Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland legt im Art 38 fest:
(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.
(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.
(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.
In der Praxis bedeutete das, dass die Stimmabgabe im Wahllokal nicht nur möglichst barrierefrei möglich sein muss, sondern dass in diesem Jahr unter den Bedingungen von Corona auch Maskenverweigerern die Teilnahme an der Wahl möglich sein musste. Dafür wurden landauf und landab auch besondere Lösungen geschaffen. So wurden z.B. die Stimmabgabe und der Einwurf des Wahlzettels in die Wahlurne im Freien angeboten. Oder es wurde Maskenverweigerern die Stimmabgabe in leeren Wahlbüros ermöglicht.
Mit dem Grundgesetz und dem Bundeswahlgesetz ist sogar die Stimmabgabe in der Wahlkabine in Begleitung eines Hundes kompatibel. In Bergheim allerdings schritten wohl Wahlhelfer ein, als eine Bürgerin ihrer Wahlpflicht mit Kopftuch nachkommen wollte. Das wurde verweigert mit Hinweis auf ein Gesetz. Nur das Beharren der Wählerin auf Ausübung ihres Wahlrechts brachte im dritten Anlauf nach Intervention des Wahlvorstandes ein Einlenken der übereifrigen Wahlhelfer. Die Begründung: Das Gesetz sei vor der Bundestagswahl aufgehoben worden, aber man habe die Wahlhelfer darüber nicht informiert. Die Zurückweisung von Wählerinnen mit Kopftuch hatte – zumindest in diesem Wahllokal – aber wohl Methode. Die hartnäckige Wählerin konnte eine weitere zurückgewiesene Kopftuchträgerin noch rechtzeitig abfangen und ihr die Teilnahme an der Wahl ermöglichen. Allerdings verweigerten die Wahlhelfer weitere Angaben, wie viele Wählerinnen mit Kopftuch an der Wahl gehindert wurden. Alles übrigens auf Video dokumentiert und via Instagram verfügbar.
Ein handfester Skandal. Ein Anfechtungsgrund für die Wahl in Bergheim und anderswo.
Alle reden vom Aufbruch, von Zukunftsgestaltung und den großen Herausforderungen der Digitalisierung und des Klimawandels. Ja, natürlich müssen wir CO2 einsparen und Themen wie Einwanderung, den demografischen Wandel, die Renten etc. dringend anpacken. Aber wir müssen vor allem den Rassismus, die Intoleranz, den Antisemitismus und die manifesten Formen von Diskriminierung aktiv angehen. In Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Und vor allem die systemischen Formen in der Verwaltung. Es spaltet die Gesellschaft und es blamiert uns vor der internationalen Gemeinschaft, denen wir immer unsere moderne Verfassung und unsere tollen Werte entgegenhalten. Das hat keinen Wert, wenn die Verfassungswirklichkeit z.B. so aussieht, dass ich mit Kopftuch nicht wählen darf und mit Kippa nicht unversehrt über deutsche Straßen laufen kann.
Zu dem Vorfall wurde eine Anfrage an die Stadtverwaltung Bergheim gestellt. Auf die Antwort sind wir sehr gespannt und werden natürlich hier darüber berichten.