Rund 4.000 Menschen wurden auf deutschen Straßen im Jahre 2014 bei Verkehrsunfällen getötet. Hunderttausende erlitten schwere Verletzungen. Wenn auch die Zahl der Verkehrstoten in den letzten Jahrzehnten stark rückläufig war, die Verkehrspolitiker haben dennoch keinen Grund zur Zufriedenheit oder gar zum Nichtstun. Vielmehr gilt es, dass sich alle den Strategieplan „Vision Zero“ des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) zu eigen machen. Das gewiss ehrgeizige Ziel muss null Tote im Straßenverkehr sein. Um dies zu erreichen, müssen auch inner- wie außerorts moderne Radarmessstellen stationär und mobil eingerichtet werden. Denn wer die vorgeschriebene Geschwindigkeit nicht einhält und dadurch andere Menschen in Gefahr bringt, sollte als Temposünder büßen.
Dies alles scheint offenbar aus dem Blickwinkel geraten zu sein, da Politik und Medien in den letzten Monaten fast ausschließlich die Einführung der PKW-Maut auf der Agenda hatten. Das Gesetz zur Infrastrukturabgabe, das Minister Dobrindt jüngst vom Bundeskabinett abgesegnet bekam, muss nun noch über die parlamentarischen Hürden und insbesondere die Billigung der EU-Kommission finden. Ob das Lieblingsprojekt der CSU, das fast wie ein verkehrs- und finanzpolitischer Wolpertinger erscheint, letztendlich realisiert wird, ist jedenfalls noch keineswegs sicher. Mit Blick auf die Maut-Einnahmen, die von ausländischen Autofahrern für die Benutzung deutscher Straßen kassiert werden sollen, sind die Kalkulationen außerordentlich unterschiedlich. Minister Dobrindt hofft auf einige hundert Millionen pro Jahr, während andere Experten davon ausgehen, dass bei der PKW-Maut am Ende die Soße teurer sein wird als der Braten.
Gut 50 Mrd. € werden jährlich von Autofahrern abkassiert – über alle möglichen Steuern und Abgaben. 8 bis 10 Mrd. Euro wären pro Jahr für Investitionen in das Straßennetz erforderlich, um es in einen guten Zustand zu bringen. Zurzeit sind 40% der Straßen und 50% der Brücken in einem kritischen Zustand.
Richtig und wichtig ist, die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland nachhaltig zu verbessern. Immer mehr marode Straßen, gesperrte Brücken und gefährliche Schlaglöcher erfordern viele Milliarden Euro, wenn in den nächsten Jahren nur die Sanierung des bestehenden Netzes annährend erreicht werden soll. Hinzu kommt ein beachtlicher Bedarf an Strecken, die neu gebaut werden müssen, an Umgehungsstraßen in Kreisen und Städten sowie an mehr Investitionen in die Verkehrssicherheit. Schließlich ist die Mobilität einer der wichtigsten Faktoren in einer arbeitsteiligen Volkswirtschaft.
Im Durchschnitt steht inzwischen jeder deutsche Autofahrer gut 50 Stunden jährlich im Stau; in Bundesländern wie zum Beispiel in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen sind es gar im Schnitt 75 Stunden, also wesentlich mehr als in den Flächenstaaten. Die persönlichen Zeitverluste sind also gewaltig, die durch die Staus verursachten Emissionen hoch und die Kosten für die nutzlos vergeudeten Kraftstoffe beachtlich.
Die Autoindustrie tut einiges, um auf die Herausforderungen des Verkehrs zu reagieren: Bei den Fahrzeugen geht es mehr um neue Trends wie etwa mit der Digitalisierung, mit der Vernetzung zur Infrastruktur – wie etwa zu Parkhäusern –, mit der Pilotierung von Automobilen, der Spurensicherung auf Straßen, den Stau- und Parkassistenten sowie mit der Nachhaltigkeit. Allerdings tun sich deutsche Autohersteller mit den Elektro- und Hybrid-Fahrzeugen nach wie vor schwer. Das Angebot ist immer noch recht begrenzt, die Autos sind durchweg sehr teuer. Der Ruf des Präsidenten der deutschen Automobilindustrie, Matthias Wissmann, nach staatlichen Subventionen für E-Mobile mutet wie das Pfeifen im Walde an. Ausländische Produzenten aus Japan und Korea sowie wohl schon in Kürze aus China könnten auf dem deutschen Markt mehr als nur Pioniere mit Hybrid- und Elektromobilen sowie Wasserstoffantrieben werden.
Der einzige Faktor wird bislang in der verkehrspolitischen Zukunftsorientierung weitgehend außer Acht gelassen, nämlich die Autofahrer selbst. Heute verfügen 51 Millionen Einwohner in Deutschland über einen Führerschein. Das ist bei einer Bevölkerung von insgesamt 81 Millionen beachtlich, eine Zahl, die jedoch in den nächsten Jahrzehnten sinken wird– bis 2050/2060 möglicherweise auf 70 bis 65 Millionen. Zugleich ändert sich die demographische Struktur: Schon heute sind 20% der Menschen in unserem Lande 65 Jahre und älter. In vier bis fünf Jahrzehnten werden hier so viele 80jährige wie unter 20jährige in Deutschland leben.
Die Unfall-Statistiken weisen eindeutig aus, dass die ältere Generation keineswegs mehr Unfälle verursacht als die jüngere, sondern eher weniger. Die wichtigsten Unfallursachen sind Alkohol und Drogen sowie überhöhte Geschwindigkeiten. Im Übrigen ist das Auto für die Älteren in unserer Gesellschaft das sicherste Verkehrsmittel – viel sicherer als etwa das Fahrrad.
Dennoch sind gewisse Probleme bei älteren Autofahrern zu berücksichtigen: Ab einem Alter von etwa 50 bis 60 Jahren lassen die Hör-und Sehfähigkeiten einfach nach; auch wird das Gedächtnis schwächer. Diesen natürlichen Entwicklungen gilt es vorzubeugen – etwa mit freiwilligen Gesundheitschecks, also dem Besuch beim Augen- und Ohrenarzt. Im Interesse aller Verkehrsteilnehmer, vor allem jedoch auch im eigenen Interesse der älteren sollte die Eigenverantwortung gestärkt und die Selbstüberprüfung zur Regel werden. Die Beratungs-, Aufklärungs- und Trainingsangebote für ältere Autofahrer müssen auf- und ausgebaut werden, damit die in den Fahrzeugen eingebauten Fahrer-Assistenz-Systeme richtig genutzt werden. Dem Verkehrssicherheit muss gerade mit Blick auf die Zukunft auf allen Ebenen mehr Vorrang eingeräumt werden.
Bildquelle: Wikipedia, CC BY-SA 3.0, „Mein Auto hat heute frei“, Autofreier Tag in Vorarlberg, Martin Reis – Energieinstitut Vorarlberg