Ja, ich bin Mitglied der römisch-katholischen Kirche. Und ich kann gut verstehen, dass Tausende und Abertausende von Katholiken austreten aus der Kirche oder diese schon verlassen haben. Was ich seit einiger Zeit zum Thema Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch katholische Pfarrer lese und wie die Kirche, namentlich Erzbischöfe in München und Freising, ja der frühere Papst Benedikt damit umgehen, macht mich sprachlos, ja wütend. Sie haben Mitleid mit den Tätern, nicht mit den Opfern. Sie haben von den Missbräuchen einiger Pfarrrer gewusst, haben aber alles getan, um dieses Verbrechen zu vertuschen. Ihnen ging es allein um das Ansehen der sogenannten heiligen Kirche. Erbärmlich ist das. Es ist die Rede von einer Bilanz des Schreckens. Und diese Kirche will eine moralische Instanz sein?Ich zitiere aus der „Süddeutschen Zeitung“. Demnach hat Benedikt XVI im April 2019 im bayerischen „Klerusblatt“ geschrieben: 1968 habe sich ein „Zusammenbruch der katholischen Moraltheologie ereignet, der die Kirche wehrlos gegenüber den Vorgängen in der Gesellschaft machte“. Die reine Kirche, so die SZ, wurde also von außen befleckt. Die „völlige sexuelle Freiheit, die keine Normen mehr zuließ“, habe letztendlich dazu geführt, dass auch Pädophilie „als erlaubt und als angemessen diagnostiziert wurde.“ Die 68er waren es, wieder mal. Und der Missbrauch ist, so das Fazit der SZ, „wie ein böses Unheil von außen über die Kirche gekommen, die Kirche ist das Opfer“. Im übrigen sei es der Teufel, der die Kirche als Ganzes schlechtmachen wolle. Auf der Seite 3 der Süddeutschen kommt dann ein Opfer zu Wort, Wilfried Fesselmann, der 1979 im Alter von 11 Jahren von einem Geistlichen der Gemeinde in dessen Haus missbraucht wurde. Es ist eine Geschichte, die den Leser fassungslos macht. Dem Opfer wird nicht geglaubt, fast möchte man hinzufügen: natürlich nicht, der Geistliche ist eine Persönlichkeit, zumal im vollen Ornat. Für die Eltern ist der Kirchenmann nett, das alles könne nicht sein. Die Amtskirche erfährt von dem Fall, man weiß von der pädophilen Veranlagung des Priesters. Und auch hier soll dem Täter „ohne Gesichtsverlust“ ein neuer Posten von der Kirche besorgt werden. Kein Gedanke an das Opfer, das unter dem Missbrauch schwer gelitten hat, Panikattacken hatte, nicht mehr Auto fahren kann, den Job verliert, Hartz IV bekommt. Wilfried Fesselmann läuft von Arzt zu Arzt. Erst in einer Therapie erfährt er, dass seine Probleme Folgen des Missbrauchs sind. 2010 schreibt Fesselmann einen langen Brief nach Rom, an Papst Benedikt: „Meine ganze Kindheit wurde mir geraubt und fast nie Glauben geschenkt. Heiliger Vater, warum haben Sie nicht gehandelt, warum wurde alles nur vertuscht?“ Mir fällt dazu nur ein, was der Berliner Maler Max Liebermann- in einem anderen Zusammenhang mal gesagt hat: „Ich kann gar nicht soviel fressen, wie ich kotzen möchte.“
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