Die Medien fallen über Bundespräsident Steinmeier und die ehemalige Kanzlerin Merkel her, weil sie 2008 zusammen mit dem damaligen französischen Präsidenten gegen eine sofortige Aufnahme der Ukraine in der NATO waren und weil die beiden deutschen Politiker Putin in den zurückliegenden Jahren (durchaus mit Erfolg) diplomatisch einzubinden versuchten. Nicht nur Jasper von Altenbockum, Berthold Kohler oder Konrad Schuller von der FAZ, die es immer schon besser wussten, sondern auch viele, die nicht „Kalte Krieger“ geblieben sind, sondern auf eine Entspannungspolitik mit Russland gebaut und auf ein friedliches und sicheres Europa hingearbeitet haben, sind seit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine umgeschwenkt. „Si vis pacem para bellum“– „Wenn Du Frieden willst, bereite dich auf den Krieg vor“, diese Parole bestimmt derzeit den öffentlichen Diskurs. Man wirft Putin zurecht vor, er habe internationale Verträge wie etwa das „Budapester Memorandum“ von 1994 gebrochen, ja noch mehr er habe die UN-Charta mit Füßen getreten und mit den Gräueltaten von Butscha auch das Kriegsrecht verletzt.
Weil Putin Verträge und Recht gebrochen habe, könne man mit ihm auch in Zukunft keine Verträge mehr schließen, weil man sich ja nicht darauf verlassen könne, dass er sie nicht erneut bricht. Die Ostpolitik, die Egon Bahr 1963 mit seiner Tutzinger Rede eingeführt hat und die von Willy Brandt als Kanzler umgesetzt wurde, die Wandel durch Annäherung oder Handel versprach, dass Vertragen nur durch Verträge möglich ist, all das gelte nicht mehr. Die Hoffnung, dass Russland Teil einer europäischen Friedens- und Sicherheitsarchitektur werden könne, sei zunichte gemacht worden. Es werde mit Russland unter Putin keine Rückkehr zur Normalität geben, bekennt Steinmeier im Büßergewand. „Um Gottes willen, dieser Mann kann nicht an der Macht bleiben“, ruft Joe Biden zum Abschluss seines Besuches in Polen aus. Da hilft es nicht viel, dass diese Drohung später vom Weißen Haus relativiert worden ist. Die Außenministerin Annalena Baerbock geht noch weiter und droht, dass mit den Sanktionen gleich ganz Russland „ruiniert“ werde.
Bei allem Entsetzen über die Gräuel des Krieges, was käme am Ende dabei heraus, wenn man mit Russland keine Verträge mehr schließen würde?
Man mache sich nichts vor: Auf absehbare Zeit wäre es mit großer Wahrscheinlichkeit Putin, mit dem man letztlich Abkommen oder Verträge schließen müsste. Zumindest ginge das nicht ohne seine Zustimmung.
Das Kalkül, dass die Russen selbst Putin zum Teufel jagen könnten, ist eher Wunschdenken.
Auch wenn es in den russischen Städten, unter jüngeren Menschen und unter den Intellektuellen Russlands beachtlichen Widerstand gegen Putin geben mag, so unterstützen verschiedenen Umfragen zufolge zwischen 50 bis 70 Prozent der russischen Bevölkerung (vor allem auf dem Land) diesen Krieg. Und es ist nicht nur in Russland so, dass ein Krieg dazu führt, dass sich die Bevölkerung hinter seine Führung schart.
Sanktionen werden Russland schaden, aber Putin nicht in die Knie zwingen
Sanktionspakte wie sie jetzt von den USA und Europa und von einigen anderen Ländern gegen Russland beschlossen wurden, hat es in diesem Umfang wohl noch nie gegeben, nicht einmal gegen Nordkorea oder gegen den Iran. Die Sanktionen werden der russischen Wirtschaft großen Schaden zufügen, aber Russland „ist militärisch autark, weil es Rohstoffe und Waffen im Überfluss hat…der Krieg wird mit unverminderter Härte weitergehen, wenn sich kein Moderator findet“, sagt der russlandkritische Historiker und Gewaltforscher Jörg Baberowski. Und die Enkelin von Nikita Chruschtschow, Nina Chruschtschowa, die als Professorin für Internationale Politik in New York lehrt und nach eigenen Worten eine Gegnerin Putins ist, fügt hinzu „Disney, Microsoft, McDonald’s – alle verlassen Russland. Es ist genau so, wie Putin sagt: Der Westen will uns an den Kragen. Und diese Botschaft ist jetzt viel wirkungsvoller geworden, weil die Russen es mit eigenen Augen sehen…(aber) Putin geht nicht zu McDonald`s, Putin nutzt kein Instagram“ . „Die Sanktionen werden die russische Wirtschaft in die Knie zwingen und sie werden weiter die Weltwirtschaft destabilisieren. Aber Sanktionen allein werden scheitern, werden nicht die Kämpfe beenden und nicht die Sicherheit der Ukraine sicherstellen. Sanktionen sind sinnvoll als Teil von Verhandlungen, aber nicht allein. Deshalb sollte der Westen sie beibehalten, bis ein Friedensvertrag unterzeichnet ist, dann aber aufheben“, sagt der amerikanische Ökonom Jeffrey Sachs (DIE WELT, 1. April 2022 S. 10; Siehe auch Astrov V. et al., Russia`s Invasion of Ukraine: Assessment of the Humanitarian, Economic and Financial Impact in the Short and Medium Term, Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche, Policy Notes and Reports 59, April 2022 )
Im Übrigen ist zu fragen, ob die Sanktionen nicht dem Westen – etwa ein Gasembargo uns in Deutschland https://os-rundschau.de/d-die-welt/wirtschaft-soziales/guenther-grunert-paul-steinhardt-finanzieren-wir-russlands-krieg-gegen-die-ukraine/ – mehr schaden würden https://www.ipg-journal.de/regionen/asien/artikel/so-blickt-china-auf-den-ukraine-krieg-teil-3-5838/, als dass sie Putin zu einer Korrektur seiner Geschichtslegende veranlassen könnten, wonach die Ukraine zum „eigenen historischen Gebiet“ https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-02/wladimir-putin-rede-militaereinsatz-ukraine-wortlaut gehöre. An die Dominoeffekte der Sanktionen wie etwa Nahrungsmittelengpässe oder gar Hungersnöte im armen Süden mag man gar nicht erst denken.
Wer sollte Russland von der Macht drängen können?
Gibt es in Russlands „Geheimdienst-Kapitalismus“ (so Durs Grünbein, Süddeutsche Zeitung v. 2./3. April 2022, S. 17 ; zur Einbindung Putins durch die postsowjetischen Sicherheitsanalysen, siehe Ukraine-Analysen Nr. 265, v. 28.03.2022, S. 4) überhaupt noch Institutionen oder Machtgruppen die Putin verdrängen könnten? In der Sowjetunion gab es wenigstens noch ein Zentralkomitee und ein Politbüro, die den Führer aus dem Amt befördern konnten. „Freie Wahlen würden allenfalls Kommunisten oder Faschisten an die Macht bringen, nicht die Liberalen… Man muss leider immer damit rechnen, dass es noch schlimmer kommen könnte, als es schon ist…denn demokratische Ordnungen beruhen auf Voraussetzungen, die der autoritäre Staat nicht einfach selbst erzeugen kann“, meint Russlandkenner Barbarowski.
Abzuwarten, bis vielleicht ein Stimmungsumschwung in der Bevölkerung oder unter den Putin unterstützenden oder ihn zumindest tolerierenden Oligarchen eintreten könnte, das wäre vielleicht für „den Westen“, zumal die USA – wie Jeffrey Sachs meint – eine Option, aber man muss kein Putin-„Versteher“ sein, wenn man die Ukraine nicht wie Afghanistan, Irak oder Syrien unter einem langanhaltenden grauenhaften Krieg leiden lassen möchte und am Ende nur Chaos übrigbleiben würde. „Es ist nicht hilfreich, Regimechange in Moskau zur Voraussetzung für einen neuen Dialog zu machen. Denn darauf würden wir möglicherweise sehr lange warten müssen“, meint der ehemalige EU-Kommissar Günter Verheugen https://www.nd-aktuell.de/artikel/1162663.eu-russland-konflikt-wir-muessen-bereit-sein-russland-wieder-die-hand-zu-reichen.html.
Militärische Abschreckung der NATO hat Putin nicht vom Angriff auf die Ukraine abgehalten
Die derzeit im Westen und auch in Deutschland im Vordergrund stehende Politik der militärischen Abschreckung durch militärische Aufrüstung mag auf Dauer dazu führen, dass sich Russland in einem neuen Rüstungswettlauf zu Tode rüstet und ökonomisch implodiert, wie einstmals die Sowjetunion, doch in naher Zukunft würde eine solche Strategie Putins Machtstellung nicht gefährden und damit würde das schreckliche Los der Ukrainer auf absehbare Zeit nicht erleichtert. Darüber hinaus: Egal ob man die Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI oder andere Berechnungen zugrunde legt, in jedem Falle sind die USA oder die NATO zusammen bei den Militäraufwendungen gegenüber Russland weit voraus. Bei dieser militärischen Übermacht hätte nach der Logik der Falken Russland eigentlich nie einen Krieg anfangen dürfen, setzt doch das Abschreckungs-Kalkül voraus, dass die Gegenseite keinen Krieg riskiert.
100 Milliarden Sondervermögen und 2% des BIP für Militär sind willkürliche Setzungen
Im Übrigen wird die Ankündigung in der „Zeitenwende“-Regierungserklärung vom 27. Februar 2022 von Bundeskanzler Scholz, dass man künftig die Verteidigungsausgaben auf 2 Prozent unserer Wirtschaftsleistung steigern und ein Sondervermögen Bundeswehr von 100 Milliarden einrichten werde, der komplexen Situation nicht gerecht, weil sie nicht aus einer Analyse für eine aktualisierte Strategie abgeleitet sind; die Zahlen sind nichts anderes als willkürliche Setzungen. Und wie jeder Haushälter weiß, werden einmal im öffentlichen Haushalt eingestellte Ausgaben auch ausgeschöpft, ob sinnvoll oder nicht.
Dass das Militär als Mittel der Politik nicht mehr als „ultima irratio“ (Willy Brandt 1971) angesehen wird, sondern wieder Akzeptanz gewinnt, ist die eigentliche Wende in der deutschen Politik. Kann man denn ernsthaft meinen, dass Russland die Ukraine nicht überfallen hätte, wenn Deutschland seit dem NATO-Gipfel in Wales 2014 jeweils 2 Prozent seines Bruttosozialprodukts für militärische Zwecke ausgegeben hätte? Hätte das Putin nicht eher zusätzliche Argumente für ein aggressives, die Sicherheitsinteressen Russlands missachtendes Verhalten des Westens geliefert?
Die Drohung mit dem Internationalen Strafgerichtshof kann Putin nicht erschüttern
Putin mag vom Internationalen Strafgerichtshof der Kriegsrechtsverletzungen, ja sogar des Völkermords angeklagt und verurteilt werden, das würde ihn jedoch – wie übrigens andere Herrscher, die im Krieg Verbrechen begangen haben – solange er an der Macht ist, nicht beeindrucken. Und wäre ein verurteilter, aber nach wie vor im Amt befindlicher Putin nicht erst recht gefährlich? Schmälert dies nicht sogar Putins Verhandlungsbereitschaft? „Das Interesse an strafrechtlicher Aufarbeitung und das Interesse an Frieden stehen da in Konflikt miteinander“, schreibt Ronen Steinke (in einem Kommentar der Süddeutschen Zeitung v. 06.04.2022, S.4) Es ist ohnehin die Frage, ob sich Russland von einer solchen Anklage beeindrucken ließe, ist es doch vom Ratifikationsverfahren des IStGH-Statuts zurückgetreten und unterliegt wie etwa die UN-Sicherheitsratsmitglieder USA und China nicht dem Rom- Statut.
Könnten die Ukrainer Russlands Armee zurückdrängen oder gar besiegen?
Putin bzw. das Umfeld, das er zur Beratung noch duldet, kalkulierten offenbar bei den Angriffen der russischen Armee im Norden von Belarus, im Osten von Luhansk und Donezk und im Südosten der Ukraine mit einer Art „Blitzkrieg“, der dieses Land unterwerfen oder den Staat zerschlagen sollte. Die Kriegsrhetorik, wonach Ziel der „Spezialoperation“ (so Putin in seiner Rede v. 21.02.2022) die „Demilitarisierung und Entnazifizierung“ und Neutralität der Ukraine sei, lässt darauf schließen, dass gegen die Invasion kein oder nur wenig Widerstand geleistet würde. Doch das Besiegen oder gar das Überlaufen der Ukrainer und die Installierung eines Marionetten-Regimes scheint – jedenfalls zunächst – gescheitert zu sein. Dieses Scheitern der russischen Strategie birgt die Gefahr einer Verlängerung und unermesslicher Gräuel dieses Krieges.
Solange Putin an der Macht ist und er das Schlachtfeld nicht sein Gesicht wahrend verlassen kann, dürfte der Krieg – in welchen Regionen der Ukraine auch immer – mit unerbittlicher Härte und unermesslichen Opfern fortdauern. Der „Westen“, aber auch Putin selbst, mögen die Schlagkraft der russischen Armee überschätzt haben, aber die militärischen Fähigkeiten Russlands dürften nach wie vor ausreichen, ein weiteres Zerstörungswerk anzurichten und größere Teile der Ukraine, vor allem entlang des Asowschen und des Schwarzen Meeres zu annektieren, so dass es ähnlich wie bislang entlang der Demarkationslinien zu den Separatistengebieten Luhansk und Donezk zu weiteren Stellungskriegen mit Tausenden von Toten käme. Ein Partisanen-Widerstand der Ukrainer könnte zu weiteren Massakern wie in Butscha führen, so wie alle Partisanenkriege zu Gräueltaten der Invasoren geführt haben.
Wenn sich ein gedemütigter Despot nicht sogar zu weiterer kriegerischer Eskalation etwa mit dem Einsatz von chemischen Waffen (wie in Syrien) oder gar zu „taktischen“ Atomschlägen hinreißen lässt, wäre zumindest ein zerstörerischer und entbehrungsreicher „Zermürbungs- oder Abnutzungskrieg“ die Folge. NATO-Generalsekretär Stoltenberg spekulierte erst kürzlich darüber, dass der Krieg noch „viele Monate oder sogar Jahre“ andauern könnte. Tod, Zerstörung, Vergewaltigung und Folter würden weitergehen.
Szenarien für ein Schweigen der Waffen
Will man den kriegerischen Auseinandersetzungen Einhalt gebieten, dann wäre die Vereinbarung eines Waffenstillstandes ein erster Schritt. Ein (robustes) Waffenstillstandsabkommen – möglicherweise garantiert durch mehrere Länder wie Frankreich, Großbritannien, den USA und Deutschland wäre ein erster Schritt. Man könnte alternativ oder ergänzend auch an eine Garantie durch die OSZE oder möglicherweise sogar durch die Vereinten Nationen (VN) denken. Die VN als Garant hätten den Vorteil, dass die Russische Föderation als ständiges Mitglied des Sicherheitsrates doppelt eingebunden wäre und auch China und Indien z.B. als Truppensteller für einen möglichen Blauhelmeinsatz in Frage kämen.
Ein optimistischeres Szenario wäre natürlich eine Verhandlungslösung in eine Richtung wie sie auch schon der ukrainische Präsident Selenskyj ins Gespräch gebracht hat. Vielleicht wäre unter Vermittlung von Deutschland, Frankreich, (auf Drängen der Ukraine ggf. der USA), der Türkei und/oder Israels etwa ein neutraler Status der Ukraine nach dem Völkerrecht mit einer robusten Garantie für die Einhaltung deren Souveränität, ein Sonderstatus des Donbass, der – wie im Minsker Abkommen verabredet – über eine regionale Autonomie hinausginge oder die Unterstellung von Luhansk und Donezk als UN-Mandatsgebiete, der Verzicht auf eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine und engere bilaterale Beziehungen zur EU ohne feste Mitgliedschaft denkbar. Die große Frage wird sein, wie weit Selenskyj bei Strafe seines eigenen Untergangs bei Verhandlungskompromissen gehen kann.
Es liegt im Interesse nicht nur der Ukraine, sondern der gesamten Welt: Der Krieg darf nicht länger die Politik bzw. die Diplomatie ersetzen
„Die Politik muss den Ausgang und die Folgen eines Krieges bestimmen und nicht die militärischen Kampfhandlungen“, stellt der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr und ehemalige Vorsitzende des NATO-Militärausschusses Harald Kujat zurecht fest. Und auch der frühere Botschafter und ehemalige Chef der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger hält daran fest: „Es gibt in keinem Krieg die kategorische Unmöglichkeit diplomatischer Lösungen“ und er hält es für schädlich, wenn westliche Politiker öffentlich darüber spekulieren, ob und wie man Putin eliminieren könnte. Es dürfe nicht zu einer Art Kriegseuphorie kommen. Je rascher der Krieg beendet werden könne, umso besser.
Mit wem anderem als mit Putin oder zumindest dessen Zustimmung könnten Abkommen oder Verträge denn zustande kommen
Schon um weitere Gräueltaten und ein Zerstörungswerk noch größeren Ausmaßes oder ein ökonomisches Aushungern der Ukrainer zu verhindern, muss Selenskyj, gegebenenfalls zusammen mit den eine diplomatische Lösung garantierenden Ländern sich mit Putin „vertragen“. Eines Tages wird wieder miteinander geredet werden müssen, und je eher, desto besser“, meint der ehemalige EU-Kommissar Günter Verheugen.
Es wird zu wenig über Strategien der Deeskalation nachgedacht
Es ist aus meiner Sicht beängstigend, wie sehr das Denken in Kategorien der militärischen Eskalation in der politischen und medialen Debatte in den Vordergrund gerückt ist und wie wenig über Strategien der Deeskalation diskutiert wird. Müsste man nicht auch darüber reden, ob man als diplomatisches Lockmittel die Sanktionen wieder (stückweise) zurücknehmen könnte, je nachdem wie weit Russland einlenkt? Könnte man nicht z.B. darüber nachdenken – wie 1979 beim Doppelbeschluss der NATO – die militärische Aufrüstung mit einer Rüstungskontrolle zu koppeln? Das Nachdenken über diplomatische Wege zu einem Schweigen der Waffen oder gar zu einem Friedensschluss könnte in jedem Fall zu kurzfristigeren Ergebnissen führen als der weitere Aufbau militärischer Abschreckung, der noch Jahre in Anspruch nehmen wird. Merkt der Westen eigentlich nicht, dass er in die gleichen imperial-nationalistischen Ideologien des 19. Jahrhunderts und in das Blockdenken des letzten Jahrhunderts zurückfällt wie Putin.
Man braucht Russland als Verhandlungspartner auch im Kontext der globalen Herausforderungen
Es wäre im Übrigen eine verengte Sichtweise, wenn man das Verhältnis der Welt zu Russland nur unter dem Blickwinkel des Krieges in der Ukraine betrachten würde. Man braucht Russland als Verhandlungspartner auch im Kontext der globalen Herausforderungen etwa hinsichtlich der Pariser Klimaziele oder der Nachhaltigkeitsziele der UNO. Zumal Russland neben den USA, China und Europa zu den größten CO-2-Emittenten zählt.
In Zeiten wieder zunehmender politischer, militärischer und auch ökonomischer Blockbildung – man denke nur an das gespannte Verhältnis der USA zu China – wird ein Aufbruch zu einer Rüstungskontrollpolitik und zu einer europäischen, ja auch zu einer globalen Sicherheitsarchitektur immer dringlicher. Auch ein solcher Aufbruch ist ohne Russland am Verhandlungstisch undenkbar.
p.s.: In meiner Argumentation stütze ich mich auf viele Argumente aus Gesprächen und Mail-Wechseln mit Christoph Habermann, Steffen Lehndorff, Reinhard Nowak, Witich Rossmann, Paul Schäfer, Dieter Schimanke u.v.a.m