Der in Bonn lehrende Volkswirt Moritz Schularick (46), der sich zuletzt längere Zeit zu einem Forschungsprojekt in New York aufhielt, hat sich mit seinen Analysen zur Dynamik von Finanzkrisen international einen Namen gemacht und wird 2022 mit dem renommierten Leibniz-Preis ausgezeichnet. Sein Buch über die Folgen der Pandemie und die Lehren, die Deutschland daraus ziehen muss, ist ebenso kompakt wie überzeugend und sollte der neuen Bundesregierung als Blaupause für dringende Reformen in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft dienen. Den „Warnschuss“ der Corona-Krise sieht Schularick als (letzte) Chance für eine überfällige Transformation.
Tatsächlich legt der Autor seine Finger in offene Wunden. Was nach einer ersten Phase des Krisenmanagements bis zum Herbst 2020 auch im Vergleich zu anderen Ländern noch einigermaßen funktionierte, erwies sich in der Folge als mangelhaft und fahrlässig. Im Kampf gegen Covid-19 stießen die verantwortliche Politik sowie ihre Institutionen immer wieder an Grenzen – Personen, Strukturen und Prozesse waren dem Infektionsgeschehen zusehends weniger gewachsen. Schularick konstatiert in vielen Fällen strategische Kurzsichtigkeit, handwerkliches Ungeschick, “Organisationsversagen“ und kommunikative Versäumnisse. Insgesamt wurde der Staat als zentraler Krisenmanager „entzaubert“. Die Lehre aus der Pandemie lautet für den Wirtschaftsprofessor: Mehr Investitionen in die öffentliche Infrastruktur und in Krisenprävention, eine engere Verzahnung von Politik und Wissenschaft (bestehende „Beiräte“ und Sachverständigengremien reichen nicht aus!), Mut zum Risiko – statt „weiter so“ und „geht nicht“ sollte die Parole heißen, Neues nicht nur zu denken, sondern auch zu wagen. Ein handlungsfähiger Staat darf die großen Herausforderungen – Klimawandel, Energiewende, Digitalisierung, Migration – nicht defensiv und hasenherzig anpacken, vor allem sollte er keinen künstlichen Gegensatz zwischen wirtschaftspolitischer Rationalität, nachhaltiger Finanzplanung und ausgleichendem Gemeinwohl akzeptieren. Für Schularick hat sich gerade auch in der Pandemie gezeigt, dass Gesundheitsschutz und ökonomische Vernunft in Einklang zu bringen sind.