Es ist, keine Frage, ein lesenswertes Buch, unterhaltsam, informativ. Die Autorin Susanne Gaschke, die früher für die Zeit gearbeitet hat und heute für Springers Welt schreibt, ist nah dran an dem Grünen-Star Robert Habeck, diesem anderen, neuen Politiker, der Schriftsteller, Philosoph, Künstler und Politiker ist. Der Leser erfährt, dass die Autorin und der Grünen-Politiker aus der gleichen Ecke kommen, vom Westufer der Kieler Förde. Sie beschreibt den Werdegang und den Aufstieg dieses Mannes, dem sie Sexappeal attestiert, die Kunst des Kompromisses, er sei ein Mann, der Fehler eingesteht und die Kunst, nenne ich das mal, besitzt oder pflegt, unpräzise zu formulieren, ohne dem Problem aus dem Weg zu gehen. Ja, lange Sätze hört man schon des öfteren von Habeck, der aber eine Bühne einnehmen kann mit seiner Persönlichkeit und von dort die Menschen mitnimmt. Er ist nach dem Urteil von Susanne Gaschke ein „außergewöhnlicher Politiker“. Das machte er ja auch deutlich, dass er Annalena Baerbock im entscheidenden Moment den Vortritt ließ, als es um den Grünen Kanzlerkandidaten ging. Etwas, was ihm bitter aufstieg und was er danach auch einräumte. Warum auch nicht. Ob er die besseren Chancen gehabt hätte?
Man liest das handliche Buch mit knapp 200 Seiten, wenn man die Zeit dazu hat, in einem Zug durch, vielleicht in zwei oder drei Tagen. Man spürt dabei, wie nahe die Autorin diesem Quereinsteiger der Politik ist, vielleicht zu nah, und deshalb unterliegt sie gelegentlich auch dem Charme des Grünen. Der Leser merkt, dass sie ihm das Zeug zum Aufstieg nach ganz oben zutraut, zum Bundeskanzler der Bundesrepublik. Das hätte sie gern, darf man hinzusetzen, ohne ihr zu nahe zu treten. Ob da der Vergleich mit seiner Ministertätigkeit in einem kleinen Land wie Schleswig-Holstein reicht, sei dahingestellt. Es ist jetzt ohnehin nicht zu beweisen. Die Schwäche des Buchs-pardon- liegt im Erscheinungszeitraum. Es ist geschrieben worden, als alle Welt noch davon ausging und zwar sicher, dass Berlin künftig von Grün-Schwarz oder von Schwarz-Grün regiert werde. Armin Laschet schien der geeignete Mann nach Merkel und für diese neue Koalition zu sein. Hatte der CDU-Kanzlerkandidat doch Erfahrungen mit den Grünen schon in Bonner Jahren gesammelt, Beispiel Pizza-Connection im Restaurant Sassella. Dort beim Italiener tafelten auch gelegentlich die Kanzler Helmut Kohl und Gerhard Schröder.
Niemand hatte die SPD mit Olaf Scholz auf dem Zettel, die Sozialdemokraten schienen eingemauert in einem 15-vh-Turm in allen Meinungsumfragen. Und dass Susanne Gaschke nicht unbedingt in Mitleid zerfließt mit der ältesten deutschen Partei, kann der verstehen, der weiß, dass sie die SPD im Jahre 2020 verlassen hat. Wohl auch im Zorn über die Entscheidung von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, Gaschkes Ehemann Hans-Peter Bartels nicht mehr mit dem Amt des Wehrbeauftragen des Bundestages zu betrauen, sondern dieses Amt der SPD-Abgeordneten Eva Högl zu offerieren. Eine Entscheidung, die damals die Öffentlichkeit überraschte, weil Högl sich in ihrer politischen Arbeit bisher nicht oder kaum mit der Bundeswehr befasst hatte. Bartels kritisierte denn auch ihre Nominierung, die am Ende auch dazu führte, dass einer der umstrittenen SPD-Abgeordneten, Johannes Kahrs, der sich Hoffnungen auf die Bartels-Nachfolge gemacht hatte, sein Mandat niederlegte.
Dass Robert Habeck viele Menschen fasziniert, Männer wie Frauen, Junge wie Alte, ist keine Frage. Er ist locker, gewandt, beredt, lacht oder ist ruhig und ernst, er plaudert, erzählt, erklärt seine Botschaften, ohne dass man den Eindruck gewinnen würde, dieser Grüne sei ein Ideologe. Ich glaube schon, dass dieser Habeck mit allen kann, natürlich nicht mit der rechtsradikalen AfD, aber sowohl mit der Union, wie der FDP und auch mit Teilen der Linken und der SPD kann man sich ihn an einem Kabinettstisch vorstellen. Susanne Gaschke schreibt dazu. „Es ist fast egal, was Habeck sagt, ein bisschen Politik, ein bisschen Sport, ein bisschen demokratischer Konsens, ein bisschen Tier, entscheidend ist, wie es ankommt.Und es kommt wahnsinnig gut an. Denn Habeck tut in solchen Augenblicken nicht nur so als ob: Er ist nett. Er ist locker, charmant, unverstellt, selbstkritisch, spontan, nachdenklich, bescheiden….Jeder ebenfalls nette Mensch wäre nach einem solchen Abend gerne mit Robert Habeck befreundet.“ Schreibt, urteilt Susanne Gaschke. Zur Erklärung: Habeck las aus einem seiner Bücher vor.
Die Frage nach der Bundestagswahl ist nun nicht mehr, Grün-Schwarz oder Schwarz-Grün, weil die Union das schlechteste Wahlergebnis nach dem Krieg erzielt hat und erstmal schauen muss, wie es mit wem weitergeht und zwar in der Opposition. Die SPD ist stärkste Partei geworden, aber nicht so stark, dass sie andere dominieren würde oder könnte. Also stehen wir vor der ersten Ampel-Regierung auf Bundesebene, SPD, Grüne und Liberale müssen sich zusammenraufen zu einer neuen Regierung – sicher mit einem Bundesminister Robert Habeck, der sich entweder um die Finanzen, das Auswärtige oder ein um den Klimaschutz und die Energiewende erweitertes Wirtschafts-Ressort kümmern wird. Und vielleicht wird er ja Vizekanzler von Olaf Scholz. Im Dezember, so um Nikolaus herum, werden wir es wissen.