Wer sich an einem beliebigen Tag durch die deutsche Medienlandschaft bewegt – gedruckt oder digital – wird auf Ereignisse und Schlagworte stoßen, die den pathologischen Zustand unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit spiegeln. Einige hundert Beispiele, die ich im zu ende gegangen Jahr in Beiträgen für den „Blog-der-Republik im Netz veröffentlicht habe, belegen auch, dass kein Tag verging ohne Nachrichten über Neonazis wie in Zossen bei Berlin, wo das von der Bürgerinitiative „Zossen zeigt Gesicht“ errichtete „Haus der Demokratie“ angezündet wurde. Das Gebäude brannte bis auf die Grundmauern nieder. Der Brandstifter, ein bekannter Neonazi, wurde gefasst und zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt. Für den Wiederaufbau fehlte allerdings das Geld.
Nicht nur die Akte des NSU, des nationalsozialistischen Untergrundes, belegt, wie stark Rechtsextremismus und Rechtsextreme auch im aktuellen Justizsystem Pannen und Versäumnisse verursachen. Statt aufzuklären – und dafür ist nicht nur der NSU ein Beispiel – stocherten Ermittler von Verfassungs- und Staatsschutz vor allem im Nebel ihrer eigenen Vorurteile und trugen zur Aufklärung der Mordserie des NSU faktisch nichts bei.
80 Jahre ist es jetzt her, dass die Wannseekonferenz „Hitlers Höllenwerk“, den Genozid an den Juden organisierte. Erneut wachsen Hass und Gewalt und knüpfen aktuell an die Nazizeit an und die „Alternative für Deutschland“ auch daran, dass sich der öffentliche Raum für überwunden geglaubte Menschenfeindlichkeit erneut öffnet, und Rechtsextreme in allen Bereichen auch der deutschen Justiz um Einfluss kämpfen und den Rechtsstaat erschüttern.
Die neue Bundesinnenministerin Nancy Faeser will mit Hass und Hetze im Netz aufräumen. Endlich. Auch sie wird mit Morddrohungen überzogen. Ihre Antwort lautet, sie werde sich „nicht einschüchtern lassen“ und in Kürze einen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus vorlegen. Ebenso ihre Ankündigung, Extremisten aus dem Öffentlichen Dienst schneller zu entfernen. Es sei, sagt sie, unerträglich, wie lange in solchen Fällen Disziplinarverfahren dauern würden. Es scheint, dass sie ernst machen will, Hass und Gewalt im Netz zu stoppen. Die a-sozialen Medien werden strafbare Inhalte binnen 24 Stunden löschen müssen, und Morddrohungen ab Februar unmittelbar an das Bundeskriminalamt melden. Ihr Vorgänger im Amt Horst Seehofer hatte sich nur mühsam zu der Einsicht durchringen lassen, öffentlich zu erklären, Rechtsextremismus als größte Gefahr für den demokratischen Rechtsstaat zu kennzeichnen. Gleichzeitig hatte er es sich nicht nehmen lassen, vor Jahr und Tag den ungarischen Regierungschef Victor Orban nach München einzuladen und Gemeinsamkeiten zu entdecken. Wie es scheint, könnte die Wahlniederlage der Union beitragen, die Gefährdung des Rechtsextremismus für den demokratischen Rechtstaat endlich zu reduzieren.