Wind und Sonne schicken keine Stromrechnung! So wurde landauf, landab vor noch nicht langer Zeit für diese regenerativen Energiequellen geworben. Solche grünen Verheißungen fanden ein großes Echo in breiten Schichten der deutschen Bevölkerung. Nach dem zum Ende des Jahres 2022 geplanten Ausstieg aus der Kernkraft in unserem Lande, der nicht allein von den Protagonisten von „Atomkraft – nein danke!“ als Riesenerfolg gefeiert wurde, fehlen Grundlast-Kapazitäten.
Aussteigen mit Folgen
Die heimischen Steinkohlenzechen sind bereits vor 2 Jahren geschlossen worden. Die Förderung aus einer Tiefe bis zu 1000 Metern war zu teuer geworden. Die noch laufenden Meiler werden inzwischen mit Steinkohle aus dem Ausland befeuert; etwa 40 % der Importe kommen aus Russland. Die CO2-Emissionen sind recht groß. Doch noch größer sind sie beim Einsatz von Braunkohle. Eine Reihe der Braunkohlenkraftwerke sind bereits stillgelegt worden. Die Grünen werden in der neuen Koalition darauf drängen, den totalen Ausstieg aus der Braunkohle auf 2030 vorzuziehen. Auch damit werden Grundlastkapazitäten wegfallen, die nicht schnell und einfach zu ersetzen sind. Für die Übergangszeit bis zur Realisierung des Traums vom grünen Strom für alle in unserer Republik, sollen Gaskraftwerke die Lücken schließen. Die Methan-Emissionen von Gaskraftwerken sind nicht gering und für die Umwelt schädlicher als die CO2-Emissionen; sie könnten indessen mit dem Einbau von Katalysatoren gemindert werden.
Die Kosten für den Brennstoff Gas sind zudem nicht gerade niedrig; seine Verfügbarkeit muss mit längerfristigen Terminkontrakten – insbesondere mit dem russischen Lieferanten Gazprom gesichert werden.
Mehr Mut beim Ökostrom
Strom aus Sonne und Wind sowie anderen regenerativen Energiequellen – wie Wasserkraft und Geothermie – machten im laufenden Jahr rund 42 % der deutschen Bruttostromerzeugung aus; im Jahr 2020 waren es gar 47 %. Die Solarenergie legte etwas zu, die Windrotoren drehten sich dagegen etwas weniger. In Zeiten der Dunkelflaute, wenn die Sonne gar nicht scheint und Windstille herrscht, fallen diese regenerativen Energieträger vollends aus. Hinzu kommt, dass es an Stromtrassen fehlt, die etwa offshore-Strom von der Nordsee in südwestliche Regionen leiten könnten.
Ebenso gibt es viel zu wenige Speicherkapazitäten, um zeitweise überschüssige Sonnen und Windstrommengen aufnehmen und dann liefern zu können, wenn der Bedarf auftritt. Wo auch immer in den letzten Jahren neue onshore- und offshore-Windanlagen errichtet, neue Pumpspeicherwerke angelegt und neue Stromtrassen verlegt werden sollten, tat sich heftiger Protest auf – vor allem von Natur- und Umweltschützern, von Haus- und Grundeigentümern, die keine Rotoren in ihrer Nähe haben wollten.
Im Allgemeinen sind fast alle für Ökostrom, nur im Speziellen machen viele Front gegen die dafür notwendigen Anlagen. Bei der Geothermie wird gar die Furcht vor Erdbeben ins Feld geführt, um gegen die dafür erforderlichen Bohrungen zu protestieren.
Hoher Bedarf an grünem Strom
Für die neue Koalition gibt es in der Energiepolitik mehr als genug zu tun. Die Energiewende wird nur gelingen, wenn mit großem Mut die Hindernisse für die längst überfälligen Investitionen beseitigt werden. Mehr grüner Strom wird überall dringend gebraucht – für die Wasserstoffproduktion, für die Mobilität, für die Heizung und Kühlung von Häusern, für die Stahl-, Zement- und andere Industrieproduktion sowie für die Chemie.
Strompreis auf Rekordhöhe
Solange der Ökostrom nicht einmal 50 % des Bedarfs decken kann, werden die politisch festgelegten Klimaschutzziele auf dem Papier der Gesetze stehen, doch nicht in der Realität zu erreichen sein. Noch kommen 18 % des Stroms aus Braunkohle, 9 % aus Steinkohle, 15 % aus Gas und 12 % aus Kernenergie. Davon stehen schon bald Abschaltungen großer Kapazitäten an. Der Energieverbrauch wird indessen in den nächsten Jahren kräftig steigen. Insbesondere wird die Nachfrage nach Strom stark zunehmen – im Verkehrssektor, im Wohnbereich, in der Industrie. Deutschlands Verbraucher zahlen heute die höchsten Strompreise: Die Kosten für private Haushalte haben im Durchschnitt die Marke von 32 Cent pro Kilowattstunde erreicht; bei einem Stromverbrauch von 3.500 Kilowatt im Jahr macht das für einen durchschnittlichen Arbeitnehmerhaushalt rund 1.120 Euro aus. Der Blick auf die Stromrechnung zeigt, dass etwa die Hälfte dieses Betrages auf Steuern, Abgaben und Umlagen wie die für die erneuerbaren Energien und rund ein Viertel auf Netzentgelte und Messstellen entfallen. Die Strombeschaffung macht indessen nur etwa ein Viertel des Gesamtpreises aus. Die EEG-Umlage wurde für dieses Jahr auf 6,5 % Cent pro Kilowattstunde gedeckelt; sonst wäre sie auf fast 10 Cent gestiegen. Zum Ausgleich zahlt der Bund in 2021 einen Zuschuss von 10,8 Mrd. Euro.
Politischer Tritt auf die Preisbremse?
Der Durchschnittspreis für Strom beträgt in Österreich 21,1 in Frankreich 18,9, in den Niederlanden 14,3 und in Ungarn 10,3 Cent je Kilowattstunde; in den USA und auch in China ist er gerade halb so hoch wie in Deutschland. Nahezu alle haben inzwischen begriffen, dass die Sonne und der Wind als Energieträger nicht zum Nulltarif grünen Strom in die heimischen Steckdosen liefern. Es wird höchste Zeit, dass die neue Koalition – ob als favorisierte Ampel oder als eher unwahrscheinliche Jamaika-Bündnis – kräftig auf die Preisbremse beim Strom tritt. Denn nicht nur der Strom, sondern auch Gas und Öl zum Heizen sind preislich schon fast explodiert. Die Kosten für das Wohnen, für die Miete und die Nebenkosten, schlagen dermaßen zu Buche, dass sie von Millionen Haushalten kaum noch zu tragen sind. Damit wird die Energiefrage zum Schicksalsproblem für die nächste Bundesregierung.