetzes“ wahrgenommen.
Und: Allein die Vereinbarung zwischen den Beteiligten, dass sich der Mandatsträger bei außerparlamentarischen Betätigungen auf seinen Status beruft, um im Interesse eines Privatunternehmers Behördenentscheidungen zu beeinflussen, erfüllt dieses Merkmal nicht. Ebenso wenig genügt es, wenn das Parlamentsmitglied dazu die in dieser Funktion geknüpften Beziehungen zu Entscheidungsträgern der Exekutive ausnutzen oder sich seiner Amtsausstattung bedienen soll.
Der feine Unterschied bedeutet: Strafbar macht sich ein Abgeordneter dann, wenn er seine Stimme für Beschlüsse des Parlaments oder seiner Fraktion kaufen lässt; nicht strafbar ist es hingegen, wenn er seine Beziehungen als Mandatsträger nutzt, um ein einträgliches Geschäft anzubahnen und für einen solchen Freundschaftsdienst fürstlich honoriert wird.
Den Widerspruch zum allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden, der da zum Vorschein kommt, sieht der Bundesgerichtshof durchaus. Er stellt jedoch fest, dass „der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen hat, rein außerparlamentarische Betätigungen des Mandatsträgers zu erfassen. Das Korruptionsdelikt der missbräuchlichen Einflussnahme, das in zwei von der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen völkerrechtlichen Abkommen vorgesehen ist, hat er nicht in das deutsche Recht überführt.“
Den Gerichten seien daher die Hände gebunden. Sie dürften den Willen des Gesetzgebers nicht missachten, „selbst wenn die hier zu beurteilenden Handlungen ähnlich strafwürdig erscheinen mögen wie das vom Gesetz pönalisierte (unter Strafe gestellte/ Anm. d. Verf.) Verhalten“. In diesem Zusammenhang liest sich der folgende Satz wie eine Handlungsaufforderung an den Bundestag: Falls der Gesetzgeber eine Strafbarkeitslücke erkennen sollte, ist es seine Sache, darüber zu befinden, ob er sie bestehen lassen oder durch eine neue Regelung schließen will.
Das dürfte nicht nur die Antikorruptionsorganisation „Transparency International“ aufhorchen lassen, die schon vor der BGH-Entscheidung auf das „bedenkliche Schlupfloch“ hingewiesen hatte und beklagte: „Trotz der enormen Empörung nach Bekanntwerden der Fälle persönlicher Bereicherung konnten die betroffenen Abgeordneten am Ende strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden.“ Das Gesetz gegen Abgeordnetenbestechung müsse dringend nachgeschärft werden.
Auch in der Ampelkoalition wird die von SPD und Grünen angestrebte Verschärfung des Lobbyregisters Rückenwind erfahren. Geplant ist vor allem eine Erweiterung der eintragungspflichtigen Interessenvertretungen. Erfasst werden sollen danach auch Kontakte zu Ministerien schon ab der Ebene der Referenten. Die Unionsfraktion hatte sich in ihrer Regierungszeit lange gegen ein wirksames Lobbyregister gesperrt und erst unter dem Druck der Maskenaffären in ihren Reihen einer – unzureichenden – Regelung zugestimmt.
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