Gelähmt und verstört waren die Mitglieder von CDU und CSU nach der letzten Bundestagswahl von der Regierungsleiter gefallen. Viele waren völlig desorientiert angesichts des matten Wahlkampfs, tief enttäuscht über den Spitzenkandidaten Armin Laschet und die unzähligen Fehler, die er, sein Team und sein Generalsekretär gemacht hatten. Geradezu eklatant war, dass kaum noch jemand verstand, wofür die Union politisch stand, was und wohin sie wollte.
Stolperstart der Ampel
Nach der Wahl des neuen CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz mit einem überzeugenden Superergebnis, schöpfen die Unionschristen deutlich vernehmbar wieder Luft. In den Gliederungen, den Orts- und Kreisverbänden ist neue Hoffnung zu vernehmen. Die Lethargie scheint überwunden, Mut und Freude an der politischen Auseinandersetzung sind deutlich festzustellen. Der Stolperstart der Ampelregierung sorgt dafür, dass fast täglich der größten Oppositionspartei die Bälle zur Offensive geradezu zufliegen.
Partei- und Fraktionsvorsitz in einer Person
Die derzeit gewiss nicht wichtigen Umfragen sehen die Union im Aufwind, während die Regierungsparteien deutlich an Zustimmung verlieren. Der CDU trauen die meisten Bürgerinnen und Bürger inzwischen auch wieder eine höhere Kompetenz für die Lösung der Probleme zu. Zu diesem Stimmungsaufschwung hat ohne jeden Zweifel Friedrich Merz im Alleingang beigetragen. Seine Reden, Auftritte im Fernsehen und in Parteiveranstaltungen werden beachtet. Er ist eloquent, schlagfertig und kenntnisreich. Trotz seiner langen Pause in der aktiven Politik ist er wieder mitten drin im politischen Geschäft – in vielem noch erfahrener und abgewogener. Zugleich macht er deutlich, welche Rolle die CDU in der Opposition zu spielen hat.
In Kürze wird Friedrich Merz auch an die Spitze der CDU/CSU-Fraktion rücken. Seine Vorgänger Volker Kauder und Ralph Brinkhaus waren nicht schlecht: Vor allem in der Regierungszeit der Union hielten sie die Fraktionstruppe gut zusammen. Allerdings waren sie dabei allzu treue Diener ihrer Herrin Angela Merkel, die sie beim Frühstück im Kanzleramt auf die von ihr vorgegebene Linie einschwor. Viel Spielraum für die Fraktion blieb da nicht – zumeist nicht einmal für eine lebendige und offene Diskussion.
Mobilisierung der Abgeordneten
Friedrich Merz wird an seine Zeit als Fraktionschef, die er vor etwa 20 Jahren beitritt, anknüpfen. Er folgte damals auf Wolfgang Schäuble, der wegen der Auseinandersetzung um die Schreiber-Spende mit Brigitte Baumeister seinen Rückzug antreten musste. Schäuble versuchte sich als Zuchtmeister der Fraktion, der ohnehin alles besser wissen wollte und jeden Widerständler in den Reihen der Bundestagsabgeordneten ironisch und hämisch zurückwies. Dagegen erwies sich Friedrich Merz als sehr aufgeschlossen, ließ lebendige Diskussionen zu und war offen für gute Vorschläge und Ideen seiner Fraktionskollegen.
Reform der Parteistruktur
Friedrich Merz ist für die Union ein wahrer Mutmacher. Es ist richtig, dass er die Spitze der Partei einnimmt und die Struktur der Konrad-Adenauer-Hauses verändert. Der neue Generalsekretär muss dabei eine bedeutendere Rolle spielen als sein unbedarfter und unerfahrener Vorgänger aus Iserlohn. Die Neubesetzung des CDU-Präsidiums und – Vorstandes kann zur Profilierung der Partei viel beitragen und insbesondere mit fach- wie sachkundigen Beiträgen bei den Wählerinnen und Wählern einen positiven Eindruck machen.
Merz wird als Oppositionschef im Bundestag bei den großen Debatten auftreten und die Union als gute, möglichst als bessere Alternative zur Regierung darstellen können. Allerdings gilt es, dass er die Partitur für die anderen Granden auch in den Bundesländern vorgibt und alle danach mit gewissen Variationen spielen. Das muss für die Politik gegenüber Russland ebenso wie für die Bewältigung der Corona-Krise gelten. Vor allem muss Friedrich Merz den Gleichklang von CDU und CSU einfordern. Der CSU-Chef Markus Söder gefällt sich immer wieder auf’s Neue als eigenwilliger und unkalkulierbarer Solist, sorgt damit jedoch stets für bundesweite Verwirrung auf hohem Niveau.
Erste Meilensteine: Vier Landtagswahlen
Die in diesem Jahr anstehenden vier Landtagswahlen stellen die ersten Realproben für Friedrich Merz und seine runderneuerte CDU dar. Weder im Saarland noch in Schleswig-Holstein und schon gar nicht in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen sind Siege der CDU vorprogrammiert. Bei den meisten Umfragen liegen derzeit CDU und SPD mehr oder weniger gleich auf. Bei den Möglichkeiten, Mehrheiten zu bilden, könnte es für die SPD bei knappen Ergebnissen größere Chancen zur Regierungsbildung geben. Entsprechende Veränderungen im Bundesrat würden der Ampel in Berlin ein Durchregieren deutlich erleichtern. Mit Merz hat sich die Ausgangslage für die CDU indessen wesentlich verbessert: Seine Vorgaben und Vorlagen werden jedoch nur zu Erfolgen, wenn die gesamte Partei wieder neue Kräfte in den Wahlkämpfen mobilisiert und in die Offensive geht. Ein Mutmacher ist gut, viele Mutmacher sind auf jeden Fall noch besser.
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