Nun liegt also auf dem Tisch, was sich die demokratischen Parteien in Deutschland für den Wahlkampf und für denkbare Nachwahlkonstellationen als Wahlprogramme haben einfallen lassen. Die Unionsparteien jedenfalls sind offenbar vor allem interessiert, die liberalkonservative FDP in ein Bündnis zu locken mit dem Versprechen, ohne Steuererhöhungen die Coronaschulden stemmen zu wollen. Sollte die Union den künftigen Kanzler stellen, bliebe auch die Schuldenbremse bestehen. Mit der Union allein jedenfalls müssten die Reichen im Land den Steuerbüttel nicht fürchten.
Feindberührung gegen neue und alte Nazis in und außerhalb der AfD ist in dem umfangreichen Wahlprogramm der CDU von über 100 Seiten wohl auch irgendwo zu finden. Schließlich hat selbst Horst Seehofer (CSU) dem Satz zugestimmt, Rechtsextremismus sei gegenwärtig die höchste Bedrohung des demokratischen Rechtstaates. Daraus und aus den über 400 Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte, die im Verdacht rechtsextremer Umtriebe stehen, muss er als amtierender Bundesinnenminister jedenfalls keine Konsequenzen mehr ziehen, da er mit dem Ende der gegenwärtigen Bundesregierung angeblich aus der aktiven Politik aussteigen will.
Über rechtsextreme Umtriebe in der Bundeswehr ließe sich ähnliches berichten. Auch dort fast täglich Nachrichten über „rechtsextreme Uniformträger, die in Deutschland den Umsturz herbeisehnen und in Chatgruppen den „Tag X“ planen mit Steckbriefen, Waffenlagern und Leichensäcken. Ebenso täglich Nachrichten aus der Europäischen Union, wo Mitglieder wie Polen und Ungarn den Wertekanon der EU zurückweisen und zerstören wollen. Ihnen reicht der gemeinsame Markt und aktiv dabei, die Reste des demokratischen, freiheitlichen Rechtsstaat gegen ein autoritäres Regime auszutauschen.
Der gegenwärtig langsam heiß laufende Wahlkampf in der Bundesrepublik jedenfalls zeigt vielfach auf, in welcher krisenhaften Phase auch die Demokratien in der EU sich befinden. Wie es scheint, steht Österreich ebenfalls vor einer tiefgehenden innenpolitischen Krise, und Kanzler Kurz muss klären, ob er den Untersuchungsausschuss in Wien zur Ibiza-Affäre belogen hat. Und selbst aus der CDU gibt es zudem Stimmen, die im Blick auf Ungarn dessen Mitgliedschaft in der EU in Frage stellen.
Es mangelt jedenfalls nicht an Themen, die im Wahlkampf auf Klärung warten. Schon deshalb sind alle scheinbar sicheren Voraussagen über den Ausgang der Bundestagswahl voreilig. Selbst die dünnen 15 Prozent-Voraussagen für die SPD könnten sich überraschend für die Sozialdemokraten noch positiv verändern, sollte Olaf Scholz eine Mehrheit der Wähler:innen überzeugen, mit seinem Thema einer sozialökologischen Klimapolitik zu verhindern, die Rettung des blauen Planeten Erde der Enkelgeneration zu überlassen. Dafür nämlich könnte es dann zu spät sein.
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