ARD in „Tagesschau“ und „Tagesthemen“ und das ZDF in „heute“ und „heute journal“ berichteten ausführlich über das Koblenzer Urteil gegen den syrischen Geheimdienst-Offizier, Mörder und Folterer Anwar Raslan. Aber zwischen den Berichten der beiden öffentlich-rechtlichen Anstalten gab es einen gewaltigen Unterschied – und nicht zum ersten Mal:
Das ZDF zeigte Raslan unverstellt und unverpixelt, nannte seinen vollen Namen; die ARD enthielt ihren Zuschauern – wie so oft – diese wichtigen Informationen vor. Dort war nur die Rede von einem „Anwar R.“, und gezeigt wurde ein großflächig unkenntlich gemachter Bild-Klecks, hinter dem man einen Menschen nur noch vermuten konnte.
Was soll das ?, möchte man die Verantwortlichen von „Tagesschau“ und „Tagesthemen“ fragen. Fernsehen lebt, wie der Name es sagt, vom Sehen, vom Sichtbaren. Und es ist nicht Befriedigung von bloßem Voyerismus, wenn die Zuschauer sehen, wie klein und harmlos so ein Mann daherkommen kann, der wegen monströser und schier unbeschreiblicher Grausamkeiten verurteilt worden ist. Wen, so möchte man fragen, will die ARD mit ihrer Ehrpusseligkeit schützen? Den Folterer und Mörder? Oder will man seinen Opfern den Anblick ersparen? Die allerdings haben Anwar Raslan im Gerichtssaal gegenübergesessen, haben ihn Aug in Aug angesehen.
Nebenbei: Auch andere Medien haben Anwar Raslan gut erkennbar gezeigt, etwa die höchst seriöse FAZ.
Da stellen sich zum wiederholten Mal Fragen an die ARD: Ist es das Bestreben, besonders korrekt zu sein, ist es die Angst, irgendeinen Fehler zu begehen, oder ist es schiere Gedankenlosigkeit nach der Devise: „Haben wir doch immer so gemacht.“ Schließlich sind im Gerichtssaal die Beschuldigten eigentlich immer unkenntlich für’s Fernsehen. (Nur, dass der beschuldigte Raslan inzwischen verurteilt ist.) Welche Motive es auch immer sein mögen: Die ARD, die doch Deutschlands „Informationskanal Nummer eins“ sein will, aber schon lange nicht mehr ist, hat ihren Zuschauern mal wieder wichtige Informationen vorenthalten – noch einmal sei es gesagt: Zum wiederholten Mal. Und diese gouvernantenhafte Enthaltsamkeit ist in ihrer Penetranz ärgerlich.