Was für ein jämmerliches Geschwurbele sonderte SPD-Chef Lars Klingbeil am Montagabend in den ARD-Tagesthemen ab. Moderator Zamperoni konnte sich noch so wacker bemühen, Klingbeil vollführte immer weiter seinen Eiertanz und behauptete dann auch noch, er habe sich doch ganz eindeutig geäußert. Thema war die Haltung der Sozialdemokraten im Ukraine-Konflikt nach dem Spitzentreffen führender SPD-Politiker, das eigentlich Klarheit schaffen sollte. Es blieb beim „eigentlich“.
Der SPD-Chef brachte es nicht einmal fertig, den Unsinn des politischen Geisterfahrers Gerhard Schröder als das zu bezeichnen, was er war und ist: Unsinn. Hatte Schröder doch tatsächlich vor ein paar Tagen großes Verständnis für den massiven russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine geäußert und der bedrohten Ukraine „Säbelrasseln“ vorgeworfen. Gerhard Schröder – man möchte gar nicht mehr wahrhaben, dass der mal Kanzler der Bundesrepublik Deutschland war – hatte mit seiner Agenda-Politik die sozialpolitische Glaubwürdigkeit und Kompetenz der SPD nachhaltig zertrümmert. Der Absturz der Sozialdemokraten in der Wählergunst war beispiellos. Jetzt beschädigt er als hochdotierter Lobbyist Putins mit seinen liebedienerischen Rechtfertigungen der russischen Aggression die Außenpolitik der SPD-Regierungspartei. Die aber setzt sich nicht einmal entschieden zur Wehr.
Zurück zu Klingbeil und dem SPD-Spitzentreffen. Tagesthemen-Moderator Zamperoni drehte und wendete die Kernfrage, ob die Ostsee-Pipeline für russisches Erdgas „tot“ sei, sollte Russland in die Ukraine einmarschieren. Klingbeil wiederholte ein ums andere Mal jene nichtssagende Antwort, alle Optionen lägen auf dem Tisch – und hielt das für deutlich. Da liegt also die Option auf dem Tisch, dass russisches Erdgas gerne durch die Pipeline nach Deutschland fließen kann, auch wenn Putin den Marschbefehl gegen die Ukraine gibt; genauso wie jene Option, dass es dann Aus wäre mit dem Projekt. Und das soll deutlich sein.
Das Wort „deutlich“ hat eben in der regierenden SPD offensichtlich eine ganz neue Bedeutung bekommen. Die Lieferung von 5.000 Helmen (in Worten: fünftausend) an die Ukraine hält die sozialdemokratische Verteidigungsministerin Lambrecht für ein „ganz deutliches Signal: Wir stehen an Eurer Seite“. Dass Sie sich nicht mal schämt – für die lächerliche Lieferung wie für ihre großmäulige Bewertung – , ist doppelt schlimm.
Personen-Wechsel: Wolfgang Ischinger ist gewiss einer der profundesten Kenner der internationalen Szene. Ein Mann mit aus- und abgewogenem Urteil. Früher hochrangiger Mitarbeiter bei der UN, dann Staatssekretär im Außenministerium unter Joschka Fischer, danach Botschafter in Washington und London, jetzt Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz. Macht man sich diese Kompetenz-Ballung bewusst, wiegt das Verdikt Ischingers umso schwerer: Wegen seiner unklaren Haltung in der Ukraine-Frage stehe Deutschland nun in den USA und bei anderen Bündnispartnern „in einem miesen, schlechten Licht“ da. „Deutschland hat bei einer ganzen Reihe von Partnern bereits Vertrauen verloren oder riskiert, es gerade zu verlieren“, sagte Ischinger der Deutschen Presse-Agentur. Die Bundesregierung sei ihrer selbstgesetzten europäischen Führungsaufgabe nicht gerecht geworden.
Kurze Nachbemerkung: An der Diskussion der SPD-Spitzenpolitiker zur Ukraine-Frage hatte Bundeskanzler Scholz nicht teilgenommen. Er versucht wohl nicht einmal mehr, jene Führung vorzutäuschen, derer er sich früher mal gerühmt hatte.
Ob Deutschland in den USA oder bei einigen Bündnispartnern „in einem miesen, schlechten Licht“ dasteht, kann nicht Maßstab deutscher Außenpolitik sein. Mit der Teilnahme am völkerrechtswidrigen Jugoslawien-Krieg wollten wir es den USA recht machen; ebenso mit der Beteiligung am Afghanistan-Krieg. Keine glücklichen Entscheidungen. Als Deutschland sich weigerte, am Irak-Krieg teilzunehmen (dafür sollte man Schröder noch heute danken), stand es schon einmal im Verdacht, ein unzuverlässiger Partner zu sein. Ebenfalls im Falle Libyen.
Jetzt wird gefordert, Waffen an die Ukraine zu liefern. Die Grünen wären wohl bereit dazu. Aber wurde auch bedacht, an wen wir da liefern? Und welche Waffen aus den maroden Bundeswehrbeständen sollen den bitte sehr geliefert werden? Glaubt wirklich jemand im Ernst, das würde zur Lösung der Probleme beitragen. In den Mainstream-Medien wird eine „eindeutige Haltung“ verlangt. Damit ist nicht viel erreicht; man kann auch „eindeutig falsch“ liegen.