Auf den Hinterbänken der britischen Konservativen rumort es. Eine Handvoll Tories, die noch nicht jeden Anstand der Parteiräson untergeordnet hat, fordert ihren Premierminister Boris Johnson offen zum Rücktritt auf. Mit der Partyaffäre hat der aus ihrer Sicht das Fass zum Überlaufen gebracht.
Die Redewendung vom Wasser predigen und Wein trinken erfasst die Empörung über Johnson nur unzureichend. Die feucht-fröhlichen Zusammenkünfte in Number 10 Downing Street, dem Amtssitz des britischen Regierungschefs, mitten im Londoner Corona-Lockdown, sind längst nicht mehr nur „Partygate“; die unverfrorenen Lügen des Hausherrn verschärfen den Skandal, der Johnson um sein Amt fürchten lassen muss.
Bedrohlicher noch, als die aufbegehrenden Tory-Abgeordneten sind für ihn die finanzkräftigen Gönner, die sich von ihm abwenden und seiner Partei die lukrativen Spenden entziehen. Der Guardian hat gleich mehrere bisherige Wohltäter ausgemacht, die Johnson zu Konsequenzen auffordern. Und wenn es an die Parteimillionen geht, hört bei den spendenverwöhnten Konservativen der Spaß auf.
Das weiß niemand besser, als Johnson selbst. Der vielfach als Politclown verspottete Populist hat seinen Aufstieg zum Premier den milliardenschweren Finanziers der Brexit-Kampagne zu verdanken. Die sind – nachdem sich das ganze Elend der historischen Fehlentscheidung offenbart – vom Vollstrecker enttäuscht. Auch wegen des miserablen Corona-Krisen-Managements.
Johnson, dem in Wahlkämpfen kein Klamauk zu billig ist und der kürzlich sein Publikum irritierte, als er sich in einer Rede über die Kleinkinder-Comic-Figur Peppa Pig ausließ, sieht sich offenbar in Bedrängnis. Untrügliches Anzeichen dafür ist die neuerliche Attacke gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die British Broadcasting Corporation – kurz BBC – soll nach dem Willen der britischen Regierung ab 2027 nicht mehr gebührenfinanziert sein. Das ist eine Ankündigung, die frenetischen Beifall von ganz rechts bekommt und getrost als Ablenkungsmanöver zu deuten ist.
Harmlos ist sie deshalb nicht. Die unabhängige und anspruchsvolle BBC ist vielen Konservativen ein Dorn im Auge, die sich bei den seichten Medien des Murdoch-Imperiums besser aufgehoben und bedient fühlen. Die Rechtspopulisten haben die BBC zum Feindbild erkoren und ihre Zerschlagung im Sinn.
Parallelen zu den zunehmenden Angriffen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland sind augenfällig. Die jüngsten Attacken aus der CDU in Sachsen-Anhalt schlagen in dieselbe Kerbe. Nach dem am Verfassungsgericht gescheiterten Versuch, die Erhöhung der Rundfunkgebühren zu verhindern, und der Forderung nach Gesinnungstests für Redakteure, wird jetzt offen die Abschaffung der ARD propagiert.
Das ist ein frontaler Angriff auf die Demokratie, zu deren Säulen der öffentlich-rechtliche Rundfunk zählt. Unabhängigkeit und Staatsferne waren nach der Nazi-Diktatur die entscheidenden Merkmale der gebührenfinanzierten Sender, die auch nach dem Vorbild der BBC gegründet wurden und eben nicht auf Steuergelder angewiesen und dem Wohlwollen politischer Interessen ausgeliefert sein sollten.
Das Bundesverfassungsgericht hat den öffentlich-rechtlichen Status in mehreren Urteilen über die Jahrzehnte bestätigt und bekräftigt. Die aktuelle Situation mit grassierenden Falschnachrichten und wabernden Verschwörungsideologien zeigt die Wichtigkeit von unabhängigen und seriösen Sendern. Es ist skandalös, wie schamlos aus der CDU dennoch die demokratiefeindliche Kampagne geschürt wird, und dass die Parteiführung dazu schweigt.
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