Das Coronavirus hat uns in den letzten zwei Jahren in unerwarteter Weise in Wirtschaft und Gesellschaft durchgeschüttelt. Die Politik hat vieles richtig gemacht, aber in der Krisenkommunikation kläglich versagt. Noch schlimmer: Im Hinblick auf die enormen Defizite in der digitalen Infrastruktur (z.B. Schulen, Gesundheitsämter) und der Personalnot im Gesundheitsbereich ist fast nichts passiert. In zwei Jahren!
Zu Beginn der Pandemie gefielen sich die Politik und Medien darin, die „Klatschevents“ für das medizinische Personal zu bejubeln. Die Politik war damit zufrieden und der Gesundheitsminister Spahn sah die Sache damit als weitgehend erledigt an. Ein fataler Irrtum, wie sich immer deutlicher zeigt. Die Belastung in den Krankenhäusern ist deutlich größer geworden. Es fehlt immer mehr Personal an allen Ecken und Enden. Medienwirksam inszenierte Personalimporte aus Mexiko oder Asien erwiesen sich als weniger als ein Tropfen auf den heißen Stein.
Auch in der Altenpflege hat sich die Situation verschärft. Die Arbeitsbedingungen für Pflegerinnen und Pfleger sind gekennzeichnet von zermürbender Dauerbelastung, enorm hohem Stress und physischer Überlastung, meist einer 6 Tage Woche, Zusatzschichten und Überstunden. In manchen Einrichtungen sind Pflegekräfte für bis zu 30 Patienten zuständig, in den Nachtschichten ist das Verhältnis an etlichen Orten 1:50! Fahrlässig und unentschuldbar. Die Leistungsgrenzen sind in nicht akzeptabler Weise überschritten. Und die Versorgung der Kranken und Pflegebedürftigen kann nicht in Übereinstimmung mit Mindeststandards geleistet werden. So ist Pflege nicht mehr human leistbar.
Es fehlt an Geld, Organisation und an wirksamen Konzepten. Und vieles scheitert an bürokratischen Hürden. Gut ausgebildeten Fachkräfte aus der EU scheitern an kommunaler Kleingeistigkeit und überflüssige Bürokratie, wochenlangen Anerkennungsverfahren, die aufgrund des EU-Rechts eigentlich vollkommen überflüssig sind und an z.T. irrwitzigen Sprachhürden. Auch in der Türkei gibt es z.B. ein unglaublich hohes Potential an sehr gut ausgebildeten Menschen in Gesundheitsberufen. Hier fehlt auf deutscher Seite einfach der Wille an schnellen und schnell wirksamen Lösungen. Der Amtsschimmel wiehert lauter als je zuvor. Währenddessen wird die Solidarität der Pflegenden schamlos ausgenutzt. Das wird sich auf lange Sicht bitter rächen. Und in der häuslichen Pflege sieht es fast noch düsterer aus. Warum hier in zwei Jahren Pandemie fast nichts passiert ist, muss als fahrlässig bezeichnet werden.
Nun hat die Regierung gezeigt, was ihr die Pflege wert ist. Anfang des Jahres wurden hohe Erwartungen geweckt und ein steuerfreier Bonus bis zu 3.000 EURO je Pflegekraft in Aussicht gestellt. Jetzt ist die Katze aus dem Sack: Der in dieser Woche schon vorab öffentlich gewordene Entwurf aus dem Hause Lauterbach sieht vor, den in der Altenpflege Beschäftigten max. 550 EURO als Corona-Bonus zu gewähren, zumindest sofern Corona-Patienten gepflegt wurden. Insgesamt sieht das Paket hier eine Summe von 500 Millionen vor.
Weitere 500 Millionen Euro gehen an Krankenhäuser, die im Jahr 2021 mehr als zehn Covid-Beatmungsfälle behandelt haben. Die Krankenhäuser, die rund 95 Prozent aller Corona-Patienten versorgten, würden dem Entwurf zufolge von der Bonuszahlung profitieren. Das sind 837, also etwa die Hälfte der Kliniken in Deutschland. Dennoch, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Pflegebereich in diesen Kliniken, geschätzt ca. 280.000 können sich über einen deutlich höheren Bonus freuen. Das wären durchschnittlich ca. 1.800 EURO pro Kopf. Bis zu 3.000 EURO können steuerfrei gezahlt werden. Auch Ärzte sollen übrigens aus diesem „Topf“ bedacht werden. Die Verteilung soll auf der Ebene der Krankenhäuser in Eigenverantwortung vorgenommen werden. Zwietracht ist damit vorprogrammiert.
Für die Altenpflege ist der in Aussicht gestellte Bonus eine sehr große Enttäuschung. Nicht mehr als ein Trostpflaster, sagt der Präsident der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz, Markus Mai.
Und das ist noch deutlich geschönt. Es sollte eigentlich ein Dankeschön der Politik werden, um die herausragenden Leistungen der Pflegekräfte in der Corona-Krise zu würdigen. Das ist ziemlich misslungen. Denn wenn man den Höchstbonus für Altenpflegerinnen und Pfleger einmal umrechnet, so entspricht das bei fast 500 Arbeitstagen für Vollzeitbeschäftigte in Pandemiezeiten gerade mal 1 EURO pro Tag! Wertschätzung sieht anders aus!