Im Koalitionsvertrag sowie in zwischenzeitlich erfolgten Verlautbarungen der neuen Regierung ist viel von einer wertebasierten Außen- und Sicherheitspolitik die Rede. Vor allem die neue Außenministerin führt den Begriff ständig im Mund. Von westlichen Werten ist die Rede, von der westlichen Wertegemeinschaft, die es weltweit zu verteidigen gilt. Im Gefühl der moralischen Überlegenheit wird z.B. die Ost-Erweiterung der NATO als Wertetransfer legitimiert.
Was hat es mit den vielbeschworenen westlichen Werten eigentlich auf sich? Der Sozialphilosoph Herbert Schnädelbach hat sich dazuwie folgt geäußert: Zunächst sind Werte von den Normen abzugrenzen. Das wird oft unterlassen, und man behauptet dann, wir seien eine Wertegemeinschaft, aber das stimmt nicht. Unser Grundgesetz ist eine normative Ordnung, und bei Normen geht es um das, was geboten, erlaubt oder verboten ist; das aber ist bei Werten nicht der Fall. Werte sind dasjenige, das wir schätzen. Sie schreiben uns nichts vor. Deshalb ist es nicht ungefährlich, unsere freie Gesellschaft als Wertegemeinschaft zu verstehen. Werte sind immer umstritten, Bewertungen immer die Sache von Einzelnen oder Gruppen.
Rechtsordnungen, wie unser GG, lassen solche Beliebigkeiten nicht zu. Gegenüber diesem Normensystem sind wir zu Gehorsam verpflichtet, während Werte sich mit den Lebensbedingungen auch verändern. Normen haben mithin einen anderen Verpflichtungsgrad. Das gilt beispielsweise für die Würde des Menschen. Der Staat ist der Menschenwürde verpflichtet; es gibt hier keine Abstufungen oder Einschränkungen. Alles zu tun, damit das Menschenrecht auf Leben geschützt wird, das wäre in der Tat eine lohnende Aufgabe einer Friedens- und Entspannungspolitik, die diesen Namen verdient. Aber dazu bedürfte es konkreter Schritte zur Abrüstung und Entspannung, statt wolkiger Absichtserklärungen. Ein erster Schritt wäre, die zunehmend aggressive Rhetorik zu unterlassen.