Was einem in diesen Tagen so durch den Kopf geht. 1941 -da bin ich geboren- überfiel Hitler-Deutschland die Sowjetunion. Wehrmacht und SS leisteten ganze Arbeit, um Menschen zu töten und Städte und Dörfer zu vernichten, wie Hitler und Himmler es befohlen hatten. Sie kamen bis kurz vor Moskau. Durch Stalingrad drehte sich das Kriegs-Bild, die Rote Armee besiegte Hitlers Soldaten. Dann, nach dem Krieg, in dem die Sowjetunion bis zu 27 Milllionen Tote, darunter acht Millionen Ukrainer zu beklagen hatte, wurde der Russe zum Besatzer, zum Bösen. Pankow, das war das Vorzimmer von Moskau. Am 17. Juni 1953 scheiterte ein erster Aufstand in der DDR an den Panzern der Sowjets. 1956 versuchten es die Ungarn gegen die Übermacht im Warschauer Pakt, vergeblich, Millionen Ungarn flohen in den Westen. 1968 ein ähnliches Bild in der CSSR, wieder stoppten Panzer freiheitsbewegte Tschechen. Dazwischen 1961 der Bau der Berliner Mauer, mit Willy Brandt kam Entspannung in die deutsch-sowjetischen Verhältnisse, es folgten Verträge, Geschäfte-Wandel durch Annäherung- die KSZE-Schlussakte von Helsinki. 1988 schließlich Michail Gorbatschow, mit Glasnost und Perestrojka.
Ich erinnere mich noch gut, als ich als Bonner Korrespondent der Augsburger Allgemeinen „Gorbi“, wie ihn die Fans in Deutschland begeistert feierten, begleitete auf seinem Weg durch die Republik. Was war das für ein Fest in Bonn, dann in Dortmund bei Hoesch?! Die Sowejtunion löste sich 1991 „als Subjekt des Völkerrechts zu bestehen“ auf. 2002 begleitete ich Bundespräsident Johannes Rau auf einer viertägigen Reise nach Moskau. In Nowgorod legte Rau gemeinsam mit einem ranghohen russischen Regierungsvertreter, dem Gouverneur Michail Prussak, einen Kranz auf dem deutschen Soldatenfriedhof Pankowka nieder. Eine mehr als freundliche Geste der Russen Richtung Berlin. Rau war sichtlich bewegt. Eine solche Freundschaft sei möglich geworden „durch die Politik der offenen Türen und der offenen Gespräche“. Es gab Gespräche mit Russlands Präsidenten Putin, eine freundliche Atmosphäre begleitete den gesamten Besuch. Journalisten wurden durch den Kreml geführt, besichtigten das Arbeitszimmer von Putin. Ein Jahr zuvor war Putin im Reichstag aufgetreten, hatte eine Rede gehalten, vom europäischen Haus gesprochen, in dem Russland ein Zimmer wünschte. Standing Ovations nach der Rede.
Brüder, die mit Waffen kommen
Und jetzt das! „Brüder, die mit Waffen kommen“, überschrieb die SZ eine Reportage des früheren „Zeit“-Korrespondenten in Prag und Moskau, Christian Schmidt-Häuer. In diesem Stück Zeit-Geschichte lässt der Autor all die Jahre Revue passieren, vom Prager Frühling, über Kabul, Grosny(Tschetschenien) bis zur Auflösung der UdSSR 1991. Die Reportage endet mit der Begegnung von Christian Schmidt-Häuer mit Wladimir Putin 1994 bei der Tagung des Bergerdorfer Gesprächskreises der Körber-Stiftung in St. Petersburg. Schmidt-Häuer war dort als Referent aufgetreten und hatte, dies beschreibt er in der Geschichte, die Ansicht vertreten, die neue russische Führung unter Boris Jelzin habe „die Auflösung der Sowjetunion ohne jeden Gedanken an eine künftige russische Außenpolitik betrieben.“
Nach dem Mittagessen habe sich ein Mann zu Wort gemeldet, der stellvertretende Bürgermeister von St. Petersburg, ein gewisser Wladimir Putin, der den meisten Teilnehmern des Treffens unbekannt gewesen sei. Und dieser Putin habe in einem scharfen, fast aggressiven Ton den Journalisten Schmidt-Häuer direkt angegriffen und die Rolle der 25 Millionen Auslandsrussen hervorgehoben. Schmidt-Häuer zitiert diese Geschichte aus der Putin-Biografie von Alexander Rahr im Jahr 2000. „Diese Menschen lebten jetzt teilweise auf Territorien, die historisch immer zu Russland gehört hätten, wie die Krim und Nordkasachstan.. Die Auslandsrussen müssten aber in den neuen unabhängigen Staaten anständig behandelt werden. Sie benötigten eine doppelte Staatsbürgerschaft. Und die Weltgemeinschaft muss jetzt auch um des globalen Friedens willen die berechtigten Interessen des russischen Staates und des russischen Volkes als einer großen Nation achten.“ So Putin damals, so steht es in der SZ-Geschichte, so habe es Alexander Rahr in der Biografie aufgeschrieben, was „westliche Teilnehmer im Saal zusammenzucken ließ. Heute wissen wir, warum“. So Christian Schmidt-Häuer.
Wir haben uns getäuscht
Haben wir uns alle getäuscht in Putin, hat er uns hinters Licht geführt? Das „Zurück zur Sowjetunion“ war sein Ziel schon immer oder ist es entstanden aus einem Gefühl der Enttäuschung über den Westen, aus einer Wut heraus über einen US-Präsidenten wie Obama, weil er Russland nur noch als eine Regionalmacht bezeichnet und damit ihn, Putin, beleidigt hatte? Deshalb der Krieg, der mit der Annexion der Krim begann. Russlands Diktatur zieht gegen die westliche Demokratie zu Felde? So las ich es im Tagesspiegel, so haben es andere auch zugespitzt. Putins Treiben richte sich gegen den gesamten Westen, gegen unsere freiheitliche Demokratie. Diese Freiheit ist ihm wohl suspekt, weil zu nahe gekommen, sie könnte ansteckend wirken. Wenn das stimmt, waren die jüngsten Anschläge in der Nähe der polnischen Grenze auf ukrainische Ziele vielleicht Absicht? Um zu provozieren? Die nächsten Granaten könnten dann -rein zufällig- auf polnischem Gebiet einschlagen, also auf Nato-Gebiet? Würde dann Artikel 5, Nato-Statut, gelten? Wären wir dann im Krieg, die Nato gegen Russland, weil Polen als Mitgliedsland der westlichen Allianz von Russland angegriffen wurde?
Der Kriegstyrann zeigt sein wahres Gesicht, in dem er Bomben fallen lässt auf ukrainische Städte, Krankenhäuser Wer Bilder von Grosny gesehen hat oder von Syrien, muss Schlimmstes befürchten, muss damit rechnen, dass er Kiew zerstören, plattmachen will. Wenn Leute Recht haben, die meinen Putin zu kennen, sei es dem inzwischen egal, mit welcher Brutalität der Krieg geführt werde, es seien ihm auch die Bilder von Särgen mit russischen Soldaten gleichgültig. Putin wolle die ganze Ukraine.
Zurück in die Sowjetära
Russland, schreibt Robert Ide im Tagesspiegel, „will sich in die Sowjetära zurückbomben.“ Diese Wahrheit müsse sich gerade Ostdeutschland eingestehen, so der Leitartikler. Nicht nur die „Ossies“, ergänze ich hier, wir alle müssen uns das eingestehen, wenn das Ziel Putins ist, die gesamte Ukraine zu unterwerfen. Als wenn man mit Bomben Menschen gewinnen könne! Die Menschen in Kiew und Lemberg und Charkiw und Mariupol werden sich wehren, der Westen wird sie mit Geld und Waffen unterstützen im ungleichen sogenannten Bruderkampf. Denn natürlich ist die Weltmacht Russland militärisch der Ukraine haushoch überlegen, was aber nicht heißt, dass dieser Blitzkrieg ohne Probleme für den russischen Aggressor verläuft. Aber wenn stimmt, wenn wir mit diesem Schlimmsten rechnen müssen, wären alle Gespräche, die Putin angeblich anbietet, ohnehin nur vorgeschoben, dann will er nur den Sieg über die Ukraine. Dann will er keinen Waffenstillstand, er will die Kapitulation von Selenskyj. Was so einfach nicht scheint. Zumal die Sanktionen des Westens greifen, der Rubel im freien Fall ist. Und wie wird sich die russische Kriegsmaschinerie weiter entwickeln, wenn nicht nur die Deutschen, aber die vor allem auf russisches Gas und Erdöl verzichten? Kann Putin ohne Weiteres auf die vielen Milliarden Euro, mit denen er seinen schmutzigen Krieg finanziert, verzichten? Oder würde er zum Äußersten greifen, dem nuklearen Krieg, wenn der russische Staatsbankrott drohte, wenn er den Krieg nicht gewinnen würde?
Wenn er spürt, dass auch seine russischen Landsleute diesen Krieg gegen das einstige Bruderland nicht wollen? So beschreibt es Reinhard Krumm im ipg-Journal. Krumm war viele Jahre für die Friedrich-Ebert-Stiftung in Moskau, er leitet das FES-Büro für die Baltischen Staaten in Riga. Sein Fazit: Es könnte in der russischen Gesellschaft erneut dazu kommen, „dass für den Staat nicht das Ausland die größte Bedrohung darstellt, sondern das eigene Volk“. Das letzte Mal hatte der Generalsekretär der KP und Geheimdienstchef der Sowjetunion Jurij Andropow 1983 Ähnliches befürchtet- also zwei Jahre vor der Perestrojka und acht Jahre vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Er schrieb, dass sein Staat sein eigenes Volk nicht kenne. Sollte Wladimir Putin in seiner Ausbildung diesen Gedanken seines Geheimdienst-Kollegen überlesen haben.“