In Bad Godesberg wurde dieser Tage an den vor 35 Jahren in San Francisco verstorbenen, in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Ingenieur und Baumeister Hermann Friedrich Gräbe erinnert. Gräbe wurde in Deutschland während vieler Jahre verleumdet, er war verfemt und er wurde auch von namhaften Medien wie Der Spiegel nieder geschrieben. In seiner zweiten Heimat, den USA war Gräbe hingegen hochgeachtet. In Israel gehört er zu den „Gerechten unter den Völkern“, also zu denen, die die höchste Auszeichnung erhalten haben, die einem nicht-jüdischen Menschen verliehen werden kann.
Der Verein Bürger.Bad.Godesberg zeigte den Film des unabhängigen Kronenburger Filmemachers Dietrich Schubert über das Lebens dieses Mannes mit dem Titel: „In Deutschland unerwünscht: Hermann Gräbe“.
Schubert hat mit seiner Frau Katharina und anderen zusammen eine ganze Reihe sehenswerter Filme wider das Vergessen gedreht. Er ist Grimme-Preisträger. Viele seiner Werke – Filme und Fotoausstellungen – sind regional angesiedelt. Sie arbeiten dokumentarisch die Lebensumstände der Menschen und die Folgen der Nazi-Zeit in der Region zwischen Trier, Koblenz, Köln und Aachen auf. Zuletzt hat er eine außerordentliche Fotoausstellung „Zwangsarbeiterlager in der Nordeifel“ erarbeitet, die sich auch auf Vorarbeiten des langjährigen Redakteurs des Kölner Stadt-Anzeigers, Franz Albert Heinen: „Tod durch Abgang. Zwangsarbeit im Kreis Schleiden 1939-1945“ stützt.
Schubert lässt in seinen Filmen die Erinnerungsstücke an die Vorbereitung des Krieges, Krieg und Verfolgung sprechen: Zeitzeugen, Landschaft, markante Punkte, Technik und Trümmer. Wichtig ist in seinen Filmen auch die Sprache: Kein Dialog nach Drehbuch, ungeschöntes Erzählen, mühsames oder rasches Erinnern auf Fragen, Mundartliches, Gespräche, die sich wie von selbst in Bewegung setzen. So breitet er seinen Teppich an Erinnerungen mit seinen eingewebten Mahnungen aus. Es ist Filmkunst auf der Grundlage exzellenten Handwerks.
Schubert ist Teil der internationalen Erinnerungskultur. Kein Hollywood. Daher wurde in Bad Godesberg an die 2018 in Wien verstorbene Schriftstellerin Christine Nöstlinger erinnert, die 2015 anlässlich des 70.Tages der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen gesagt hatte: „Über den allgemein bekannten sieben Hautschichten hat der Mensch als achte Schicht eine Zivilisationshaut. Mit der kommt er nicht auf die Welt. Die wächst ihm ab Geburt. Dicker oder dünner, je nachdem, wie sie gepflegt und gehegt wird. Versorgt man sie nicht gut, bleibt sie dünn und reißt schnell auf. Und was aus den Rissen wuchert, könnte zur Folgen führen, von denen es dann betreten wieder einmal heißt: Das hat doch niemand gewollt.“
Gräbe hatte in der Ukraine erlebt, dass die SS und deren Helfershelfer Juden und Jüdinnen, Alte und Kinder zusammentrieben, um sie zu erschießen. Er schaffte es, hunderte Juden als Unabkömmliche in den Betrieben zu beschäftigen, die er damals aufbaute und betrieb. Und als das Nazi-.Reich im Osten zusammenbrach, schaffte er viele gegen Westen und in die spätere Freiheit. Darüber berichten in Schuberts Film Zeugen aus der Ukraine, seine damalige Sekretärin und über die Zeit in den USA sein Sohn.
Denn Gräbe hat Deutschland 1948 ernüchtert verlassen, nachdem er im Nürnberger Prozess ausgesagt hatte. Er war für den restaurativen Teil der Bevölkerung der Bundesrepublik ein „Nestbeschmutzer“, so nannte man damals Zeugen gegen die Untaten der Nazis. Heute wird er oft im selben Atemzug mit Oskar Schindler genannt, dessen Leben und die Rettung von Juden ebenfalls verfilmt wurden. Zu wünschen ist, dass Schuberts Produktionen noch mehr Konjunktur bekommen; grade jetzt, weil wieder gehetzt und verleumdet wird. Damit die achte Haut nicht weiter reißt.