Da ist sie wieder: die typisch deutsche Debatte. Der Tagesspiegel hat diese Debatte heute in einer Titelzeile auf den Punkt gebracht: „Berliner Lehrer wehren sich gegen Impfpflicht.“
Es wird auch nicht mehr lange dauern, bis es mal wieder heißt: Widerstand! Freiheit in Gefahr! Kampf der … und so weiter. NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) bugsiert sich bereits wie ein Hochseeschlepper vor einen havarierten Container Riesen: „Eine Impfpflicht lehne (ich) ausdrücklich ab.“
Sarkastisch ließe sich schreiben: Sic transit Gloria Mundi, aber Lauterbachs Verdienste sollen nicht geschmälert werden. Er hat Stehvermögen, leistet Aufklärung, wo andere salbadern. Hier erleichtert er mir den Übergang: Es ist tatsächlich so, dass Chefs und Chefinnen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Arztpraxen, in der Kranken- und Altenpflege, in Kindertagesstätten und Schulen die nach 1970 geboren worden sind, nach dem neuen Masernschutzgesetz zweimal geimpft sein müssen. Wumm! Diese Vorschrift trifft auch auf Tagesmütter, Bewohner und Beschäftigte in Asylbewerber- und Flüchtlingsunterkünften zu.
Also: Über was wird da gestritten?
Der Sprecher der Berliner Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Markus Hanisch räumte im erwähnten Tagesspiegel ein, dass an verschiedenen Schulen noch „Überzeugungsarbeit“ zu leisten sei, um die Impfquote zu erhöhen. Impfpflicht nannte er einen „relativ weitgehenden Schritt“. Astrid-Sabine Busse, Vorsitzende im Interessenverband Berliner Schulleitungen, begrüßte eine Impfpflicht grundsätzlich, nannte eine Quote von 60 Prozent geimpfte Lehrerinnen und Lehrer.
Kann es sein, dass „an der Basis“ größeres Verständnis für Impflicht herrscht als gemeinhin bekannt ist und die Für-und- Wider-Debatte im sogenannten „Überbau“ steckt, daher mit der Realität in den Bildungs-„Betrieben“ wenig zu tun hat? Übrigens: In der DDR herrschte Impfpflicht gegenüber vielen Infektionskrankheiten. Welcher Teil vom Titel einer Marschmusik des Militärkomponisten Carl Latann soll also gelten: Vorwärts immer oder rückwärts nimmer?
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https://zzf.podigee.io/3-gesundheitspolitik
Es gab keine Impfflicht in der DDR, schon gar nicht gegen Grippe oder verwandte Viren – denn schon die DDR wusste, dass eine Durchimpfung bei schnell mutierenden Viren Resistenzen ausbildet und damit gefährlich ist.
https://www.bpb.de/apuz/medizin-und-ethik-in-der-pandemie-2021/334619/ethik-des-impfens-impfentscheidungen-ethische-konflikte-und-historische-hintergruende
„Bei alledem gilt aber: Ausrotten lassen sich nur Krankheiten, die ausschließlich oder ganz überwiegend den Menschen befallen. Die Pocken, die Kinderlähmung und die Masern gehören dazu, die Grippe und Covid-19 nicht.“
„Aber auch für die Bundesrepublik wäre eine Impfpflicht kein Novum. Hier bestand zwischen 1949 und Ende 1975 ein allgemeiner Impfzwang – um die Pocken auszurotten. Bis in die 1980er Jahre galt eine Pockenimpfung für Kinder im Alter von einem bis zwölf Jahren als obligatorisch. 1983 wurde die Impfpflicht aufgehoben. In der DDR waren seit den 1950er Jahren bestimmte Impfungen gesetzlich vorgeschrieben. Die Bestimmungen wurden ab den 1960er Jahren stark ausgeweitet. Unter anderem waren Impfungen gegen Pocken, Tetanus, Diphtherie, Tuberkulose und Polio verpflichtend. Durch ähnlich konsequente Programme in anderen Ländern konnten viele Infektionskrankheiten weltweit eingedämmt werden. Bei den Pocken gelang sogar eine vollständige Eradikation, das heißt, es gibt weltweit keinen Erreger der Pocken mehr – nur noch in einigen wenigen Hochsicherheitslabors.“ https://www.aerzteblatt.de/app/print.asp?id=168533