Es wird vermutlich noch dauern, ehe man hoffentlich sicher sein kann, dass keine rechtsextreme Partei im demokratischen Deutschland eine Zukunft haben wird. Die demokratisch verfasste „Bundesrepublik Deutschland“ hat durchaus Bedarf, sich noch fester demokratisch zu verankern Es bleibt leider offen, ob es gelingt, den braunen Terror als abscheulichen politischen Lieferanten auch in Zukunft immer wieder zurückzuweisen. Willy Brandt war es, der mit seinem historischen Kniefall vor dem Ehrenmal für die Toten des Warschauer Ghetto-Aufstands seiner Erschütterung Ausdruck gab. Mit seiner Ostpolitik arbeitete er Schritt für Schritt daran, den Kalten Krieg zwischen Ost und West zu beenden.
Rückschläge und manche Niedertracht waren dabei auch politisch oft nur schwer zu verkraften. Am 7. Mai jährt sich der Rücktritt Willy Brandts: 1974 trat er vom Amt des Bundeskanzlers zurück und übernahm die politische Verantwortung dafür, dass es der DDR gelungen war, den Stasi-Agenten Günter Guillaume im Kanzleramt zu platzieren. Ein Vorgang, der die Bundesrepublik erschütterte und den Brandt mit seinem Rücktritt quittierte. Willy Brandt blieb dennoch die Jahrhundertfigur, die es brauchte, um nicht in alle Zukunft den Bonner Reigen Adenauerscher Prägung zu tanzen. Vorher in West-Berlin, als er Regierender Bürgermeister war, war es um deutsch-deutsche Passierscheine gegangen, darum, in der Stadt die trennende Mauer für seine Bewohner etwas durchlässiger zu machen. Beim Berlin-Besuch des von Brandt bewunderten US-Präsidenten Kennedy („Wir grüßen nicht nur das Amt, wir grüßen auch den Mann“) begründete die umjubelte Ich-bin-ein-Berliner-Rede auch die Rolle Brandts als Hoffnung als politischer Hoffnungsträger.
Seine Politik der kleinen Schritte war es, die den großen Schritt zur Wiedervereinigung ermöglichte. Sie sicherte eine mehr als drei Jahrzehnte andauernde europäische Friedensordnung, die mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine ein jähes Ende fand. Krieg als Weg zur Durchsetzung politischer Ziele – damit hatte in Europa niemand mehr gerechnet. Man wünscht sich wieder eine sozialdemokratische Jahrhundertfigur wie Willy Brandt sie war. Der aktuelle Kanzler ist zwar Sozialdemokrat, doch es wird noch brauchen, ehe Olaf Scholz aus dem Schatten von Willy Brandt treten kann.
Brandt hatte es noch mit Konrad Adenauer zu tun, und das war einer, wie sich jetzt in freigegebenen Akten aus den Archiven von Bund und Ländern nachlesen lässt, der keine politischen Skrupel kannte. Er fand nichts dabei, mit „demokratisierten“ Nazis im Bunde, die SPD fast ein Jahrzehnt lang auszuspionieren. Es lohnt, diese Akten zu studieren, die nach einem halben Jahrhundert aus den Kellern der Geheimdienste nun ans Licht kamen.
Zu Recht erhielt Brandt 1971 den Friedensnobelpreis für „seinen wesentlichen Beitrag zur Entspannungspolitik in Europa“. Der Autor dieses Blogs hatte das Privileg, gut fünf Jahre für Willy Brandt als sein Sprecher, an seinen Reden und Büchern aus seiner Feder mitarbeiten zu dürfen. Danke.