Als Olaf Scholz vor ein paar Tagen im Berliner Reichstag in seiner Aufsehen erregenden Rede über den Krieg des russischen Autokraten Wladimir Putin gegen die Ukraine erklärte, seine Regierung werde ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro anlegen zur Stärkung und Verbesserung der Bundeswehr, bekam er viel Beifall- auch von der Unions-Opposition. 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr, endlich mal ein starkes Signal Richtung unserer Soldaten, der Bündnisfähigkeit Deutschlands, die Kritiker in Zweifel gezogen hatten. Ein Signal von einem SPD-Kanzler, der in seiner Jugend nicht gedient hatte, unterstützt von einer Ampel-Koalition mit Grünen und der FDP. Donnerwetter, waren die Bundeswehr-Freunde nahezu entzückt, während Zweifler fragten, woher denn das Geld genommen werde. Die Grünen, gewiss keine Bellizisten, sondern eher Pazifisten, nahmen es hin, die Liberalen, stets um ihren Ruf bemüht, keine Schulden zu machen, applaudierten brav. Scholz hatte erreicht, was er wollte: in die Offensive, Führungsstärke zeigen. Der Krieg ist schließlich nur eine gute Flugstunde von Berlin entfernt. Seine Kanzlerschaft, obwohl zu dem Zeitpunkt gerade erst 80 Tage alt, hatte früh viel einstecken müssen, weil der Kanzler sich bedeckt hielt, nicht präsent wirkte, inhaltlich nicht auf dem Platz.
Die Bundeswehr ist eine Verteidigungsarmee. Sie greift niemanden an, aber sie muss bereit stehen für den Fall, dass an der Grenze irgendein Feind auftaucht, der Deutschland angreifen will. Deutschland ist Mitglied der Nato, die westliche Allianz hat wie die Bundeswehr einen defensiven Auftrag. Artikel fünf der Nato-Satzung enthält den Bundnisfall, heißt: wenn jemand ein Mitglied der Nato angreift, wird dieses Land von der Nato verteidigt. Deshalb greift die Nato nicht in den Krieg gegen Russland ein, die Ukraine ist kein Nato-Mitglied. Anders sieht es bei den baltischen Staaten aus, die eine gemeinsame Grenze mit Russland haben und die früher zum Warschauer Pakt gehörten. Estland, Lettland und Litauen wurden durch die zweite Nato-Osterweiterung 2004 Mitglied der westlichen Allianz. (Wie übrigens auch Bulgarien, Rumänien, die Slowakei und Slowenien. Polen, Tschechien und Ungarn waren schon 1999 Nato-Mitglieder geworden. Albanien und Kroatien folgten 2009, Montenegro und Nordmazdenien 2017 und 2020.)
Alles auf den Prüfstand
Die Bundeswehr hat- und das ist seit längerem bekannt- viele Probleme. Ich benenne sie in einer Art Volkshochschul-Weisheit: zuviele Flugzeuge und Hubschrauber im Dienst der Bundeswehr fliegen nicht, Panzer rollen nicht, Gewehre schießen nicht so, wie sie es eigentlich sollten. Und dann hörte man noch, dass es selbst an der warmen Unterwäsche mangele. Mängel, die man mit Geld beheben kann, sage ich mal. Nun wäre es an der Zeit, dass Experten sich an die Arbeit machten, das nicht funktionierende militärische Gerät auf den berühmten Prüfstand zu stellen. Frage: Brauchen wir all das, was irgendwo in der Werkstatt steht? Dazu wäre eine Strukturanalyse der Verteidigungsaufgabe der Bundeswehr nötig. Frage also: Wo und wie muss die Bundeswehr das Land verteidigen? In der Luft, zu Wasser, am Boden. Wo steht der Feind? Wer ist der Feind? Nach Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine und Drohungen, notfalls nuklear zuzuschlagen, ist der Feind ermittelt. Aber die nukleare Verteidigung hatten wir wohl nicht mehr auf dem Schirm. Ob dies durch die Amerikaner geleistet wird? Wie sieht es mit Frankreich und Großbritannien aus?Kann die Bundeswehr ihrer Aufgabe als Mitglied der Nato im Verteidigungsfall gerecht werden?
Die eigentlichen Schwierigkeiten der Bundeswehr seien mit Geld allein nicht zu lösen, betonen Militärkreise. Sie führen an, dass die Bundeswehr vor allem ein personelles Problem habe. Aus der Generalität wurde vor Jahr und Tag schon darauf hingewiesen, dass die Bundeswehr zu klein sei. Heißt: 230000 Mann sei die absolute personelle Untergrenze, um handlungsfähig, will sagen, verteidigungsfähig im Sinne ihres Auftrags zu sein. Die Bundeswehr hat rund 180000 Mann. Jede fünfte Stelle oberhalb der Mannschafts-Dienstgrade sei nicht besetzt. Experten führen diesen Mangel auf die Abschaffung der Wehrpflicht zurück, weil es seitdem für Freiwillige keine attraktiven Stellen mehr gebe. Der frühere Verteidigungsminister Jung(CDU) hat kürzlich in einem Interview betont, er hätte die Wehrpflicht nicht auslaufen lassen. Heißt dann, dass das Sache des Nachfolgers von und zu Guttenberg(CSU) gewesen sein muss. Und die Kanzlerin Angela Merkel? Sei an der Wehrpflicht nicht interessiert gewesen. Überhaupt habe sie vieles schleifen, will sagen laufen lassen, betonen diese Kreise.
Beschaffungs-Management
Ein besonderer Fall ist nach Meinung von Fachleuten das Beschaffungsmanagement der Bundeswehr in Koblenz. Dort fehle es an Ingenieuren und Technik-Experten, die die Qualität militärischer Geräte bewerten könnten. So sei neues Material angeschafft, aber bestehendes nicht ausreichend gewartet und repariert worden. Wörtlich heißt es aus Militärkreisen: „Die Bundeswehr hat das im Haushalt bereit gestellte Geld gar nicht ausgeben können. Mit der Folge, dass einiges in den Gesamtetat zurückgeflossen ist.“
100 Milliarden Euro sind eine Menge Geld. Ob sie der Bundeswehr kurzfristig helfen können, bestreiten Fachleute. Kurzfristig könne man vielleicht Unterwäche kaufen, aber nicht militärisches Gerät. Man müsse bedenken, dass die Bundeswehr eher einem schwerfälligen Tanker gleiche denn einem Schnellboot. Den Kurs eines Tankers könne man nur langfristig und behutsam verändern.
Der neuen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht(SPD), seit dem 8. Dezember letzten Jahres im Amt, stehen schwierige Monate, wenn nicht Jahre bevor. Mit Geld allein seien die Schwierigkeiten nicht aus dem Feld zu räumen. Die Frage sei zudem, ob es so einfach sein werde, den Anteil des Wehretats von zur Zeit unter 1,5vh( 2021: 46,9 Milliarden Euro) am BruttoinlandsproduktBIP) auf zwei Prozent und darüber zu erhöhen, wie das Olaf Scholz in seiner Rede im Reichstag ebenfalls unter dem Beifall vieler Abgeordneter betont hatte. Die 2vh-Größe, betonen Experten, sei kein Beschluss der Nato, sondern nur eine Absichtserklärung gewesen. Es gehe auch hierbei um viel Geld, das an anderer Stelle fehlen werde, wie zum Beispiel im sozialen Bereich, oder beim Klimaschutz.