Noch sind es rund zwei Monate bis zur nächsten Bundestagswahl. Die Parteien haben sich zwar in Stellung gebracht, ihre Programme vorgelegt, ihre Kandidaten gekürt und erste Plakate geklebt. Doch plätschert das Geschehen dahin. Belanglosigkeiten – vom Lebenslauf bis zur Buchpublikation – werden hochgezogen, fallen jedoch aktuell in sich zusammen. Stumpf sind bislang die politischen Profile geblieben. Wofür die Kandidaten, die sich um die Nachfolge für Angela Merkel bewerben, und ihre Parteien wirklich stehen, ist nur schwer zu erkennen.
Wichtige Themen im Fokus
Für Klimaschutz, Digitalisierung, Modernisierung, sozialen Ausgleich und regenerative Energien sind sie ja alle. Gewisse Unterschiede sind zwar auszumachen, wenn die möglichen Wege zu diesen Zielen betrachtet werden. Doch mit den Details wollen sich nur wenige Wählerinnen und Wähler auseinandersetzen. Da interessieren sich zwar einige Experten für die globale Mindeststeuer oder für den grünen, gelben, türkisen und grauen Wasserstoff. Doch wird das alles kaum wahlentscheidend sein.
Aktuell stehen zwei Themen im Vordergrund des breiten öffentlichen Interesses: Die Pandemie und der Klimawandel. Die Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sowie in Bayern, über die ausführlich in den Medien berichtet wurde, hat die Nation erschüttert. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung, so ergab es die Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach, führen dieses schreckliche Ereignis auf den Klimawandel zurück; deshalb sehen fast 70 % in der Bekämpfung des Klimawandels eine der größten globalen Herausforderungen – gefolgt vom Kampf gegen die Umweltverschmutzung und der Bewahrung der Artenvielfalt.
Klimaschutz ohne Berücksichtigung der Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft findet jedoch nur bei 20 % der Bevölkerung eine volle Zustimmung, 75 % votieren für eine Kompromisslinie. Die Mehrheit (60 %) plädiert zudem für eine Technologieoffenheit – etwa im Verkehrssektor – und ist der Meinung, dass der technische Fortschritt in starkem Maße zur Reduzierung der Klimabelastung beitragen kann.
Angesichts der steigenden Inzidenzzahlen rangiert die Pandemiebekämpfung nach wie vor ebenfalls ganz hoch. Die Diskussion über das Impfen ist bereits in vollem Gange. Die Vorschläge aus den Parteien gehen ebenso wie die aus den Reihen der medizinischen Experten weit auseinander – etwa auch was die Bezahlung der PCR-Tests und die Quarantäne bei Einreisen aus Hochinzidenzregionen anbetrifft.
Die Allensbach-Befunde signalisieren ein breites Interesse der Bevölkerung vor allem an der Flüchtlings-, Renten-, Bildungs- und Wohnungsbaupolitik. Wahlentscheidende Kriterien sind danach die Themen Migration, der Klimaschutz und die Sozialpolitik. Die Menschen wollen von den Politikern erfahren, wie diese die Gestaltung der Zukunft Deutschlands angehen wollen. Dabei spielen die Vorstellungen über die weitere Entwicklung des Sozialstaats und der Staatsschulden ebenso wie die Interessen der jungen Generation und insbesondere auch die Wirtschaftskompetenz eine große Rolle.
Bewegung bei demoskopischen Befunden
Bei der Frage „Wenn am nächsten Sonntag die Bundestagswahl wäre, wie würden Sie wählen?“ sind die Umfrageergebnisse in der jüngsten Zeit in Bewegung geraten. So votieren für die CDU und CSU zwischen 26 und 30 %; die Union hat hier etwas an Boden verloren. Die Grünen rangieren zwischen 21 und 18 %, haben jedoch wieder etwas aufgeholt. Die SPD pendelt recht stabil zwischen 15 und 16,5 %, die FDP zwischen 12 und 13 %. Die Linke stabilisiert sich bei 7 %, die AfD um die 10 %. Die Ergebnisse der demoskopischen Institute fallen recht unterschiedlich aus. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass rund 25 % der Befragten sich noch nicht auf eine Partei festlegen, gut 20 % gar nicht an der Bundestagswahl teilnehmen wollen. Bei den Kandidaten für das Kanzleramt, die ohnehin nicht direkt zu wählen sind, zeichnet sich bei den demoskopischen Befunden fast ein totes Rennen ab: Laschet, Baerbock und Scholz liegen fast gleichauf mit relativ schlechten Zustimmungswerten.
Aus den aktuellen Zahlen für die Parteien lassen sich verschiedene Kombinationen für die nächste Koalition extrapolieren. Wenn die Union nicht wieder zulegen kann, dürfte eine Mehrheit allein mit den Grünen nicht zu erreichen sein. Ob die FDP dann zur Verstärkung bereit sein wird, ist offen; sie könnte das Zünglein an der Waage auch bei einer Koalition mit den Grünen und der SPD ebenso wie bei einer sogenannten „Deutschland-Formation“ mit der Union und SPD werden. Doch ist der Ausgang dieses Wahl-Marathons, der noch gar nicht richtig begonnen hat, völlig offen.
Spitzenleute ohne Dynamik
In der Union warten die Anhänger auf den Startschuss ihres Spitzenmannes Armin Laschet. Die TV-Auftritte bei der Zeitschrift Brigitte und im ZDF reichen dafür wohl nicht aus. Seine Besuche in den überfluteten Gebieten an der Ahr und Erft waren mehr oder weniger durchwachsen und von limitierter öffentlicher Wirkung. Seine Rhetorik in rheinischem Ton, seine Gestik, Motorik und Mimik wirken nicht gerade staatsmännisch und „kanzlerlike“. Und die steten Hinweise auf seine Aktivitäten in Nordrhein-Westfalen finden nicht unbedingt Bewunderung in den anderen Ländern von Mecklenburg-Vorpommern bis Bayern. Deshalb – so forderte es jüngst eine glühende CDU-Frau – muss „Armin endlich aus dem Quark kommen, um Nachfolger von Angela zu werden.“
Auch Olaf Scholz ist bislang eher sehr blass geblieben. Er strahlt zwar fast überall seine Freundlichkeit aus und überzeugt mit seinen Sachkenntnissen. Doch das Image vom „Scholzomaten“ kann er nicht überwinden. Nicht überzeugend war seine Position bei den Cum-Ex-Operationen des Hamburger Bankhauses Warburg; dass er sich an das meiste nicht einmal erinnern kann, das kratzt doch an seiner Glaubwürdigkeit. Die Unterstützung durch seine beiden SPD-Parteivorsitzenden fällt außerordentlich schwach aus. Ebenso fehlt ihm die kraftvolle Unterstützung aus der SPD-Zentrale, wie es einst die „Kampa“ leistete. Die Spitzenkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, ist nach ihrer Tour durch viele Fettnäpfchen inzwischen wieder aufgetaucht. Sie hat auch die überfluteten Regionen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz besucht und danach ihre Forderungen nach mehr Klimaschutz verstärkt. Was sie indessen konkret zum Katastrophenschutz, zu Warn-Systemen und zur „nationalen Resilienz-Strategie“ zum Besten gab, das war recht dürftig und blieb weitgehend unbeachtet – vor allem bei den Menschen in den Flut-Regionen. Die völlig fehlenden Erfahrungen in politischen Ämtern versucht Baerbock indessen rein verbal zu übertünchen, doch das dürfte für den Einzug in das Kanzleramt nicht ausreichen.
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