Mitten in Europa, vor der Küste Frankreichs, sind gestern 27 Namenlose, die auf ein besseres Leben gehofft hatten, jämmerlich ersoffen. Siebenundzwanzig Menschen! Es war der Tagesschau die vorletzte Meldung (vor der letzten, dass ein lupenreiner Folterer Interpol- Chef werden soll) wert. Davor kamen die wichtigen Bilder, ob Özdemir oder Hofreiter uns bereichert und die von Ungeimpften, die mit Hubschraubern von einem Bundesland zum anderem mit freien Kapazitäten auf der Intensivstation geflogen werden. Es ist ein bisschen sehr eklig.
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Eklig ist es nicht. Es ist tragisch und traurig. Und man kann, oder besser man sollte, sich auch zu Recht darüber empören. Allerdings nicht über die Reihenfolge der Meldungen bei der Tagesschau. Das ist ein Nebenkriegsschauplatz, welcher der Tragik dieses sinnlosen Sterbens nicht gerecht wird und am Ende auch egal ist, weil das Sterben dieser Menschen schon lange keinen mehr in unserer auf Protektion ausgerichteten und obendrein noch wohlstandsverwahrlosten Gesellschaft interessiert.
Keinesfalls möchte ich jetzt zynisch klingen, aber wo ist der Unterschied zwischen diesen 27 ertrunkenen Menschen im Ärmelkanal und den vielen tausenden, wenn nicht mittlerweile gar zehntausenden Ertrunken im Mittelmeer? Ob Mitten in Europa oder am Rand ist unerheblich, denn tot ist tot.
Zugeben muss ich allerdings, dass ich auch keine Lösung des Problems anbieten kann, außer vielleicht die wohlbekannte Idee, die Fluchtursachen dieser Menschen in ihren Heimatländern zu bekämpfen. Wie gesagt Idee, denn mehr ist es leider nicht.
Vielleicht müssten wir mal die Vorstände von Rheinmetall, Heckler & Koch, Deutsche Bank und Consorten und die von ihnen gekauften Politiker in diese Seelenverkäufer setzen und übers Wasser schicken, damit sich etwas ändert? Vielleicht muss die Gesellschaft auch ganz generell überdenken, wer als Leistungsträger gilt und wer garantiert weder Respekt noch Bewunderung verdient? Aber wie macht man das, wenn alle gefangen sind im Hamsterrad des Überlebens im real existierenden Kapitalismus und der (zumeist ziemlich dümmliche) Populismus an allen Ecken und Kanten eine Renaissance erlebt? Ich weiß es nicht. Aber der Tagesschau eine falsche Gewichtung vorzuwerfen, halte ich jedenfalls für zu kurz gedacht. Das ist wie gegen Kälte in die Hosen zu pinkeln. Es wärmt nur im ersten Augenblick.