Dietmar Gerhard Bartsch, einer der Vorsitzenden der Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag, ist ein vielgefragter Mann. Am 2. Juli wurde er vom Deutschlandfunk zum Thema Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan interviewt. Das hat mindestens eine Vorgeschichte.
Am 23. Juni sagte Bartsch im Bundestag an die Adresse der Bundesregierung: „Sie hinterlassen ein kaputtes Land. Nichts ist gut in Afghanistan.“
Bartsch folgte damit Wort für Wort der evangelischen Bischöfin Margot Käßmann, die bereits in ihrer Neujahres-Predigt 2010 konstatiert hatte: „Nichts ist gut in Afghanistan.“ Die Publizistin Susanne Gaschke hatte 2019 an Käßmanns Verdikt erinnert und ebenfalls dekretiert: „Käßmann hatte recht, was Afghanistan anbelangt.“
Im Deutschlandfunk wurde Bartsch bedrängt, diesen Satz zu interpretieren Tat er auch prompt und geriet ins Rutschen. Also nichts Neues. Wirklich bemerkenswert waren die Bartsch- Sätze: „Als die UdSSR in Afghanistan einmarschierte, konnten die Frauen sich befreien“… und das einige Sekunden später folgende Halbsätzlein: „Wir als Besatzer in einem Land…“ Auf Nachfrage und den Hinweis, dass die Bundeswehr auf der Grundlage einer UN-Entscheidung in Afghanistan gewesen sei, zog er sich auf die Position zurück, viele sähen die Bundeswehr eben als Besatzer,Das ist Bartschens Auffassung, über die sich Deutschlandfunk- Moderator Christoph Heinemann aufregen kann. Bekannt ist die Meinung von Dietmar Bartsch längst. Sie ist nichts Neues.
Und da setzt die zweite Vorgeschichte ein. Bartsch folgt mit seiner Position der durch das Putin-Regime seit 2000 und die folgenden Jahre veränderten Darstellung des Afghanistan- Krieges zwischen 1979 und 1989. Nach 2000 wurde diesem Krieg peu a peu der Charakter des völkerrechtswidrigen Einmarsches und der Besatzung durch 600 000 Soldaten mit einer Million Kriegsopfern genommen. Die zehn Jahre Krieg werden heute als militärisch-politische Pflicht dargestellt, durch die Afghanistan befreit worden sei. Das mündet dann in solche Sätze ein, wonach die Frauen in Afghanistan sich damals hätten befreien können.
Margot Käßmann ist nie von ihrer Äußerung abgerückt. Sie hat sich freilich vor kurzem im Deutschlandfunk selbst so etwas wie „Absolution“ erteilt: „Ja, ich denke, einen Fehler bekennen, auch öffentlich zugeben und sich darauf verlassen zu können, dass andere mir zutrauen, anderes neu zu denken, mit neuen Argumenten – das ist auch eine gut protestantische Haltung.“
Solches ist von den anderen genannten Persönlichkeiten nicht zu erwarten.
Bildquelle: ISAF Headquarters Public Affairs Office, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons