Der 20. Juni ist ein besonderer Tag. Die Vereinten Nationen haben ihn Menschen gewidmet, die unglaubliche Geschichten zu erzählen haben. Sie handeln von Krieg, Gewalt und Menschenrechtsverletzungen. Aber vor allem erzählen sie von der Stärke und Ausdauer dieser Menschen, die alles zurücklassen und fliehen – in der Hoffnung auf ein neues Leben in einem Land, das ihnen Schutz und Sicherheit bietet.
Zum Weltflüchtlingstag fordert das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) die Staatengemeinschaft dazu auf, das Überleben von Flüchtlingen zu sichern und ihre Rechte zu schützen. An die Zivilgesellschaften appelliert er, für Mitmenschlichkeit, Solidarität mit Geflüchteten und gegen Fremdenhass einzustehen und dabei laut und sichtbar zu werden.
Dieser Tag hat aber noch eine andere wichtige Funktion: der UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi veröffentlicht die globalen Flüchtlingszahlen, die der UNHCR im Rahmen seines Global Trends Reports jährlich veröffentlicht. Genauer gesagt, handelt es sich um eine Zahl im Zentrum der Aufmerksamkeit. Eine Zahl, die sehr abstrakt, wenig greifbar wirkt. Ende 2016 waren 65,6 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. Ende 2020 zählte der UNHCR bereits 82,4 Millionen Menschen – ein immenser Anstieg innerhalb von vier Jahren.
Wie setzt sich diese Zahl zusammen und wer sind die Menschen und Schicksale, die hinter der nüchternen Ziffer stehen?
Von den 82,4 Millionen Menschen auf der Flucht, sind 26,4 Millionen Flüchtlinge gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention. Weit über die Hälfte der 82,4 Millionen Geflüchteten sind jedoch Binnenvertriebene – also Menschen, die innerhalb des eigenen Landes vertrieben wurden. Es folgen 4,1 Millionen Asylsuchende und 3,9 Millionen Vertriebene aus Venezuela.
Die wenigsten kommen in den globalen Norden – 86 Prozent aller Flüchtlinge (Venezolaner eingeschlossen) leben in Ländern mit einem niedrigen oder mittleren volkswirtschaftlichen Einkommen. Die Krise findet also keinesfalls in Europa statt. Einige wenige Aufnahmeländer leisten unter großen Anstrengungen Hilfe, wo es nötig ist.
Diese Länder haben die meisten Flüchtlinge aufgenommen
Das größte Aufnahmeland ist die Türkei, die 3,7 Millionen Flüchtlingen Schutz gewährt. Darauf folgen Kolumbien mit 1,7 Millionen Flüchtlingen, Pakistan und Uganda mit jeweils 1,4 Millionen und Deutschland mit 1,2 Millionen.
….. zwei Drittel aller Flüchtlinge kommen aus nur fünf Ländern
Dabei kommen 68 Prozent aller Flüchtlinge aus nur fünf Ländern: Syrien, Venezuela, Afghanistan, Südsudan und Myanmar. Inzwischen leben weltweit 1 Million Kinder, die als Flüchtling auf die Welt kamen.
Diese Zahlen tragen die Handschrift nicht enden wollender Konflikte und Kriege. Sie spiegeln ein globales Ungleichgewicht und eine humanitäre Notlage, die seit Jahren schwelt und immer größere Ausmaße annimmt. Sie haben dazu beigetragen, dass die internationale Staatengemeinschaft Flucht und Vertreibung wieder als gemeinsame Herausforderung begreifen. Mit der New Yorker Erklärung für Flüchtlinge und Migrant*innen, unterzeichnet von 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen und dem globalen Pakt für Flüchtlinge, der am 17. Dezember 2018 von der UN-Generalversammlung in New York angenommen wurde, sind die ersten wegweisenden Schritte getan.
Doch ohne den politischen Willen und die Kraft der Zivilgesellschaften kann der mit dem Pakt einhergehende gesamtgesellschaftliche Ansatz zum Schutz von Menschen auf der Flucht, nicht aufgehen. Die UNO-Flüchtlingshilfe ist deshalb als nationaler Partner des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) aktiv, um die Menschen in Deutschland dafür zu gewinnen, für Flüchtlinge einzustehen. Auch heute, Jahre nach den größeren Fluchtbewegungen nach Europa, setzen sich großartige ehrenamtliche tätige gemeinsam mit hauptamtlichen Menschen bundesweit dafür ein, Flüchtlingen ein gutes Leben in diesem Land zu ermöglichen. Diese Mitmenschlichkeit und die Stärke und Widerstandsfähigkeit von Menschen auf der Flucht, ist es, die neben den nüchternen Zahlen im Zentrum des Weltflüchtlingstages stehen muss. Wer für Flüchtlinge einstehen will, darf sich nicht von der übermächtigen Summe von 82,4 Millionen Menschen auf der Flucht einschüchtern lassen. Ganz im Gegenteil – hinter ihr stecken 82,4 Millionen Schicksale, von denen jedes einzelne für sich steht und es wert ist, zu handeln statt wegzusehen.