Es gibt Namen, da sträubt sich die Tastatur, sie niederzuschreiben. Der von Silvio Berlusconi gehört dazu. Vorbestraft und mit so vielen Skandalen und Verfehlungen behaftet, dass er keine weitere Erwähnung verdient. Doch der Mann lässt nicht locker. Er greift nach dem Präsidentenamt von Italien und – das ist das eigentlich Unfassbare – könnte Erfolg haben.
Am 24. Januar beginnt die Wahl des 13. Präsidenten der italienischen Republik, und die Mehrheitsverhältnisse in der 1009 Mitglieder starken Wahlversammlung sind unklar. Noch offen ist, wer sich außer dem Chef der Forza Italia um die Nachfolge von Amtsinhaber Sergio Mattarella bewirbt. Der derzeitige Regierungschef Mario Draghi ist im Gespräch, hat sich aber bislang nicht erklärt. Berlusconi, 85 Jahre alt, mehrfacher ehemaliger Ministerpräsident und aktuell Mitglied des Europäischen Parlaments, hat den Wahlkampf eröffnet und sich von den Mitte-Rechts-Parteien aufstellen lassen. Sie bescheinigen ihm Würde und Erfahrung, internationales Prestige und Ausgewogenheit. Die Karriere des Mailänders spricht eine völlig andere Sprache.
Seine Verurteilung wegen Steuerbetrugs liegt nicht einmal zehn Jahre zurück. Die Prozesse um die Bunga-Bunga-Sexpartys in seinen Villen und Schweigegeldzahlungen an Zeuginnen sind noch nicht abgeschlossen. Seine Medien flankieren die Kampagne um den Quirinalspalast; von großzügigen Geschenken, Telefonwerbung und auch der Drohung mit dem Ende der Regierungskoalition ist die Rede. Vor allem das könnte einen wunden Punkt treffen. Abgeordnete und Senatoren der beiden Parlamentskammern, die gemeinsam dem Wahlgremium angehören, könnten aus Angst vor vorgezogenen Neuwahlen in der geheimen Abstimmung für Berlusconi votieren.
Diese Befürchtung lastet auch auf einer Kandidatur von Mario Draghi. Der frühere Chef der Europäischen Zentralbank leitet als Krisenmanager mit einigem Erfolg die Technokraten-Regierung, die – falls Draghi ins Präsidentenamt wechselt – als kaum überlebensfähig gilt. Selbst aus dem Spektrum der fortschrittlichen Parteien sind daher vereinzelt Überlegungen zu hören, ob es im Sinne einer stabilen Regierung nicht besser sei, die Kröte Berlusconi zu schlucken.
Um die 60 Stimmen fehlen Berlusconis Bündnis laut Korrespondentenberichten zur absoluten Mehrheit. Der Wahlversammlung, die alle sieben Jahre ein neues Staatsoberhaupt wählt, gehören neben den 321 Mitgliedern des Senats und den 630 Abgeordneten der ersten Kammer auch 58 Delegierte aus den Regionalparlamenten an. Die Zahl der Wahlgänge ist nicht begrenzt, sie hat auch schon mal die zwanzig übertroffen.
Aus der Zivilgesellschaft gibt es auf den letzten Drücker noch eine Initiative für weitere Kandidaturen. Namentlich genannt wurden die amtierende Justizministerin Marta Cartabia und ihre ehemalige Kollegin Pola Severino. Beiden werden geringe Chancen eingeräumt, aber jede von ihnen wäre besser als Berlusconi und könnte ihrem Land die Blamage eines kolossalen Fehlgriffs ersparen.
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