Hendrik Wüst, Nachfolger von Armin Laschet im Amt des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, macht kräftig Dampf auf seiner Wahl-Lokomotive. Doch Thomas Kutschaty, der Herausforderer und ehemalige Justizminister, holt mächtig auf im Rennen um die Landtagswahl am 15. Mai. Lange Zeit lagen die Sozialdemokraten ziemlich weit abgeschlagen hinten. Das hat sich inzwischen deutlich verändert, nachdem selbst viele SPD-Leute nicht geringe Probleme mit ihrem Spitzenkandidaten hatten.
Aufwind für die SPD?
In den vergangenen Monaten konnte die SPD in NRW von der stabilen Entwicklung der Bundespartei durchaus profitieren. Olaf Scholz gewann als Bundeskanzler zu Beginn seiner Amtszeit durchaus wachsendes Ansehen – ebenso wie die Vorsitzenden der Bundespartei Esken und Klingbeil. Der Berliner Rückenwind ist jedoch in jüngster Zeit wesentlich schwächer geworden. Olaf Scholz profilierte sich sowohl beim Thema Impfpflicht als auch bei der Waffenhilfe für die Ukraine im Krieg gegen Russlands Invasoren als Cunctator, als Zögerer ohne Führungswillen und Entscheidungskraft. Hinzu kommen mehr und mehr Probleme in der Innenpolitik: Die deutsche Wirtschaft schwächelt, der erwartete Aufschwung wird von Kostenexplosionen im Rohstoff- und Energiebereich, von Unterbrechungen der Lieferketten, vom Chip-Mangel, von Investitionszurückhaltungen und vielen anderen Unsicherheiten ausgebremst.
Die privaten Verbraucher leiden mehr und mehr unter der hohen Inflation. Sie spüren täglich den Anstieg der Preise für Nahrungsmittel, Benzin und Diesel, Strom und Heizöl. Sie verlieren viele Milliarden Euro durch die rund 7-prozentige Geldentwertung. Die Angst vor weiteren Wohlstandsverlusten macht sich in weiten Teilen der Bevölkerung breit, obwohl die Berliner Ampel-Koalition versucht, mit einigen Hilfen gegenzusteuern. Das Krisen-Management findet jedoch mehr Kritik denn Anerkennung, zumal auch hier die Kommunikation der Bundesregierung große Defizite aufweist. Das geht vor allem zu Lasten des Bundeskanzlers und auch der SPD, die nicht nur unter Druck seitens der Opposition steht. Grüne und Liberale gehen fast tagtäglich auf Distanz zu ihrem Regierungspartner und kritisieren zum Teil heftig Olaf Scholz und seine Genossen. Der CDU-Bundesvorsitzende und Oppositionsführer Friedrich Merz greift diese SPD-Schwächen geschickt auf und treibt die Ampel-Koalition mehr und mehr dazu, Farbe zu bekennen.
CDU und SPD in Umfragen gleich auf
Rund drei Wochen vor dem Wahltermin in NRW liegen die CDU und SPD in Umfragen ziemlich gleichauf: Jeweils 30 Prozent der Wählerinnen und Wähler bekunden ihre Absicht, eine dieser beiden Parteien am 15. Mai zu wählen. Im persönlichen Ranking führt indessen Hendrik Wüst, obwohl ihm der Mallorca-Trip seiner Umweltministerin Heinen-Esser auf die Füße gefallen ist. Die SPD versucht, das Flut-Debakel und das Missmanagement bei der Folgenbewältigung der Landesregierung voll und ganz anzulasten. Derweil treten andere Themen vielfach in den Hintergrund. Die positiven Entwicklungen die die CDU-FDP-Koalition in Düsseldorf in den vergangenen fünf Jahren angestoßen und umgesetzt hat, werden weitgehend unter Wert behandelt und beachtet. Das CDU-Wahlprogramm umfasst sage und schreibe 109 Seiten und wird wohl bestenfalls von Politprofis gelesen. Wichtiger wäre es, die echten politischen Erfolge kurz und bündig an Frau und Mann zu bringen sowie die Ziele für die Zukunft für jedermann verständlich darzulegen. Denn an innerer Sicherheit, Klimaschutz, Familien- und Wohnungsbaupolitik, Infrastruktur und Verkehr sowie Bildung herrscht durchaus großes Interesse beim Wahlvolk, das jedoch das CDU-Wahlprogramm nicht wie die Bibel studieren wird. Verständlich sollte Hendrik Wüst in aller Kürze erklären, wofür die CDU in Zukunft stehen wird und warum man sie denn wählen soll.
Starke Grüne
Mit 16 Prozent rangieren die NRW-Grünen in Umfragen an dritter Stelle, haben sich also stark verbessert und werden bei der Bildung der nächsten Landesregierung möglicherweise eine entscheidende Rolle spielen. Dagegen schwächelt mit 8 bis 10 Prozent die FDP, obwohl insbesondere der Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart bedeutende positive Entwicklungen in der Wirtschafts- und Energiepolitik in den letzten fünf Jahren initiiert hat. Pinkwart ist ohne Zweifel ein „Meister des Strukturwandels“, der in Regionen des Ruhrgebiets und des rheinischen Braunkohlenreviers positive Signale gesetzt hat. Völlig offen ist zur Zeit, welche Parteien nach dem 15. Mai zu einer Regierungsmehrheit zusammenkommen werden. Nach den aktuellen demoskopischen Befunden könnten CDU und SPD eine große Koalition bilden, wäre jedoch auch eine Ampel mit SPD, Grünen und FDP ebenso wie ein Jamaika-Bündnis mit CDU, Grünen und FDP möglich.