Die Anti-„Rassismusfront“ in Deutschland hat große, große Lücken. Diese zeigen sich vor allem dann, wenn es um Verbrechen an Roma geht, um Missachtung ihres Menschseins, Bürgerrechtsverletzungen, Benachteiligungen. Bis in die TAZ hinein geht das.
Jüngstes Beispiel: Vor wenigen Tagen starb in der tschechischen Stadt Teplice ein Angehöriger der Volksgruppe der Roma nach einem „Polizeieinsatz“. Digital wurde dieser Einsatz dokumentiert. Ein Uniformierter hält minutenlang mit dem Knie Nacken und Kopf eines wenig bekleideten Mannes auf den Boden gepresst – „fixieren“ nennt man das, der Polizei-Terminologie folgend. Minuten später ist der Mann tot. Diese Szene erinnert an den Tod von George Floyd, der damals die Welt bewegte.
Bis auf eine kurzzeitige Berichterstattung entstand keine große Bewegung. In der Hauptstadt, die zur Zeit rätselt, wie es in den Schulen nach den Sommerferien weitergeht, kamen 100 Menschen zum Protest vor der tschechischen Botschaft in der traditionsreichen Wilhelmstraße zu Berlin zusammen. Mehr waren es nicht. Die Botschaft ignorierte natürlich die Demonstrierenden. Dort war noch im Mai der deutsch-tschechische Journalistenpreis ausgelobt worden, unter anderem ein Preis für „Zivilcourage, multikulturelle Verständigung und Toleranz“.
Der Europarat, aufgeschreckt durch die digitale Dokumentation des Sterbens dieses Rom forderte eine „unabhängige Untersuchung“. Andere wissen da schon mehr. Die TAZ berichtete, der Mann „solle“ an einer Überdosis gestorben sein.
Offenkundig ging es der dortigen TAZ-Korrespondentin gegen den Strich, dass Roma den Toten als tschechischen George Floyd bezeichneten. Sie schrieb: „Videoaufnahmen vom Polizeieinsatz und auch davon, was dazu geführt hat, unterstützen dieses Narrativ allerdings genauso wenig wie die Autopsie. Die hat bestätigt, was Aufnahmen, die den eigentlichen Grund des Polizeieinsatzes belegen, ahnen lassen: Der „tschechische George Floyd“ verfügte offensichtlich über eine weitaus niedrigere Methamphetamin-Toleranz, als das amerikanische Vorbild…“
Man mag es ungehörig finden, dass Black lives Matter auf Sinti und Roma angewandt wird. Wer eine Sekunde nachdenkt, dem wird klar werden, dass ein solcher Gedanke irrelevant ist. Wer meint, die Antirassismus- Bewegung sollte durch als zweifelhaft empfundene Fälle nicht beeinträchtigt werden, der sollte einige Blicke in die Berichte der Bundesregierung wie der europäischen Menschenrechtsinstitutionen zur Lage der Sinti und Roma werfen. Es ist wie eine endlose Wiederholung der immer gleichen Bürgerrechtsverletzungen, Missachtungen. Es kommt noch etwas hinzu: In einigen mitteleuropäischen Ländern – auch in Tschechien – gehören für Teile der Bevölkerung die Roma nicht in den Kreis der als Menschen zu achtenden Wesen. Ich frage mich, ob die geringe Beachtung von Fällen wie der in Teplice bei uns in Deutschland ein Echo auf die Verachtung darstellt, die anderorts offenkundig ist.