Begreife, wer begreife kann … aber es ist nicht zu begreifen. Die Corona-Entwicklung gerät in Deutschland außer Kontrolle, und die Ampel-Koalitionäre bestehen weiter hartnäckig und uneinsichtig darauf, die sogenannte „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ auslaufen zu lassen. Was für ein Signal: Schon sprachlich wird suggeriert: Alles nicht mehr so schlimm. Wer will dann noch von den Bürgern Disziplin erwarten ?
Als es vor wenigen Wochen viel besser aussah und man hoffen konnte, Deutschland sei mit Corona demnächst durch, war diese Idee aufgekommen. CDU-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn machte sie sich damals zu eigen. Jetzt aber ist sie angesichts der Realitäten eine – vielleicht tödliche – Schnapsidee, und auch Spahn geht auf Distanz. SPD, Grüne und vor allem die FDP, wollen sich davon aber nicht abbringen lassen. Bloß keinen Fehler zugeben.
Dass führende Virologen, also ausgewiesene Experten, die Politiker bedrängen, ihre Entscheidung vom Auslaufen der „epidemischen Lage“ zu revidieren, lässt die Ampel-Koalitionäre offensichtlich kalt. Sie wollen dem Staat die Möglichkeit nehmen, die er bisher hat: im Extremfall noch einmal massive Einschränkungen von Grundrechten und Freiheiten anzuordnen, wenn Corona anders nicht zu bändigen ist.
Dass die CDU lauthals fordert, „die epidemische Lage von nationaler Tragweite“ mit all ihren Möglichkeiten beizubehalten, mögen die Berliner Koalitions-Verhandler noch als oppositionelles Wortgeklingel abtun. Dass aber die drei grünen Gesundheitsminister von Hessen, Brandenburg und Baden-Württemberg gemeinsam die Verlängerung der epidemischen Lage fordern, sollte wenigstens Habeck, Baerbock und Co zum Nachdenken zwingen. Die drei Fachminister begründen ihren Vorstoß: „Das stellt sicher, dass alle von den Expertinnen und Experten geforderten Maßnahmen umgesetzt werden können.“
Kein Beweis, aber der Verdacht liegt nahe, dass auch hier die FDP wieder Schrittmacher der Unvernunft ist. Zum einen hatte die Lindner-Partei seit Ausbruch von Corona immer wieder mit ihrer schwammigen Freiheits-Ideologie gegen strenge Corona-Auflagen Front gemacht. Der liberale Dauer-Talker Wolfgang Kubicki war Stammgast im Fernsehkanal von „Bild“, wo in AfD-Diktion die Gefahren von Corona geleugnet werden und angebliche Journalisten noch vor zwei Wochen forderten, Deutschland brauche endlich seinen „Freedom Day“ und 2G im öffentlichen Raum müsse staatlich verboten werden.
Ähnlich abstrus Parteichef Christian Lindner am Freitagabend in den ARD Tagesthemen: Ausgangs- und Kontaktsperren als mögliche Instrumente gegen Corona-Infektionen hätten „nach wissenschaftlichen Untersuchungen keine Wirksamkeit“. So fassungslos wie nach dieser Aussage hatte man den routinierten Tagesthemen-Moderator Ingo Zamperoni selten oder nie zuvor erlebt: „Moment, verstehe ich Sie richtig ? Sie sagen, Kontaktbeschränkungen und Ausgehverbote sind nicht wirksam ?“ Und jetzt schlug Lindners Blödsinn Purzelbäume. Nun bezog er sich auf angebliche „wissenschaftliche Untersuchungen zur tatsächlichen Wirksamkeit von Ausgangsbeschränkungen für geimpfte Menschen“. Die dämmten das Infektionsgeschehen nicht ein. Als käme irgendjemand auf die Idee, nur Geimpften den Ausgang zu verbieten und alle anderen weiter rumlaufen zu lassen.
So viel ist aus den Koalitionsverhandlungen schon durchgesickert: Vornehmlich wegen des Widerstandes von Lindners Lobby-Verein wird es nichts mit einem wirklich radikalen Klimaschutz in Deutschland. Das kann tödlich für die ferne Zukunft werden. Folgt die Ampel den Liberalen auch bei Corona, ist das für Tausende vielleicht schon ganz schnell lebensbedrohlich.
Deshalb frei nach Christian Lindner: Lieber nicht mit der FDP regieren als dermaßen schlecht regieren, wie es bisher zu befürchten steht. Grünenchef Habeck hat schon die Möglichkeit einer Notbremse angedeutet. Das lässt hoffen.
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