Mikis Theodorakis ist 96 Jahre alt geworden. Sein Einfluss auf die damals junge Linke war in vielen Ländern schier unglaublich. Weil er die Herzen mitzog, unsere besten Eigenschaften anzündete und nicht den trockenen Scheinrationalismus der „Thoriebären“ in grobporigen Nachdrucken beflügelte. Wenig war uns damals zeitweise wichtiger als seine Musik, die sich wie ein Sturm in uns drängte, hoch trieb, besänftigte, Zuwendung auslöste, uns antrieb, los ließ, um uns wieder in Bewegung zu bringen.
All das konzentrierte zog sich in Costa Gavras Film „Z“, 1969 erstanden, von Mikis Theodorakis mit Musik unterlegt: Hinreißend, mitreißend. Am Drehbuch hatte Jorge Semprún mitgearbeitet, in den Hauptrollen Yves Montand, Jean-Louis Trintignant, der den Untersuchungsrichter spielte, den Christos Sartzetakis, der später Griechenlands Präsident wurde und die unvergleichliche Irene Papas. Bis auf Yves Montand und nun Mikis Theodorakis leben sie alle noch. Ein Roman von Vasilis Vasilikos war die Vorlage. Vasilikos war Vorsitzender des griechischen Schriftstellerverbands, Botschafter seines Landes, er ist heute Parlamentsabgeordneter.
Das griechische Wort „Ζεί“ – „Er lebt“ wurde von der Linken in Griechenland zu „Z“ verkürzt. Z war die Erinnerung an Grigoris Lambrakis. Der Film, leider heute weitgehend in Vergessenheit geraten, rollt den Tod des Grigoris Lambrakis auf, der 1963 in Thessaloniki von Rechtsextremisten ermordet worden war. Theodorakis war Lambrakis über dessen Jugendverband politisch eng verbunden, er protestierte gegen dessen Ermordung, wurde verhaftet, er musste später Griechenland verlassen, weil sich die Hintermänner des Mordes an seinem Freund an die Macht geputscht hatten. Lambrakis war einer der Linken, die sich nicht einordnen ließen, die heute noch zu merkwürdigen Urteilen veranlassen. So findet man auf Wikipedia den abstrusen Satz über ihn: „Wiewohl kein Kommunist, tendierte Lambrakis’ politische und ideologische Orientierung nach links.“ Wer denkt sich so etwas aus?
Ich erinnere mich an einen Tag 1970, an eine Vorführung des Films „Z“ im größten Hörsaal der Uni Bonn. Ein volles Haus. Der griechische Journalist Basil Mathiopoulos hatte, wenn ich mich richtig erinnere, die Filmkopie besorgt. Und kurz bevor wir die Lichter im Hörsaal ausgehen lassen wollten, schritt eine alte Dame durch den Mittelgang nach vorne, um sich da nieder zu lassen, sich den Film anzuschauen: Hilda Heinemann, die Frau des Bundespräsidenten. Sie bekam einen großen Applaus. Für mich gilt weiterhin der Filmtitel von Gavras – dieses Mal bezogen auf Mikis Theodorakis: „Er lebt“.
Bildquelle: flickr, Heinrich Klaffs, CC BY-NC-SA 2.0